Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.Briefe aus Trebeldorf aufführt. Es ist natürlich der bewußte. Aurora stürzt mit einem Mark und verläßt sie das Lokal und rettet sich ins Freie. Vorhang fällt schnell. Die kurze Skizze natürlich gibt keinerlei entfernte Ahnung von der zwerchfell¬ Daß ich die Ausgrabung auf Veranlassung eines jüngeren Kollegen vor¬ Viel Arbeit hats gemacht, denn absonderlich geschickt -- das kannst Du Die Aurora habe ich selbst genial. Wie ich. angetan mit großgeblümtem Als ich aber gar dem gnittergalligen Schelmufsky -- so heißt der dekadente und dazu in ein bibberndes Schluchzen aufbreche, als ich dann im weiteren und schließlich mit seligem Aufschrei in seine Arme stürze, da ist kein Halten Briefe aus Trebeldorf aufführt. Es ist natürlich der bewußte. Aurora stürzt mit einem Mark und verläßt sie das Lokal und rettet sich ins Freie. Vorhang fällt schnell. Die kurze Skizze natürlich gibt keinerlei entfernte Ahnung von der zwerchfell¬ Daß ich die Ausgrabung auf Veranlassung eines jüngeren Kollegen vor¬ Viel Arbeit hats gemacht, denn absonderlich geschickt — das kannst Du Die Aurora habe ich selbst genial. Wie ich. angetan mit großgeblümtem Als ich aber gar dem gnittergalligen Schelmufsky — so heißt der dekadente und dazu in ein bibberndes Schluchzen aufbreche, als ich dann im weiteren und schließlich mit seligem Aufschrei in seine Arme stürze, da ist kein Halten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0534" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325404"/> <fw type="header" place="top"> Briefe aus Trebeldorf</fw><lb/> <p xml:id="ID_2487" prev="#ID_2486"> aufführt. Es ist natürlich der bewußte. Aurora stürzt mit einem Mark und<lb/> Bein durchdringenden Aufschrei rücklings in die Kiste. Der Nigger erkennt<lb/> sein treuloses Weib und rast, nachdem sie sich wieder herausgekrabbelt hat,<lb/> mordwütig mit gezücktem Dolch ein paarmal im Zimmer herum hinter ihr her.<lb/> Vergebens wirft sie sich dem Rechtsanwalt, dem Zeitungsschreiber und seinen<lb/> zwei Freunden in die Arme. Mit den unsterblichen Worten:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_33" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_2488"> verläßt sie das Lokal und rettet sich ins Freie. Vorhang fällt schnell.</p><lb/> <p xml:id="ID_2489"> Die kurze Skizze natürlich gibt keinerlei entfernte Ahnung von der zwerchfell¬<lb/> erschütternden Wirkung der Komödie, die ich in aller Hast durch ein paar<lb/> Striche und sonstige Änderungen neu aufgebügelt und zurecht frisiert habe für<lb/> den hiesigen Männerturnverein. Die Aufführung hat vorgestern bei Gelegenheit<lb/> des diesjährigen Winterfestes mit beispiellosem Erfolge stattgefunden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2490"> Daß ich die Ausgrabung auf Veranlassung eines jüngeren Kollegen vor¬<lb/> genommen habe, ist mir nicht leid. Man muß nicht seinen Humor verkümmern<lb/> lassen durch die flachen Alltäglichkeiten des Lebens, und ich habe gerade hier<lb/> das Bedürfnis, von Zeit zu Zeit mich einmal loszulassen in aller jugendlichen<lb/> Tollheit. Das gibt hernach wieder um so mehr Ruhe und Stetigkeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_2491"> Viel Arbeit hats gemacht, denn absonderlich geschickt — das kannst Du<lb/> Dir denken — stellen sich Schlosser- und Tischlerqesellen bei ihrem ersten Debüt<lb/> auf der Bühne nicht an. Der Spaß aber überwog bei weitem alle Mühe.</p><lb/> <p xml:id="ID_2492"> Die Aurora habe ich selbst genial. Wie ich. angetan mit großgeblümtem<lb/> Kattunkleide und einem altmodischen Umschlagetuch darüber, mit einer riesigen,<lb/> von einer gewaltigen roten Mohnblume verschönten Haube auf dem schmacht¬<lb/> lockigen Haupte, mit Sonnenschirm, Pompadour und Lorgnette im tragischen<lb/> Theaterschritt die Bretter betrete, da geht ein Raunen durch den Saal: „Der<lb/> Korrektor." Von Mund zu Mund fliegt es durch die eng zusammengepferchten<lb/> Reihen, und ein wildes Geklatsche erhebt sich.