Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.Kritik und Publikum die etwelchen Fremdwörter als Stein des stilistischen [Beginn Spaltensatz] Das genügt Wohl, um auch^) s) Dieses "auch" kann nur eine neue Einrede °) Welchen Unterschied macht Kritikus zwischen ">) Man beachte, daß dies immer noch grammati¬ Die Viereinigkeit der in so wirkungsvoller Steige¬ Kritik und Publikum die etwelchen Fremdwörter als Stein des stilistischen [Beginn Spaltensatz] Das genügt Wohl, um auch^) s) Dieses „auch" kann nur eine neue Einrede °) Welchen Unterschied macht Kritikus zwischen ">) Man beachte, daß dies immer noch grammati¬ Die Viereinigkeit der in so wirkungsvoller Steige¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0523" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325393"/> <fw type="header" place="top"> Kritik und Publikum</fw><lb/> <p xml:id="ID_2386" prev="#ID_2385"> die etwelchen Fremdwörter als Stein des stilistischen<lb/> Anstoßes entdecken können. Nun war ich allerdings<lb/> so frei, in meinem Artikel die Berechtigung des wissen¬<lb/> schaftlichen Fremdworts in genere, also auch für meine<lb/> Sätze zu behaupten. Schaudervoll, aber nicht zu<lb/> leugnen. Unversehens, aber nicht ganz unwillkommen,<lb/> geht also aus dieser „selbstverständlichen" formalen<lb/> Einrede zugleich die sachliche UnHaltbarkeit hervor.<lb/> Nur leider jene auch erst aus dieser. Kritikus hat sich<lb/> und Publikum in folgenden artigen Zirkel gerettet:<lb/> „Seht diese schrecklichen Sätze — wimmeln sie nicht<lb/> von Fremdwörten — die zu rechtfertigen ein völlig<lb/> verfehlter Versuch ist —, weil doch so ein Satz, mit<lb/> Fremdwörtern darin, so schrecklich ist wie ein Garn<lb/> mit Knoten." Der Lateiner nennt das petitium prin-<lb/> cipii. Wie sagen Sie, Herr Kritikus? Ich nenne es<lb/> eine unredliche Argumentation.</p><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_2387"> Das genügt Wohl, um auch^)<lb/> S" zeigen, daß der Versasser des Auf¬<lb/> satzes kein Meister des Stils, vor<lb/> allem weder Meister«) noch Kenner<lb/> der Muttersprache'») ist. So bereit¬<lb/> willig man ihm zugestehen mag, daß<lb/> er möglichst umständlich "), aber ernst¬<lb/> lich die Wahrheit sucht, hat er doch<lb/> gar keinen Blick für das Wirkliche")<lb/> und verdeckt es sich durch seine müh¬<lb/> samen Hirngespinste.") Wenn er<lb/> dem Deutschen") die Möglichkeit ab¬<lb/> spricht, sich ohne Fremdwörter wissen¬<lb/> schaftlich und Philosophisch'°) klar aus¬<lb/> zudrücken, so müßte er folgerichtig<lb/> die Sprache Platons und die des<lb/> Aristoteles als unwissenschaftlich er¬<lb/> klären, weil sie keine Fremdwörter<lb/> hat. 1°)</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_2388"> s) Dieses „auch" kann nur eine neue Einrede<lb/> einführen. Also die Sprachproben, die erstens so<lb/> beredt gegen meinen Stil sprechen, zeigen zweitens<lb/> „auch", daß ich kein Meister des Stils bin. Ist es<lb/> schon Unsinn, hat es doch Methode. Ich nenne das<lb/> eine unredliche Argumentation.</p> <p xml:id="ID_2389"> °) Welchen Unterschied macht Kritikus zwischen<lb/> „Meister des Stils" und „Meister der Muttersprache"?<lb/> Vermutlich so wenig einen wie ich. Aber das Publikum<lb/> denkt sich darunter, wenn auch nicht selbst etwas neues,<lb/> so doch, daß Sie sich etwas neues gedacht haben. Ich<lb/> nenne das eine unredliche Argumentation.</p> <p xml:id="ID_2390"> ">) Man beachte, daß dies immer noch grammati¬<lb/> kalisch abhängig ist von: „Das (d. h. die Sprachproben)<lb/> genügt, um zu zeigen . . .." Wenn „Kenner der<lb/> Muttersprache" nicht eine dritte Tautologie für „Meister<lb/> des Stils" sein soll, also für formale Sprachbeherr¬<lb/> schung, hat es die inhaltliche Bedeutung: „Kenner der<lb/> Sprachwissenschaft." Über diese inhaltliche Kenntnis<lb/> oder Unkenntnis verraten aber die angeführten Sprach¬<lb/> proben gar nichts. Wieder verschleiert der unklare<lb/> Ausdruck den Tatbestand. In seiner harmlosen, for¬<lb/> malen Bedeutung mag er für einen gläubigen Sprach¬<lb/> vereinler aus den Redefetzen gerechtfertigt sein. Da<lb/> er aber alsdann nur eine dritte Tautologie besagt,<lb/> schielt er auf eine neue, nicht mehr harmlose Bedeu¬<lb/> tung, die er an sich auch haben kann: die Aberkennung<lb/> der sachlichen Befähigung. Sie natürlich will Kritikus<lb/> suggestiv aussprechen, nur vergißt er (und wohl die<lb/> Mehrzahl seiner Leser), daß für diese zweite Bedeutung<lb/> die Sprachproben nicht mehr „genügen". Ich nenne<lb/> das unredliche Argumentation.</p> <p xml:id="ID_2391" next="#ID_2392"> Die Viereinigkeit der in so wirkungsvoller Steige¬<lb/> rung (auch — vor allem — weder — noch) beige-</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0523]
Kritik und Publikum
die etwelchen Fremdwörter als Stein des stilistischen
Anstoßes entdecken können. Nun war ich allerdings
so frei, in meinem Artikel die Berechtigung des wissen¬
schaftlichen Fremdworts in genere, also auch für meine
Sätze zu behaupten. Schaudervoll, aber nicht zu
leugnen. Unversehens, aber nicht ganz unwillkommen,
geht also aus dieser „selbstverständlichen" formalen
Einrede zugleich die sachliche UnHaltbarkeit hervor.
