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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Hebbel und Heine

Heine lächelt: "Lor. Es muß auch solche Käuze geben. . . nichts für
mich. Die Märtyrerpose steht mir nicht."

Seine Augen sehen auf einmal groß in die scheidende Sonne. Ist ein
Ahnen über ihm, wie ihm die Märryrerpose stehen wird, in der Matratzen¬
gruft'; lahm, halb blind, irrsinnig vor Schmerzen, mit Augen, die vor Schlaf¬
losigkeit brennen, was das sein wird, was er da dem Tode abringen wird,
zwischen Abgründen? Was seine Seele im Angesicht des Letzten glatt machen
wird wie .einen Spiegel'? -- Das, was den Zeitschriftsteller befriedigt, wahr¬
lich nicht. -- Und eine Erinnerung steigt in ihm auf an seine eigenen Worte,
wie wohl der, ,der selbst sein Leben hingibt für die Idee, in einem Augen¬
blick mehr und glücklicher lebt, als der Sattgewordene in einem langen,
egoistisch-behaglichen Leben. . .'

Wie zur Antwort sagt Hebbel dazwischen:

"Wenn Sie es auch jetzt abschwören, Herr Heine, -- eine Kraft wie Sie
kehrt doch wieder zurück zu dem, von dem sie ausgegangen ist -- wenn nicht
früher, dann später --"

Heine sieht noch immer in die Sonne:

"Später, wohl später --"




Ein Lachen und Singen I Es blitzen und gaukeln
Die Sonnenlichter. Die Wellen schaukeln
Den lustigen Kahn. Ich saß darin
Mit lieben Freunden und leichtem Sinn.
Der Kahn zerbrach in eitel Trümmer,
Die Freunde waren schlechte Schwimmer,
Sie gingen unter ini Vaterland,
Mich warf der Sturm an den Seinestrand.
Ich hab' ein neues Schiff bestiegen,
Mit neuen Genossen, es wogen und wiegen
Die fremden Fluten mich hin und her --
Wie fern die Heimat, mein Herz wie schwer!
Und das ist wieder ein Singen und Lachen --
Es Peitsche der Wind, die Planken krachen --
Am Himmel erlischt der letzte Stern --
Mein Herz wie schwer I Die Heimat wie fern!



Hebbel und Heine

Heine lächelt: „Lor. Es muß auch solche Käuze geben. . . nichts für
mich. Die Märtyrerpose steht mir nicht."

Seine Augen sehen auf einmal groß in die scheidende Sonne. Ist ein
Ahnen über ihm, wie ihm die Märryrerpose stehen wird, in der Matratzen¬
gruft'; lahm, halb blind, irrsinnig vor Schmerzen, mit Augen, die vor Schlaf¬
losigkeit brennen, was das sein wird, was er da dem Tode abringen wird,
zwischen Abgründen? Was seine Seele im Angesicht des Letzten glatt machen
wird wie .einen Spiegel'? — Das, was den Zeitschriftsteller befriedigt, wahr¬
lich nicht. — Und eine Erinnerung steigt in ihm auf an seine eigenen Worte,
wie wohl der, ,der selbst sein Leben hingibt für die Idee, in einem Augen¬
blick mehr und glücklicher lebt, als der Sattgewordene in einem langen,
egoistisch-behaglichen Leben. . .'

Wie zur Antwort sagt Hebbel dazwischen:

„Wenn Sie es auch jetzt abschwören, Herr Heine, — eine Kraft wie Sie
kehrt doch wieder zurück zu dem, von dem sie ausgegangen ist — wenn nicht
früher, dann später —"

Heine sieht noch immer in die Sonne:

„Später, wohl später —"




Ein Lachen und Singen I Es blitzen und gaukeln
Die Sonnenlichter. Die Wellen schaukeln
Den lustigen Kahn. Ich saß darin
Mit lieben Freunden und leichtem Sinn.
Der Kahn zerbrach in eitel Trümmer,
Die Freunde waren schlechte Schwimmer,
Sie gingen unter ini Vaterland,
Mich warf der Sturm an den Seinestrand.
Ich hab' ein neues Schiff bestiegen,
Mit neuen Genossen, es wogen und wiegen
Die fremden Fluten mich hin und her —
Wie fern die Heimat, mein Herz wie schwer!
Und das ist wieder ein Singen und Lachen —
Es Peitsche der Wind, die Planken krachen —
Am Himmel erlischt der letzte Stern —
Mein Herz wie schwer I Die Heimat wie fern!



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[0532] Hebbel und Heine Heine lächelt: „Lor. Es muß auch solche Käuze geben. . . nichts für mich. Die Märtyrerpose steht mir nicht." Seine Augen sehen auf einmal groß in die scheidende Sonne. Ist ein Ahnen über ihm, wie ihm die Märryrerpose stehen wird, in der Matratzen¬ gruft'; lahm, halb blind, irrsinnig vor Schmerzen, mit Augen, die vor Schlaf¬ losigkeit brennen, was das sein wird, was er da dem Tode abringen wird, zwischen Abgründen? Was seine Seele im Angesicht des Letzten glatt machen wird wie .einen Spiegel'? — Das, was den Zeitschriftsteller befriedigt, wahr¬ lich nicht. — Und eine Erinnerung steigt in ihm auf an seine eigenen Worte, wie wohl der, ,der selbst sein Leben hingibt für die Idee, in einem Augen¬ blick mehr und glücklicher lebt, als der Sattgewordene in einem langen, egoistisch-behaglichen Leben. . .' Wie zur Antwort sagt Hebbel dazwischen: „Wenn Sie es auch jetzt abschwören, Herr Heine, — eine Kraft wie Sie kehrt doch wieder zurück zu dem, von dem sie ausgegangen ist — wenn nicht früher, dann später —" Heine sieht noch immer in die Sonne: „Später, wohl später —" Ein Lachen und Singen I Es blitzen und gaukeln Die Sonnenlichter. Die Wellen schaukeln Den lustigen Kahn. Ich saß darin Mit lieben Freunden und leichtem Sinn. Der Kahn zerbrach in eitel Trümmer, Die Freunde waren schlechte Schwimmer, Sie gingen unter ini Vaterland, Mich warf der Sturm an den Seinestrand. Ich hab' ein neues Schiff bestiegen, Mit neuen Genossen, es wogen und wiegen Die fremden Fluten mich hin und her — Wie fern die Heimat, mein Herz wie schwer! Und das ist wieder ein Singen und Lachen — Es Peitsche der Wind, die Planken krachen — Am Himmel erlischt der letzte Stern — Mein Herz wie schwer I Die Heimat wie fern!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/532>, abgerufen am 29.06.2024.