</p><lb/> <p xml:id="ID_2493"> Als ich aber gar dem gnittergalligen Schelmufsky — so heißt der dekadente<lb/> Zeitungsschreiber — meine Lebensgeschichte erzähle, von meinen vier kleinen<lb/> Geschwistern berichte und fortfahre:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_34" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_2494"> und dazu in ein bibberndes Schluchzen aufbreche, als ich dann im weiteren<lb/> Verlauf der Szene mit dem Stuhl so nach und nach an den Arglosen heran¬<lb/> rücke unter der Beteuerung:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_35" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_2495" next="#ID_2496"> und schließlich mit seligem Aufschrei in seine Arme stürze, da ist kein Halten<lb/> mehr. Minutenlanger, orkanartiger Applaus bei offener Szene, Getrampel,<lb/> Gewieher, kurz alles, alles, was den Großen und Allergrößten auf den weit-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0534]
Briefe aus Trebeldorf
aufführt. Es ist natürlich der bewußte. Aurora stürzt mit einem Mark und
Bein durchdringenden Aufschrei rücklings in die Kiste. Der Nigger erkennt
sein treuloses Weib und rast, nachdem sie sich wieder herausgekrabbelt hat,
mordwütig mit gezücktem Dolch ein paarmal im Zimmer herum hinter ihr her.
Vergebens wirft sie sich dem Rechtsanwalt, dem Zeitungsschreiber und seinen
zwei Freunden in die Arme. Mit den unsterblichen Worten:
verläßt sie das Lokal und rettet sich ins Freie. Vorhang fällt schnell.
Die kurze Skizze natürlich gibt keinerlei entfernte Ahnung von der zwerchfell¬
erschütternden Wirkung der Komödie, die ich in aller Hast durch ein paar
Striche und sonstige Änderungen neu aufgebügelt und zurecht frisiert habe für
den hiesigen Männerturnverein. Die Aufführung hat vorgestern bei Gelegenheit
des diesjährigen Winterfestes mit beispiellosem Erfolge stattgefunden.
Daß ich die Ausgrabung auf Veranlassung eines jüngeren Kollegen vor¬
genommen habe, ist mir nicht leid. Man muß nicht seinen Humor verkümmern
lassen durch die flachen Alltäglichkeiten des Lebens, und ich habe gerade hier
das Bedürfnis, von Zeit zu Zeit mich einmal loszulassen in aller jugendlichen
Tollheit. Das gibt hernach wieder um so mehr Ruhe und Stetigkeit.
Viel Arbeit hats gemacht, denn absonderlich geschickt — das kannst Du
Dir denken — stellen sich Schlosser- und Tischlerqesellen bei ihrem ersten Debüt
auf der Bühne nicht an. Der Spaß aber überwog bei weitem alle Mühe.
Die Aurora habe ich selbst genial. Wie ich. angetan mit großgeblümtem
Kattunkleide und einem altmodischen Umschlagetuch darüber, mit einer riesigen,
von einer gewaltigen roten Mohnblume verschönten Haube auf dem schmacht¬
lockigen Haupte, mit Sonnenschirm, Pompadour und Lorgnette im tragischen
Theaterschritt die Bretter betrete, da geht ein Raunen durch den Saal: „Der
Korrektor." Von Mund zu Mund fliegt es durch die eng zusammengepferchten
Reihen, und ein wildes Geklatsche erhebt sich.
Als ich aber gar dem gnittergalligen Schelmufsky — so heißt der dekadente
Zeitungsschreiber — meine Lebensgeschichte erzähle, von meinen vier kleinen
Geschwistern berichte und fortfahre:
und dazu in ein bibberndes Schluchzen aufbreche, als ich dann im weiteren
Verlauf der Szene mit dem Stuhl so nach und nach an den Arglosen heran¬
rücke unter der Beteuerung:
und schließlich mit seligem Aufschrei in seine Arme stürze, da ist kein Halten
mehr. Minutenlanger, orkanartiger Applaus bei offener Szene, Getrampel,
Gewieher, kurz alles, alles, was den Großen und Allergrößten auf den weit-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |