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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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ähnliche Kalamität muß über kurz oder lang auch bei den Maschinengewehr¬
formationen eintreten, deren Munitionsverbrauch ja den der Artillerie um ein
vielfaches überschreitet.

Die Frage des Munitionsersatzes, besonders bei der Artillerie, erhält ein
um so ernsteres Gesicht, als wir nach den Erfahrungen der letzten Kriege,
besonders aber des Krieges zwischen Rußland und Japan, damit rechnen müssen,
daß unsere Gegner die offene Feldschlacht stets vermeiden werden, vielmehr selbst
in der Offensive danach trachten werden, sich durch leichte Feldbefestigungen
gegen unser Feuer zu schützen. Gegen solche Feldbefestigungen, deren Her¬
stellung heutzutage nicht mehr ein Vorrecht der Pioniere ist, die vielmehr wie die
großen Manöver in Ostpreußen im Jahre 1910 zeigten, ebenso von der Kavallerie
hergestellt werden, wird eine ungeheuere Munitionsmenge verfeuert werden
müssen, ehe der Angriff mit dem Bajonett möglich ist. Aber der Angriff selbst
wird Menschenmassen notwendig machen, von deren Größe die Geschichte noch
kein Beispiel kennt, was wieder unserem östlichen Gegner gegenüber die Störung
der Mobilmachung notwendig erscheinen läßt, wodurch das Streben, schnell zur
Offensive übergehen zu können, gerechtfertigt und der Ruf nach Kavallerie und
Ausbau und bester Ausrüstung der heimischen Basis bedingt wird. So treibt
ein Keil den anderen. Jedes Gewehr mehr bedeutet die Notwendigkeit der
Verlängerung der Trains innerhalb der Marschkolonne der fechtenden Truppe, --
jeder Mann mehr das gleiche, da die Lebensmittel für Wochen mitgeschleppt
werden müssen und jedes neue Mittel zur Ausnutzung des Geländes macht
wieder die Notwendigkeit größerer Manuschaftszahlen.




Wie sucht nun die neue Heeresvorlage diesen sich vielfach widersprechenden
Forderungen gerecht zu werden? Ich habe schon in meinem Artikel im vorigen
Heft gezeigt, welche Änderungen in der politischen Konstellation uns zwingen,
tief in den Beutel zu greifen, um die Armee auf den Stand zu bringen, der
den neuen Forderungen der Weltlage entspricht. Das Kriegsministerium zeigt
sich dieser neuen Situation gegenüber durchaus auf der Höhe und wenn es im
vorigen Jahre, selbst in solchen Kreisen die recht gut informiert zu sein pflegen,
den Anschein erweckte, als wenn es dieser Aufgabe nicht gewachsen wäre, so
muß heute anerkannt werden, daß der Schein durch die Tatsachen nicht bestätigt
wird, daß es vielmehr die verfassungsmäßigen und parlamentarischen Begren¬
zungen, denen die Heeresleitung unterworfen ist. sind, die im wesentlichen Schuld
daran tragen, wenn der Schein erweckt wurde. Und ich hebe dieses Moment
um so schärfer hervor, als ich mich selbst im vorigen Jahre verleiten ließ, einen
Vorwurf gegen das Kriegsministerium zu erheben, der sich tatsächlich nicht
aufrecht erhalten läßt.

Ein Wort der Erklärung: Die immer wiederkehrenden heftigen Kämpfe
um das Septennat sind noch in aller Erinnerung. Der Reichstag, oder besser,
eine Anzahl Parteien, fühlten sich dadurch beschwert, daß sie die .Kosten für


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ähnliche Kalamität muß über kurz oder lang auch bei den Maschinengewehr¬
formationen eintreten, deren Munitionsverbrauch ja den der Artillerie um ein
vielfaches überschreitet.

Die Frage des Munitionsersatzes, besonders bei der Artillerie, erhält ein
um so ernsteres Gesicht, als wir nach den Erfahrungen der letzten Kriege,
besonders aber des Krieges zwischen Rußland und Japan, damit rechnen müssen,
daß unsere Gegner die offene Feldschlacht stets vermeiden werden, vielmehr selbst
in der Offensive danach trachten werden, sich durch leichte Feldbefestigungen
gegen unser Feuer zu schützen. Gegen solche Feldbefestigungen, deren Her¬
stellung heutzutage nicht mehr ein Vorrecht der Pioniere ist, die vielmehr wie die
großen Manöver in Ostpreußen im Jahre 1910 zeigten, ebenso von der Kavallerie
hergestellt werden, wird eine ungeheuere Munitionsmenge verfeuert werden
müssen, ehe der Angriff mit dem Bajonett möglich ist. Aber der Angriff selbst
wird Menschenmassen notwendig machen, von deren Größe die Geschichte noch
kein Beispiel kennt, was wieder unserem östlichen Gegner gegenüber die Störung
der Mobilmachung notwendig erscheinen läßt, wodurch das Streben, schnell zur
Offensive übergehen zu können, gerechtfertigt und der Ruf nach Kavallerie und
Ausbau und bester Ausrüstung der heimischen Basis bedingt wird. So treibt
ein Keil den anderen. Jedes Gewehr mehr bedeutet die Notwendigkeit der
Verlängerung der Trains innerhalb der Marschkolonne der fechtenden Truppe, —
jeder Mann mehr das gleiche, da die Lebensmittel für Wochen mitgeschleppt
werden müssen und jedes neue Mittel zur Ausnutzung des Geländes macht
wieder die Notwendigkeit größerer Manuschaftszahlen.




Wie sucht nun die neue Heeresvorlage diesen sich vielfach widersprechenden
Forderungen gerecht zu werden? Ich habe schon in meinem Artikel im vorigen
Heft gezeigt, welche Änderungen in der politischen Konstellation uns zwingen,
tief in den Beutel zu greifen, um die Armee auf den Stand zu bringen, der
den neuen Forderungen der Weltlage entspricht. Das Kriegsministerium zeigt
sich dieser neuen Situation gegenüber durchaus auf der Höhe und wenn es im
vorigen Jahre, selbst in solchen Kreisen die recht gut informiert zu sein pflegen,
den Anschein erweckte, als wenn es dieser Aufgabe nicht gewachsen wäre, so
muß heute anerkannt werden, daß der Schein durch die Tatsachen nicht bestätigt
wird, daß es vielmehr die verfassungsmäßigen und parlamentarischen Begren¬
zungen, denen die Heeresleitung unterworfen ist. sind, die im wesentlichen Schuld
daran tragen, wenn der Schein erweckt wurde. Und ich hebe dieses Moment
um so schärfer hervor, als ich mich selbst im vorigen Jahre verleiten ließ, einen
Vorwurf gegen das Kriegsministerium zu erheben, der sich tatsächlich nicht
aufrecht erhalten läßt.

Ein Wort der Erklärung: Die immer wiederkehrenden heftigen Kämpfe
um das Septennat sind noch in aller Erinnerung. Der Reichstag, oder besser,
eine Anzahl Parteien, fühlten sich dadurch beschwert, daß sie die .Kosten für


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/551>, abgerufen am 01.07.2024.