Nur leider jene auch erst aus dieser. Kritikus hat sich
und Publikum in folgenden artigen Zirkel gerettet:
„Seht diese schrecklichen Sätze — wimmeln sie nicht
von Fremdwörten — die zu rechtfertigen ein völlig
verfehlter Versuch ist —, weil doch so ein Satz, mit
Fremdwörtern darin, so schrecklich ist wie ein Garn
mit Knoten." Der Lateiner nennt das petitium prin-
cipii. Wie sagen Sie, Herr Kritikus? Ich nenne es
eine unredliche Argumentation.
Das genügt Wohl, um auch^)
S" zeigen, daß der Versasser des Auf¬
satzes kein Meister des Stils, vor
allem weder Meister«) noch Kenner
der Muttersprache'») ist. So bereit¬
willig man ihm zugestehen mag, daß
er möglichst umständlich "), aber ernst¬
lich die Wahrheit sucht, hat er doch
gar keinen Blick für das Wirkliche")
und verdeckt es sich durch seine müh¬
samen Hirngespinste.") Wenn er
dem Deutschen") die Möglichkeit ab¬
spricht, sich ohne Fremdwörter wissen¬
schaftlich und Philosophisch'°) klar aus¬
zudrücken, so müßte er folgerichtig
die Sprache Platons und die des
Aristoteles als unwissenschaftlich er¬
klären, weil sie keine Fremdwörter
hat. 1°)
s) Dieses „auch" kann nur eine neue Einrede
einführen. Also die Sprachproben, die erstens so
beredt gegen meinen Stil sprechen, zeigen zweitens
„auch", daß ich kein Meister des Stils bin. Ist es
schon Unsinn, hat es doch Methode. Ich nenne das
eine unredliche Argumentation.
°) Welchen Unterschied macht Kritikus zwischen
„Meister des Stils" und „Meister der Muttersprache"?
Vermutlich so wenig einen wie ich. Aber das Publikum
denkt sich darunter, wenn auch nicht selbst etwas neues,
so doch, daß Sie sich etwas neues gedacht haben. Ich
nenne das eine unredliche Argumentation.
">) Man beachte, daß dies immer noch grammati¬
kalisch abhängig ist von: „Das (d. h. die Sprachproben)
genügt, um zu zeigen . . .." Wenn „Kenner der
Muttersprache" nicht eine dritte Tautologie für „Meister
des Stils" sein soll, also für formale Sprachbeherr¬
schung, hat es die inhaltliche Bedeutung: „Kenner der
Sprachwissenschaft." Über diese inhaltliche Kenntnis
oder Unkenntnis verraten aber die angeführten Sprach¬
proben gar nichts. Wieder verschleiert der unklare
Ausdruck den Tatbestand. In seiner harmlosen, for¬
malen Bedeutung mag er für einen gläubigen Sprach¬
vereinler aus den Redefetzen gerechtfertigt sein. Da
er aber alsdann nur eine dritte Tautologie besagt,
schielt er auf eine neue, nicht mehr harmlose Bedeu¬
tung, die er an sich auch haben kann: die Aberkennung
der sachlichen Befähigung. Sie natürlich will Kritikus
suggestiv aussprechen, nur vergißt er (und wohl die
Mehrzahl seiner Leser), daß für diese zweite Bedeutung
die Sprachproben nicht mehr „genügen". Ich nenne
das unredliche Argumentation.
Die Viereinigkeit der in so wirkungsvoller Steige¬
rung (auch — vor allem — weder — noch) beige-
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