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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Hebbel mit Heine

"die großmütige Flamme, die mit Aufopferung loderte -- vielleicht schon mehr
für die Freiheit als für die Kunst. . . Jetzt kommen die Märtyrer der Freiheit:
Sie sind der letzte große Dichter."

Hebbel springt auf: "Da sei Gott vor, daß ich das sei."

Heine nickt nachdrücklich mit dem Kopf. "Glauben Sie mir. Wir werden
keine großen Dichter mehr haben -- wir bekommen nur noch große Schriftsteller.

Wohin Sie führen, weiß ich nicht. Aber in die Ebene, scheint mir. nicht.
Sie führen nach Norden, in eine klare, kalte, schneidende Luft, in überlebensgroße
Erhabenheiten und Einsamkeiten; Sie greifen das Ewige aus dem Zeitlichen. --
Ihr Blick ist sicher. Sie klettern gut, Ihnen wird so leicht kein Grat zu schroff
sein und zu steil" - sein Ton schlägt plötzlich um, wird leicht und ironisch -- "Ich
fürchte nur. wer Ihnen da nachklettert, dem nimmt die dünne Luft den Verstand,
der versteigt sich wie der gute Kaiser Max, von dem uns der brave und biderbe
Graf im schönen Wien erzählt -- haben Sie 's gelesen? Sehr wacker. --

Sie sind kein Mann für dies Geschlecht, das weiche Kleider trägt, nach
der Könige Häusern schielt --'

Sie sind aus der Heidenzeit, als das Leben noch hart und zweckmäßig
war. als man noch die Wahrheit ertrug --

Vielleicht ist Ihr Geist ein Bergwerk, bestimmt, ausgeplündert zu werden
von Epigonen.----

Ich bin Skeptiker, ich glaube nicht mehr. Die Welt ist greisenhaft geworden.
Man wird Ihnen nicht Dank wissen für Ihr strenges Licht: mundus vult äecipi.
lassen Sie dem Pack seine Lebenslüge.

Vielleicht sind Sie das Werkzeug, das durch seine Härte den Funken schlägt
aus diesem tauben Gestein, vielleicht --"

Er bricht plötzlich ab.

Aber bilden Sie sich nicht ein, daß . . .

Sie haben ebenso das Zeug zum großen, massenbewegenden Zeitschrift-
steller und" -- er streift mit dem Blick Hebbels dürftige Kleidung -- "es gibt
etwas, das nennt man vernünftige Anpassung an die Bedürfnisse des Daseins --"

Hebbel blickt in eine Ferne: alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit --
darüber das andere, schemenhaft, in Wolken, deß Wesen nicht von dieser Welt
ist. das des Zukünftigen wartet . . .

Er vergißt, was um ihn ist. seine Fäuste krampfen sich zusammen: Sieben-
fach Verhüllte. Furchtbarel Wahrheit, die du nur dem tapfersten Freier das
Antlitz schleierlos zeigst -- du hast mich gerufen, ich habe mit dir gerungen --
du siegtest: nimm mich auf Tod und Leben. --

Sein Blick kehrt zurück, er heftet das große, ernste Auge auf Heine.

"Das kann ich nicht. Was ich von mir gebe, ist Entleerung von Welten-
stoff in mir; ich. das Einzelwesen, kann zugrunde gehen; nicht das. dessen
Leben ich weiter reiche."




Hebbel mit Heine

„die großmütige Flamme, die mit Aufopferung loderte — vielleicht schon mehr
für die Freiheit als für die Kunst. . . Jetzt kommen die Märtyrer der Freiheit:
Sie sind der letzte große Dichter."

Hebbel springt auf: „Da sei Gott vor, daß ich das sei."

Heine nickt nachdrücklich mit dem Kopf. „Glauben Sie mir. Wir werden
keine großen Dichter mehr haben — wir bekommen nur noch große Schriftsteller.

Wohin Sie führen, weiß ich nicht. Aber in die Ebene, scheint mir. nicht.
Sie führen nach Norden, in eine klare, kalte, schneidende Luft, in überlebensgroße
Erhabenheiten und Einsamkeiten; Sie greifen das Ewige aus dem Zeitlichen. —
Ihr Blick ist sicher. Sie klettern gut, Ihnen wird so leicht kein Grat zu schroff
sein und zu steil" - sein Ton schlägt plötzlich um, wird leicht und ironisch — „Ich
fürchte nur. wer Ihnen da nachklettert, dem nimmt die dünne Luft den Verstand,
der versteigt sich wie der gute Kaiser Max, von dem uns der brave und biderbe
Graf im schönen Wien erzählt — haben Sie 's gelesen? Sehr wacker. —

Sie sind kein Mann für dies Geschlecht, das weiche Kleider trägt, nach
der Könige Häusern schielt —'

Sie sind aus der Heidenzeit, als das Leben noch hart und zweckmäßig
war. als man noch die Wahrheit ertrug —

Vielleicht ist Ihr Geist ein Bergwerk, bestimmt, ausgeplündert zu werden
von Epigonen.----

Ich bin Skeptiker, ich glaube nicht mehr. Die Welt ist greisenhaft geworden.
Man wird Ihnen nicht Dank wissen für Ihr strenges Licht: mundus vult äecipi.
lassen Sie dem Pack seine Lebenslüge.

