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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Peter der Große und die Jesuiten

ihr Ungeschick und ihre Unvorsichtigkeit verderbe alles wieder. Die Jesuiten
selbst konnten die schönsten Erfolge verzeichnen. Ihre Behausung wurde ihnen
schon im Jahre 1702 für die vielen Fürsten und Vornehmen zu enge. Sie
mußten um einen Geldzuschuß aus Wien bitten, um durch einen Ban die Schlaf¬
räume zu vergrößern, denn die Söhne der Großen wurden ihnen nicht allein
zur Information, sondern auch in Wohnung und Kost gegeben. Die Jesuiten¬
pater verstanden den russischen hohen Adel besonders dadurch zu gewinnen, daß
sie die Knaben und Jünglinge kleine Theaterstücke aufführen ließen, auch Lust¬
spiele; und da solches bisher in Moskau nie gesehen war, so erlangten sie
hiermit die Bewunderung der vornehmen Welt.

Freilich wurde bald ein Keil in das Gefüge der Jesuitenschule getrieben.
Im Jahre 1702 war in Livland der lutherische Propst Glück mit seiner Familie
und Bedienung (zu der auch die spätere Kaiserin Katharina gehörte) in russische
Gefangenschaft geraten und dann nach Moskau gebracht worden. Propst Glück,
in Wettin bei Magdeburg geboren, war ein sehr geschickter und unterrichteter
Mann, dazu der russischen Sprache mächtig. Der preußische Resident in Moskau,
Freiherr von Kayserling, verwandte sich für Glück, der sich bereits bei den
moskowitischen Großen wohl einzuführen verstanden hatte, beim Zaren. "Und
da S. Zarische Majestät," berichtet Kayserling, "sonderten eine große Aversion
vor die Jesuiten (welche der großen Herren Kinder durch fleißige Information
ziemlich an sich gezogen hatten) führen, so ist dem Praepo8ito Glück angetragen
worden, eine Akademie vor hiesige Jugend, da sie in der lateinischen, deutschen
und andern Sprachen, auch sonst in nöthigen Wissenschaften informire werden
könnten, zu stiften." Glück wurde zu dem Zweck ein bequemes großes Haus
in der deutschen Sloboda eingeräumt, und er begann sein heilsames Werk. Er
starb jedoch schon 1705; nun führten seine Professoren die Schule fort. Später¬
hin machten sich auch die vielen kriegsgefangenen schwedischen Offiziere in Moskau
mit gutem Glück an die Erziehung der vornehmen russischen Kinder.

Immerhin konnte der Reichsfürst Menschikow als Plenipotentiarius des
Zaren dem Papste Clemens dem Elster im Jahre 1706 mitteilen, daß infolge
der neulichen Eingabe Kaiser Josefs des Ersten beim Zaren durch den Jesuiten¬
pater Elias Broggio, mi83in>ni8 IVioseovias proLuratorem, jetzt von Sr. Zarischen
Majestät nicht nur das freie Exerzitium des römisch-orthodoxen Glaubens in
der Stadt Moskau bestätigt worden sei, sondern auch gestattet werde, das so
überaus blühend begonnene Werk des Unterrichtes der vornehmen russischen
Jugend fortzusetzen, dazu ein Gymnasium zu errichten und eine steinerne Kirche
zu erbauen; auch öffne der Zar den römischen Missionaren alle Länder und
Gegenden Moskowiens, die ihnen bisher verschlossen waren, damit sie sich um
so sicherer und auf abgekürzten Wege, von der Zarischen Macht unterstützt, in
das entfernte Reich der Chinesen begeben könnten.

Trotz alledem bestand bei Peter dem Großen eine ausgesprochene Abneigung
gegen die katholische Kirche, die wenigstens zum Teil in der Feindseligkeit den


Peter der Große und die Jesuiten

ihr Ungeschick und ihre Unvorsichtigkeit verderbe alles wieder. Die Jesuiten
selbst konnten die schönsten Erfolge verzeichnen. Ihre Behausung wurde ihnen
schon im Jahre 1702 für die vielen Fürsten und Vornehmen zu enge. Sie
mußten um einen Geldzuschuß aus Wien bitten, um durch einen Ban die Schlaf¬
räume zu vergrößern, denn die Söhne der Großen wurden ihnen nicht allein
zur Information, sondern auch in Wohnung und Kost gegeben. Die Jesuiten¬
pater verstanden den russischen hohen Adel besonders dadurch zu gewinnen, daß
sie die Knaben und Jünglinge kleine Theaterstücke aufführen ließen, auch Lust¬
spiele; und da solches bisher in Moskau nie gesehen war, so erlangten sie
hiermit die Bewunderung der vornehmen Welt.

Freilich wurde bald ein Keil in das Gefüge der Jesuitenschule getrieben.
Im Jahre 1702 war in Livland der lutherische Propst Glück mit seiner Familie
und Bedienung (zu der auch die spätere Kaiserin Katharina gehörte) in russische
Gefangenschaft geraten und dann nach Moskau gebracht worden. Propst Glück,
in Wettin bei Magdeburg geboren, war ein sehr geschickter und unterrichteter
Mann, dazu der russischen Sprache mächtig. Der preußische Resident in Moskau,
Freiherr von Kayserling, verwandte sich für Glück, der sich bereits bei den
moskowitischen Großen wohl einzuführen verstanden hatte, beim Zaren. „Und
da S. Zarische Majestät," berichtet Kayserling, „sonderten eine große Aversion
vor die Jesuiten (welche der großen Herren Kinder durch fleißige Information
ziemlich an sich gezogen hatten) führen, so ist dem Praepo8ito Glück angetragen
worden, eine Akademie vor hiesige Jugend, da sie in der lateinischen, deutschen
und andern Sprachen, auch sonst in nöthigen Wissenschaften informire werden
könnten, zu stiften." Glück wurde zu dem Zweck ein bequemes großes Haus
in der deutschen Sloboda eingeräumt, und er begann sein heilsames Werk. Er
starb jedoch schon 1705; nun führten seine Professoren die Schule fort. Später¬
hin machten sich auch die vielen kriegsgefangenen schwedischen Offiziere in Moskau
mit gutem Glück an die Erziehung der vornehmen russischen Kinder.

