Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Briefe aus Trebeldorf
Aarl Rrickeberg von(Schluß)

Trebeldorf, den 17. Februar 19 . .


Lieber Cunz,

warum Du Dich in der Zwischenzeit mit ein paar Postkarten hast begnügen
müssen?

Sattle einmal Deine Phantasie und stelle Dir mich als Dichter, Regisseur
und Schauspieler in einer Person vor.

Wir haben "das Mädchen in der Mausefalle" aufgeführt, eine Komödie,
die ich vor mehreren Jahren als Student zum Stiftungsfest unseres akademischen
Gesangvereins verbrochen habe; vielleicht das wundervollste Werk, das je dem
Hirn eines dichtenden Menschen entsprungen ist, eine Burleske reinsten Stils,
eine Komödie der Irrungen mit verworrenster Handlung, so grob und toll wie
möglich erfunden.

Es dreht sich um die Schicksale der Aurora Liederström, einer liebe¬
glühenden Dichterin in den besten Jahren zwischen neunzehn und einundsechzig.
Ehemals Gesellschaftsdame im Hause eines Gouverneurs im Südwest, hat sie
sich dort einem Nigger vermählt, ist ihm aber nach etlicher Zeit in einem An-
fluge von Herzerweiterung davongelaufen, um heimwärts zu dampfen in die
väterlichen Gefilde. Hier wirft sie sich, ihre Vergangenheit weise verschleiernd,
M Uberschwange seliger Gefühle einem verbummelten Zeitungsschreiber an den
Hals, mit dem sie der Zufall zusammenführt.

Durch eine Kette listenreicher Erfindungen sucht aber dieses Scheusal mit
Hilfe zweier Freunde sich die edle Seele abzuwimmeln. Sie läßt jedoch nicht
locker und strengt gegen den Verräter einen Prozeß an, bei welcher Gelegenheit
sie nicht unterläßt, auch ihrem Rechtsanwalt eine heißglühende Liebeserklärung
W versetzen. Hier hebt nun ein grandioses Gegenspiel der süßen Fanny an,
die bei dem Rechtsanwalt als Mädchen für alles fungiert. Verwirrungen über
Verwirrungen. Der Prozeß geht pleite, und als schließlich im Zimmer des
Nechtsanwalts die Urteilsverkündigung stattfindet, da kommt der Knalleffekt.

Zwei Rollwagenmänner schleppen eine riesige Kiste mit dunklem Inhalt
herein. Der Gouverneur aus Südwest, ein alter Freund des Rechtsanwalts,
sendet sie diesem als Geschenk. Höchste Spannung. Man öffnet schnell, und
heraus springt -- ein Nigger, der mit wildem Geheul die ungebärdigsten Tänze


Grenzboten I 1913 34


Briefe aus Trebeldorf
Aarl Rrickeberg von(Schluß)

Trebeldorf, den 17. Februar 19 . .


Lieber Cunz,

warum Du Dich in der Zwischenzeit mit ein paar Postkarten hast begnügen
müssen?

Sattle einmal Deine Phantasie und stelle Dir mich als Dichter, Regisseur
und Schauspieler in einer Person vor.

Wir haben „das Mädchen in der Mausefalle" aufgeführt, eine Komödie,
die ich vor mehreren Jahren als Student zum Stiftungsfest unseres akademischen
Gesangvereins verbrochen habe; vielleicht das wundervollste Werk, das je dem
Hirn eines dichtenden Menschen entsprungen ist, eine Burleske reinsten Stils,
eine Komödie der Irrungen mit verworrenster Handlung, so grob und toll wie
möglich erfunden.

Es dreht sich um die Schicksale der Aurora Liederström, einer liebe¬
glühenden Dichterin in den besten Jahren zwischen neunzehn und einundsechzig.
Ehemals Gesellschaftsdame im Hause eines Gouverneurs im Südwest, hat sie
sich dort einem Nigger vermählt, ist ihm aber nach etlicher Zeit in einem An-
fluge von Herzerweiterung davongelaufen, um heimwärts zu dampfen in die
väterlichen Gefilde. Hier wirft sie sich, ihre Vergangenheit weise verschleiernd,
M Uberschwange seliger Gefühle einem verbummelten Zeitungsschreiber an den
Hals, mit dem sie der Zufall zusammenführt.

Durch eine Kette listenreicher Erfindungen sucht aber dieses Scheusal mit
Hilfe zweier Freunde sich die edle Seele abzuwimmeln. Sie läßt jedoch nicht
locker und strengt gegen den Verräter einen Prozeß an, bei welcher Gelegenheit
sie nicht unterläßt, auch ihrem Rechtsanwalt eine heißglühende Liebeserklärung
W versetzen. Hier hebt nun ein grandioses Gegenspiel der süßen Fanny an,
die bei dem Rechtsanwalt als Mädchen für alles fungiert. Verwirrungen über
Verwirrungen. Der Prozeß geht pleite, und als schließlich im Zimmer des
Nechtsanwalts die Urteilsverkündigung stattfindet, da kommt der Knalleffekt.

