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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Hebbel und Heine

"Sie müssen allerdings her ab steigen, aber der Erfolg wird ein großer
für Sie!" Seine grauen Augen funkeln rachsüchtig: "Und für Gutzkow auch,
im andern Sinn! Da kriegen Sie den Kerl schon in die Hand. ... Sie
erobern die Theater..."

"Und woher immer neue Stücke?" --

Heine hebt die Hände, schöne, weiße, lange Hände.

"Gott der Gerechte! Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Ver¬
stand. Greifen Sie zu, greifen Sie zu!" --

Hebbel blickt durch die Jalousiestäbe auf die funkelnden Dächer.

"Ich habe nicht das Zeug zum Tagesschriftsteller. Ich gehe auf anderes ..."

Der andere betrachtet ihn mit weit offenen Augen.

"Aber Sie machen Geschäfte..."

Hebbels Blick kehrt zurück.

"Was hat die Kunst mit Geschäft zu tun? -- Sie sagten eben: Wer
mir mein Geschäft verdirbt, der ist mein Feind. Ich sage: Wer die Kunst
schändet, der ist mein Feind."

Heine verzieht die Lippen.

"Tatata, lieber Herr Doktor. Sie wollen doch wohl leben --"

Hebbel sieht ihn starr an:

"Von der Kunst leben sollen, ist Unglück; von ihr leben wollen, Ver¬
brechen. Vom Heiligen soll man nicht leben."

Heine Schürze den mokanten Mund.

"Mein Freund! Keiner hat besser gelebt, als Priester und Auguren.
Wer beim Opfertisch verhungert, verdient es nicht besser..."

Plötzlich kommt Interesse in seinen Blick, er kneift die Augen zusammen
und lehnt den Kopf zurück.

Er sieht in der funkelnden Halbdämmerung den langen blonden Menschen
ihm gegenüber wie durch einen Schleier.

Die Einzelheiten verschwinden; was bleibt, ist das blaue Auge, lodernd
und hart zugleich, der kühne Umriß der knochigen Gestalt, der harte helle
Fanfarenton der Stimme, in der Bereitschaft ist zum Kampf, eine tapfere
Härte. -- Heines Pupillen werden kleiner, verengen sich, werden wie die eines
Katzenauges -- konzentriert, ganz Spannung und Entschluß. -- Jetzt sitzt sein
scharfer Geist vor der verschlossenen Pforte der Dinge, horcht hell und scharf
auf jeden Ton von drinnen, -- sein ganzes Gesicht ist angespannt. Er läßt
die Hand sinken, sein Gesicht scheint auseinander zu fließen, seine Augen werden
wieder träumerisch. Um seinen Mund zuckt ein Lächeln der Befriedigung:
er hat es.

Seine Stimme hat den süßen umflorten Klang seiner Lieder, als er sagt:

"Sie sind ein Fossil der Vorzeit, mein Freund; Sie sterben für das. was
Sie glauben. Das werden wir nicht mehr haben auf dem Gebiet der Kunst.
Der vorletzte war Schiller --" Heines Stimme wird leise und ehrfürchtig --,


Hebbel und Heine

„Sie müssen allerdings her ab steigen, aber der Erfolg wird ein großer
für Sie!" Seine grauen Augen funkeln rachsüchtig: „Und für Gutzkow auch,
im andern Sinn! Da kriegen Sie den Kerl schon in die Hand. ... Sie
erobern die Theater..."

„Und woher immer neue Stücke?" —

Heine hebt die Hände, schöne, weiße, lange Hände.

„Gott der Gerechte! Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Ver¬
stand. Greifen Sie zu, greifen Sie zu!" —

Hebbel blickt durch die Jalousiestäbe auf die funkelnden Dächer.

„Ich habe nicht das Zeug zum Tagesschriftsteller. Ich gehe auf anderes ..."

Der andere betrachtet ihn mit weit offenen Augen.

„Aber Sie machen Geschäfte..."

Hebbels Blick kehrt zurück.

„Was hat die Kunst mit Geschäft zu tun? — Sie sagten eben: Wer
mir mein Geschäft verdirbt, der ist mein Feind. Ich sage: Wer die Kunst
schändet, der ist mein Feind."

Heine verzieht die Lippen.

„Tatata, lieber Herr Doktor. Sie wollen doch wohl leben —"

Hebbel sieht ihn starr an:

„Von der Kunst leben sollen, ist Unglück; von ihr leben wollen, Ver¬
brechen. Vom Heiligen soll man nicht leben."

Heine Schürze den mokanten Mund.