Immerhin konnte der Reichsfürst Menschikow als Plenipotentiarius des
Zaren dem Papste Clemens dem Elster im Jahre 1706 mitteilen, daß infolge
der neulichen Eingabe Kaiser Josefs des Ersten beim Zaren durch den Jesuiten¬
pater Elias Broggio, mi83in>ni8 IVioseovias proLuratorem, jetzt von Sr. Zarischen
Majestät nicht nur das freie Exerzitium des römisch-orthodoxen Glaubens in
der Stadt Moskau bestätigt worden sei, sondern auch gestattet werde, das so
überaus blühend begonnene Werk des Unterrichtes der vornehmen russischen
Jugend fortzusetzen, dazu ein Gymnasium zu errichten und eine steinerne Kirche
zu erbauen; auch öffne der Zar den römischen Missionaren alle Länder und
Gegenden Moskowiens, die ihnen bisher verschlossen waren, damit sie sich um
so sicherer und auf abgekürzten Wege, von der Zarischen Macht unterstützt, in
das entfernte Reich der Chinesen begeben könnten.

Trotz alledem bestand bei Peter dem Großen eine ausgesprochene Abneigung
gegen die katholische Kirche, die wenigstens zum Teil in der Feindseligkeit den


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[0482] Peter der Große und die Jesuiten ihr Ungeschick und ihre Unvorsichtigkeit verderbe alles wieder. Die Jesuiten selbst konnten die schönsten Erfolge verzeichnen. Ihre Behausung wurde ihnen schon im Jahre 1702 für die vielen Fürsten und Vornehmen zu enge. Sie mußten um einen Geldzuschuß aus Wien bitten, um durch einen Ban die Schlaf¬ räume zu vergrößern, denn die Söhne der Großen wurden ihnen nicht allein zur Information, sondern auch in Wohnung und Kost gegeben. Die Jesuiten¬ pater verstanden den russischen hohen Adel besonders dadurch zu gewinnen, daß sie die Knaben und Jünglinge kleine Theaterstücke aufführen ließen, auch Lust¬ spiele; und da solches bisher in Moskau nie gesehen war, so erlangten sie hiermit die Bewunderung der vornehmen Welt. Freilich wurde bald ein Keil in das Gefüge der Jesuitenschule getrieben. Im Jahre 1702 war in Livland der lutherische Propst Glück mit seiner Familie und Bedienung (zu der auch die spätere Kaiserin Katharina gehörte) in russische Gefangenschaft geraten und dann nach Moskau gebracht worden. Propst Glück, in Wettin bei Magdeburg geboren, war ein sehr geschickter und unterrichteter Mann, dazu der russischen Sprache mächtig. Der preußische Resident in Moskau, Freiherr von Kayserling, verwandte sich für Glück, der sich bereits bei den moskowitischen Großen wohl einzuführen verstanden hatte, beim Zaren. „Und da S. Zarische Majestät," berichtet Kayserling, „sonderten eine große Aversion vor die Jesuiten (welche der großen Herren Kinder durch fleißige Information ziemlich an sich gezogen hatten) führen, so ist dem Praepo8ito Glück angetragen worden, eine Akademie vor hiesige Jugend, da sie in der lateinischen, deutschen und andern Sprachen, auch sonst in nöthigen Wissenschaften informire werden könnten, zu stiften." Glück wurde zu dem Zweck ein bequemes großes Haus in der deutschen Sloboda eingeräumt, und er begann sein heilsames Werk. Er starb jedoch schon 1705; nun führten seine Professoren die Schule fort. Später¬ hin machten sich auch die vielen kriegsgefangenen schwedischen Offiziere in Moskau mit gutem Glück an die Erziehung der vornehmen russischen Kinder. Immerhin konnte der Reichsfürst Menschikow als Plenipotentiarius des Zaren dem Papste Clemens dem Elster im Jahre 1706 mitteilen, daß infolge der neulichen Eingabe Kaiser Josefs des Ersten beim Zaren durch den Jesuiten¬ pater Elias Broggio, mi83in>ni8 IVioseovias proLuratorem, jetzt von Sr. Zarischen Majestät nicht nur das freie Exerzitium des römisch-orthodoxen Glaubens in der Stadt Moskau bestätigt worden sei, sondern auch gestattet werde, das so überaus blühend begonnene Werk des Unterrichtes der vornehmen russischen Jugend fortzusetzen, dazu ein Gymnasium zu errichten und eine steinerne Kirche zu erbauen; auch öffne der Zar den römischen Missionaren alle Länder und Gegenden Moskowiens, die ihnen bisher verschlossen waren, damit sie sich um so sicherer und auf abgekürzten Wege, von der Zarischen Macht unterstützt, in das entfernte Reich der Chinesen begeben könnten. Trotz alledem bestand bei Peter dem Großen eine ausgesprochene Abneigung gegen die katholische Kirche, die wenigstens zum Teil in der Feindseligkeit den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/482>, abgerufen am 25.08.2024.