Zwei Rollwagenmänner schleppen eine riesige Kiste mit dunklem Inhalt
herein. Der Gouverneur aus Südwest, ein alter Freund des Rechtsanwalts,
sendet sie diesem als Geschenk. Höchste Spannung. Man öffnet schnell, und
heraus springt — ein Nigger, der mit wildem Geheul die ungebärdigsten Tänze


Grenzboten I 1913 34
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0533" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325403"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341897_324869/figures/grenzboten_341897_324869_325403_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Briefe aus Trebeldorf<lb/><note type="byline"> Aarl Rrickeberg</note> von(Schluß)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2480"> Trebeldorf, den 17. Februar 19 . .</p><lb/>
          <note type="salute"> Lieber Cunz,</note><lb/>
          <p xml:id="ID_2481"> warum Du Dich in der Zwischenzeit mit ein paar Postkarten hast begnügen<lb/>
müssen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2482"> Sattle einmal Deine Phantasie und stelle Dir mich als Dichter, Regisseur<lb/>
und Schauspieler in einer Person vor.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2483"> Wir haben &#x201E;das Mädchen in der Mausefalle" aufgeführt, eine Komödie,<lb/>
die ich vor mehreren Jahren als Student zum Stiftungsfest unseres akademischen<lb/>
Gesangvereins verbrochen habe; vielleicht das wundervollste Werk, das je dem<lb/>
Hirn eines dichtenden Menschen entsprungen ist, eine Burleske reinsten Stils,<lb/>
eine Komödie der Irrungen mit verworrenster Handlung, so grob und toll wie<lb/>
möglich erfunden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2484"> Es dreht sich um die Schicksale der Aurora Liederström, einer liebe¬<lb/>
glühenden Dichterin in den besten Jahren zwischen neunzehn und einundsechzig.<lb/>
Ehemals Gesellschaftsdame im Hause eines Gouverneurs im Südwest, hat sie<lb/>
sich dort einem Nigger vermählt, ist ihm aber nach etlicher Zeit in einem An-<lb/>
fluge von Herzerweiterung davongelaufen, um heimwärts zu dampfen in die<lb/>
väterlichen Gefilde. Hier wirft sie sich, ihre Vergangenheit weise verschleiernd,<lb/>
M Uberschwange seliger Gefühle einem verbummelten Zeitungsschreiber an den<lb/>
Hals, mit dem sie der Zufall zusammenführt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2485"> Durch eine Kette listenreicher Erfindungen sucht aber dieses Scheusal mit<lb/>
Hilfe zweier Freunde sich die edle Seele abzuwimmeln. Sie läßt jedoch nicht<lb/>
locker und strengt gegen den Verräter einen Prozeß an, bei welcher Gelegenheit<lb/>
sie nicht unterläßt, auch ihrem Rechtsanwalt eine heißglühende Liebeserklärung<lb/>
W versetzen. Hier hebt nun ein grandioses Gegenspiel der süßen Fanny an,<lb/>
die bei dem Rechtsanwalt als Mädchen für alles fungiert. Verwirrungen über<lb/>
Verwirrungen. Der Prozeß geht pleite, und als schließlich im Zimmer des<lb/>
Nechtsanwalts die Urteilsverkündigung stattfindet, da kommt der Knalleffekt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2486" next="#ID_2487"> Zwei Rollwagenmänner schleppen eine riesige Kiste mit dunklem Inhalt<lb/>
herein. Der Gouverneur aus Südwest, ein alter Freund des Rechtsanwalts,<lb/>
sendet sie diesem als Geschenk. Höchste Spannung. Man öffnet schnell, und<lb/>
heraus springt &#x2014; ein Nigger, der mit wildem Geheul die ungebärdigsten Tänze</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1913 34</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0533] [Abbildung] Briefe aus Trebeldorf Aarl Rrickeberg von(Schluß) Trebeldorf, den 17. Februar 19 . . Lieber Cunz, warum Du Dich in der Zwischenzeit mit ein paar Postkarten hast begnügen müssen? Sattle einmal Deine Phantasie und stelle Dir mich als Dichter, Regisseur und Schauspieler in einer Person vor. Wir haben „das Mädchen in der Mausefalle" aufgeführt, eine Komödie, die ich vor mehreren Jahren als Student zum Stiftungsfest unseres akademischen Gesangvereins verbrochen habe; vielleicht das wundervollste Werk, das je dem Hirn eines dichtenden Menschen entsprungen ist, eine Burleske reinsten Stils, eine Komödie der Irrungen mit verworrenster Handlung, so grob und toll wie möglich erfunden. Es dreht sich um die Schicksale der Aurora Liederström, einer liebe¬ glühenden Dichterin in den besten Jahren zwischen neunzehn und einundsechzig. Ehemals Gesellschaftsdame im Hause eines Gouverneurs im Südwest, hat sie sich dort einem Nigger vermählt, ist ihm aber nach etlicher Zeit in einem An- fluge von Herzerweiterung davongelaufen, um heimwärts zu dampfen in die väterlichen Gefilde. Hier wirft sie sich, ihre Vergangenheit weise verschleiernd, M Uberschwange seliger Gefühle einem verbummelten Zeitungsschreiber an den Hals, mit dem sie der Zufall zusammenführt. Durch eine Kette listenreicher Erfindungen sucht aber dieses Scheusal mit Hilfe zweier Freunde sich die edle Seele abzuwimmeln. Sie läßt jedoch nicht locker und strengt gegen den Verräter einen Prozeß an, bei welcher Gelegenheit sie nicht unterläßt, auch ihrem Rechtsanwalt eine heißglühende Liebeserklärung W versetzen. Hier hebt nun ein grandioses Gegenspiel der süßen Fanny an, die bei dem Rechtsanwalt als Mädchen für alles fungiert. Verwirrungen über Verwirrungen. Der Prozeß geht pleite, und als schließlich im Zimmer des Nechtsanwalts die Urteilsverkündigung stattfindet, da kommt der Knalleffekt. Zwei Rollwagenmänner schleppen eine riesige Kiste mit dunklem Inhalt herein. Der Gouverneur aus Südwest, ein alter Freund des Rechtsanwalts, sendet sie diesem als Geschenk. Höchste Spannung. Man öffnet schnell, und heraus springt — ein Nigger, der mit wildem Geheul die ungebärdigsten Tänze Grenzboten I 1913 34

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/533
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/533>, abgerufen am 22.12.2024.