Vielleicht sind Sie das Werkzeug, das durch seine Härte den Funken schlägt
aus diesem tauben Gestein, vielleicht —"

Er bricht plötzlich ab.

Aber bilden Sie sich nicht ein, daß . . .

Sie haben ebenso das Zeug zum großen, massenbewegenden Zeitschrift-
steller und" — er streift mit dem Blick Hebbels dürftige Kleidung — „es gibt
etwas, das nennt man vernünftige Anpassung an die Bedürfnisse des Daseins —"

Hebbel blickt in eine Ferne: alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit —
darüber das andere, schemenhaft, in Wolken, deß Wesen nicht von dieser Welt
ist. das des Zukünftigen wartet . . .

Er vergißt, was um ihn ist. seine Fäuste krampfen sich zusammen: Sieben-
fach Verhüllte. Furchtbarel Wahrheit, die du nur dem tapfersten Freier das
Antlitz schleierlos zeigst — du hast mich gerufen, ich habe mit dir gerungen —
du siegtest: nimm mich auf Tod und Leben. —

Sein Blick kehrt zurück, er heftet das große, ernste Auge auf Heine.

„Das kann ich nicht. Was ich von mir gebe, ist Entleerung von Welten-
stoff in mir; ich. das Einzelwesen, kann zugrunde gehen; nicht das. dessen
Leben ich weiter reiche."




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[0531] Hebbel mit Heine „die großmütige Flamme, die mit Aufopferung loderte — vielleicht schon mehr für die Freiheit als für die Kunst. . . Jetzt kommen die Märtyrer der Freiheit: Sie sind der letzte große Dichter." Hebbel springt auf: „Da sei Gott vor, daß ich das sei." Heine nickt nachdrücklich mit dem Kopf. „Glauben Sie mir. Wir werden keine großen Dichter mehr haben — wir bekommen nur noch große Schriftsteller. Wohin Sie führen, weiß ich nicht. Aber in die Ebene, scheint mir. nicht. Sie führen nach Norden, in eine klare, kalte, schneidende Luft, in überlebensgroße Erhabenheiten und Einsamkeiten; Sie greifen das Ewige aus dem Zeitlichen. — Ihr Blick ist sicher. Sie klettern gut, Ihnen wird so leicht kein Grat zu schroff sein und zu steil" - sein Ton schlägt plötzlich um, wird leicht und ironisch — „Ich fürchte nur. wer Ihnen da nachklettert, dem nimmt die dünne Luft den Verstand, der versteigt sich wie der gute Kaiser Max, von dem uns der brave und biderbe Graf im schönen Wien erzählt — haben Sie 's gelesen? Sehr wacker. — Sie sind kein Mann für dies Geschlecht, das weiche Kleider trägt, nach der Könige Häusern schielt —' Sie sind aus der Heidenzeit, als das Leben noch hart und zweckmäßig war. als man noch die Wahrheit ertrug — Vielleicht ist Ihr Geist ein Bergwerk, bestimmt, ausgeplündert zu werden von Epigonen.---- Ich bin Skeptiker, ich glaube nicht mehr. Die Welt ist greisenhaft geworden. Man wird Ihnen nicht Dank wissen für Ihr strenges Licht: mundus vult äecipi. lassen Sie dem Pack seine Lebenslüge. Vielleicht sind Sie das Werkzeug, das durch seine Härte den Funken schlägt aus diesem tauben Gestein, vielleicht —" Er bricht plötzlich ab. Aber bilden Sie sich nicht ein, daß . . . Sie haben ebenso das Zeug zum großen, massenbewegenden Zeitschrift- steller und" — er streift mit dem Blick Hebbels dürftige Kleidung — „es gibt etwas, das nennt man vernünftige Anpassung an die Bedürfnisse des Daseins —" Hebbel blickt in eine Ferne: alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit — darüber das andere, schemenhaft, in Wolken, deß Wesen nicht von dieser Welt ist. das des Zukünftigen wartet . . . Er vergißt, was um ihn ist. seine Fäuste krampfen sich zusammen: Sieben- fach Verhüllte. Furchtbarel Wahrheit, die du nur dem tapfersten Freier das Antlitz schleierlos zeigst — du hast mich gerufen, ich habe mit dir gerungen — du siegtest: nimm mich auf Tod und Leben. — Sein Blick kehrt zurück, er heftet das große, ernste Auge auf Heine. „Das kann ich nicht. Was ich von mir gebe, ist Entleerung von Welten- stoff in mir; ich. das Einzelwesen, kann zugrunde gehen; nicht das. dessen Leben ich weiter reiche."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/531>, abgerufen am 22.12.2024.