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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Kritik und Publikum

brachten Keulenschläge schlägt also meinen Stil tot --
toter -- mausetot. Sehr gut, wenn ich nur eben nicht
für den wissenschaftlichen Stil ausgesprochenermaßen
die profanen Stilforderungen abgelehnt hätte. Mein
Stil ist also schlecht -- weil er auf diese Forderungen
keine Rücksicht nimmt -- was falsch ist -- weil ein
Stil ohne profan-ästhetische Rücksichten schlecht ist --
wie exsmplum zeigt.

Angesichts dieser geradezu Hegelschen Selbst¬
bewegung der Begriffe verschmerze ich das versagte
Stilmeisterzeugnis gern und vergnügt.

Ernsthaft möchte ich aber fragen: zugegeben, mein
Stil sei schlecht, was beweist das gegen den Inhalt
meiner Arbeit? So daß "wir uns auf Widerlegung
nicht einzulassen brauchen"?

") Diese Bereitwilligkeit rührt mich sehr.

>2) Mir will scheinen, daß das wissenschaftliche
Fremdwort, das ich verteidige, vorläufig noch sehr
viel "wirklicher" ist als seine Übersetzung 5 tout prix.

is) Tautologie für die so "bereitwillig zugestandene"
"Umständlichkeit". Ich erlaubte mir nämlich, das
Fremdwort "objektiv-psychologisch aus der Methodik
einer jeden Wissenschaft" zu begründen. Von dieser
Begründung ist außer der angemerkten Gefühlswirkung
auf den Herrn Kritikus in der Kritik nichts zu finden.

Ebenso wortwahr, wie sinnverkehrt. Nicht daS
Deutsche als solches verwerfe ich, sondern die Um¬
gangssprache. Daß ich diese These am Deutschen
exemplifiziere, liegt hoch Wohl nahe. Ich tue mir
etwas darauf zugute, gerade die nationale Frage, den
Anstoß der gewöhnlichen Begriffsverwirrung, ausge¬
schaltet zu haben. Wieder suggeriert aber Kritikus
mit diesem halbwahren Worte einen "selbstverständ¬
lichen" Vorwurf. Welcher biedere Sprachvereinler,
wenn er hört, daß einer etwas "dem Deutschen ab¬
spricht", behält nicht das "Absprechende" einer solchen
Meinung in? Ohr und reagiert darauf mit: " Vater¬
landsverräter I"? Ich nenne das unredliche Argumen¬
tation.

!°) Diese sinnlose Koordinierung des Teils zum
Ganzen zeigt die Hilflosigkeit des Kritikus vor meiner
allgemein-wissenschaftlichen Begründung.

i") Dies ist der Possierlichste Purzelbaum des
"folgerichtigen" Herrn Kritikus. Der Analogieschluß ist
die Logik des kleinen Mannes. Ich will mich nicht
darauf berufen, daß man Grund hat, gerade in der
wissenschaftlichen Sprache der Griechen manche Worte
auf orientalische Borbilder zurückzuführen. Aber eins
sollte auch dem Kritikus als flüchtiger Eindruck ge¬
blieben sein: daß ich den Anspruch auf eine relativ
abgeschlossene Gelehrtensprache gerade mit der mo-


Kritik und Publikum

brachten Keulenschläge schlägt also meinen Stil tot —
toter — mausetot. Sehr gut, wenn ich nur eben nicht
für den wissenschaftlichen Stil ausgesprochenermaßen
die profanen Stilforderungen abgelehnt hätte. Mein
Stil ist also schlecht — weil er auf diese Forderungen
keine Rücksicht nimmt — was falsch ist — weil ein
Stil ohne profan-ästhetische Rücksichten schlecht ist —
wie exsmplum zeigt.

Angesichts dieser geradezu Hegelschen Selbst¬
bewegung der Begriffe verschmerze ich das versagte
Stilmeisterzeugnis gern und vergnügt.

Ernsthaft möchte ich aber fragen: zugegeben, mein
Stil sei schlecht, was beweist das gegen den Inhalt
meiner Arbeit? So daß „wir uns auf Widerlegung
nicht einzulassen brauchen"?

") Diese Bereitwilligkeit rührt mich sehr.

>2) Mir will scheinen, daß das wissenschaftliche
Fremdwort, das ich verteidige, vorläufig noch sehr
viel „wirklicher" ist als seine Übersetzung 5 tout prix.

is) Tautologie für die so „bereitwillig zugestandene"
„Umständlichkeit". Ich erlaubte mir nämlich, das
Fremdwort „objektiv-psychologisch aus der Methodik
einer jeden Wissenschaft" zu begründen. Von dieser
Begründung ist außer der angemerkten Gefühlswirkung
auf den Herrn Kritikus in der Kritik nichts zu finden.