„Mein Freund! Keiner hat besser gelebt, als Priester und Auguren.
Wer beim Opfertisch verhungert, verdient es nicht besser..."

Plötzlich kommt Interesse in seinen Blick, er kneift die Augen zusammen
und lehnt den Kopf zurück.

Er sieht in der funkelnden Halbdämmerung den langen blonden Menschen
ihm gegenüber wie durch einen Schleier.

Die Einzelheiten verschwinden; was bleibt, ist das blaue Auge, lodernd
und hart zugleich, der kühne Umriß der knochigen Gestalt, der harte helle
Fanfarenton der Stimme, in der Bereitschaft ist zum Kampf, eine tapfere
Härte. — Heines Pupillen werden kleiner, verengen sich, werden wie die eines
Katzenauges — konzentriert, ganz Spannung und Entschluß. — Jetzt sitzt sein
scharfer Geist vor der verschlossenen Pforte der Dinge, horcht hell und scharf
auf jeden Ton von drinnen, — sein ganzes Gesicht ist angespannt. Er läßt
die Hand sinken, sein Gesicht scheint auseinander zu fließen, seine Augen werden
wieder träumerisch. Um seinen Mund zuckt ein Lächeln der Befriedigung:
er hat es.

Seine Stimme hat den süßen umflorten Klang seiner Lieder, als er sagt:

„Sie sind ein Fossil der Vorzeit, mein Freund; Sie sterben für das. was
Sie glauben. Das werden wir nicht mehr haben auf dem Gebiet der Kunst.
Der vorletzte war Schiller —" Heines Stimme wird leise und ehrfürchtig —,


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[0530] Hebbel und Heine „Sie müssen allerdings her ab steigen, aber der Erfolg wird ein großer für Sie!" Seine grauen Augen funkeln rachsüchtig: „Und für Gutzkow auch, im andern Sinn! Da kriegen Sie den Kerl schon in die Hand. ... Sie erobern die Theater..." „Und woher immer neue Stücke?" — Heine hebt die Hände, schöne, weiße, lange Hände. „Gott der Gerechte! Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Ver¬ stand. Greifen Sie zu, greifen Sie zu!" — Hebbel blickt durch die Jalousiestäbe auf die funkelnden Dächer. „Ich habe nicht das Zeug zum Tagesschriftsteller. Ich gehe auf anderes ..." Der andere betrachtet ihn mit weit offenen Augen. „Aber Sie machen Geschäfte..." Hebbels Blick kehrt zurück. „Was hat die Kunst mit Geschäft zu tun? — Sie sagten eben: Wer mir mein Geschäft verdirbt, der ist mein Feind. Ich sage: Wer die Kunst schändet, der ist mein Feind." Heine verzieht die Lippen. „Tatata, lieber Herr Doktor. Sie wollen doch wohl leben —" Hebbel sieht ihn starr an: „Von der Kunst leben sollen, ist Unglück; von ihr leben wollen, Ver¬ brechen. Vom Heiligen soll man nicht leben." Heine Schürze den mokanten Mund. „Mein Freund! Keiner hat besser gelebt, als Priester und Auguren. Wer beim Opfertisch verhungert, verdient es nicht besser..." Plötzlich kommt Interesse in seinen Blick, er kneift die Augen zusammen und lehnt den Kopf zurück. Er sieht in der funkelnden Halbdämmerung den langen blonden Menschen ihm gegenüber wie durch einen Schleier. Die Einzelheiten verschwinden; was bleibt, ist das blaue Auge, lodernd und hart zugleich, der kühne Umriß der knochigen Gestalt, der harte helle Fanfarenton der Stimme, in der Bereitschaft ist zum Kampf, eine tapfere Härte. — Heines Pupillen werden kleiner, verengen sich, werden wie die eines Katzenauges — konzentriert, ganz Spannung und Entschluß. — Jetzt sitzt sein scharfer Geist vor der verschlossenen Pforte der Dinge, horcht hell und scharf auf jeden Ton von drinnen, — sein ganzes Gesicht ist angespannt. Er läßt die Hand sinken, sein Gesicht scheint auseinander zu fließen, seine Augen werden wieder träumerisch. Um seinen Mund zuckt ein Lächeln der Befriedigung: er hat es. Seine Stimme hat den süßen umflorten Klang seiner Lieder, als er sagt: „Sie sind ein Fossil der Vorzeit, mein Freund; Sie sterben für das. was Sie glauben. Das werden wir nicht mehr haben auf dem Gebiet der Kunst. Der vorletzte war Schiller —" Heines Stimme wird leise und ehrfürchtig —,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/530>, abgerufen am 04.07.2024.