Ebenso wortwahr, wie sinnverkehrt. Nicht daS
Deutsche als solches verwerfe ich, sondern die Um¬
gangssprache. Daß ich diese These am Deutschen
exemplifiziere, liegt hoch Wohl nahe. Ich tue mir
etwas darauf zugute, gerade die nationale Frage, den
Anstoß der gewöhnlichen Begriffsverwirrung, ausge¬
schaltet zu haben. Wieder suggeriert aber Kritikus
mit diesem halbwahren Worte einen „selbstverständ¬
lichen" Vorwurf. Welcher biedere Sprachvereinler,
wenn er hört, daß einer etwas „dem Deutschen ab¬
spricht", behält nicht das „Absprechende" einer solchen
Meinung in? Ohr und reagiert darauf mit: „ Vater¬
landsverräter I"? Ich nenne das unredliche Argumen¬
tation.

!°) Diese sinnlose Koordinierung des Teils zum
Ganzen zeigt die Hilflosigkeit des Kritikus vor meiner
allgemein-wissenschaftlichen Begründung.

i«) Dies ist der Possierlichste Purzelbaum des
„folgerichtigen" Herrn Kritikus. Der Analogieschluß ist
die Logik des kleinen Mannes. Ich will mich nicht
darauf berufen, daß man Grund hat, gerade in der
wissenschaftlichen Sprache der Griechen manche Worte
auf orientalische Borbilder zurückzuführen. Aber eins
sollte auch dem Kritikus als flüchtiger Eindruck ge¬
blieben sein: daß ich den Anspruch auf eine relativ
abgeschlossene Gelehrtensprache gerade mit der mo-


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[0524] Kritik und Publikum brachten Keulenschläge schlägt also meinen Stil tot — toter — mausetot. Sehr gut, wenn ich nur eben nicht für den wissenschaftlichen Stil ausgesprochenermaßen die profanen Stilforderungen abgelehnt hätte. Mein Stil ist also schlecht — weil er auf diese Forderungen keine Rücksicht nimmt — was falsch ist — weil ein Stil ohne profan-ästhetische Rücksichten schlecht ist — wie exsmplum zeigt. Angesichts dieser geradezu Hegelschen Selbst¬ bewegung der Begriffe verschmerze ich das versagte Stilmeisterzeugnis gern und vergnügt. Ernsthaft möchte ich aber fragen: zugegeben, mein Stil sei schlecht, was beweist das gegen den Inhalt meiner Arbeit? So daß „wir uns auf Widerlegung nicht einzulassen brauchen"? ") Diese Bereitwilligkeit rührt mich sehr. >2) Mir will scheinen, daß das wissenschaftliche Fremdwort, das ich verteidige, vorläufig noch sehr viel „wirklicher" ist als seine Übersetzung 5 tout prix. is) Tautologie für die so „bereitwillig zugestandene" „Umständlichkeit". Ich erlaubte mir nämlich, das Fremdwort „objektiv-psychologisch aus der Methodik einer jeden Wissenschaft" zu begründen. Von dieser Begründung ist außer der angemerkten Gefühlswirkung auf den Herrn Kritikus in der Kritik nichts zu finden. Ebenso wortwahr, wie sinnverkehrt. Nicht daS Deutsche als solches verwerfe ich, sondern die Um¬ gangssprache. Daß ich diese These am Deutschen exemplifiziere, liegt hoch Wohl nahe. Ich tue mir etwas darauf zugute, gerade die nationale Frage, den Anstoß der gewöhnlichen Begriffsverwirrung, ausge¬ schaltet zu haben. Wieder suggeriert aber Kritikus mit diesem halbwahren Worte einen „selbstverständ¬ lichen" Vorwurf. Welcher biedere Sprachvereinler, wenn er hört, daß einer etwas „dem Deutschen ab¬ spricht", behält nicht das „Absprechende" einer solchen Meinung in? Ohr und reagiert darauf mit: „ Vater¬ landsverräter I"? Ich nenne das unredliche Argumen¬ tation. !°) Diese sinnlose Koordinierung des Teils zum Ganzen zeigt die Hilflosigkeit des Kritikus vor meiner allgemein-wissenschaftlichen Begründung. i«) Dies ist der Possierlichste Purzelbaum des „folgerichtigen" Herrn Kritikus. Der Analogieschluß ist die Logik des kleinen Mannes. Ich will mich nicht darauf berufen, daß man Grund hat, gerade in der wissenschaftlichen Sprache der Griechen manche Worte auf orientalische Borbilder zurückzuführen. Aber eins sollte auch dem Kritikus als flüchtiger Eindruck ge¬ blieben sein: daß ich den Anspruch auf eine relativ abgeschlossene Gelehrtensprache gerade mit der mo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/524>, abgerufen am 04.07.2024.