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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliche"

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dadurch auszubeuten, daß man aus ihren
angeblichen oder wirklichen Ertragen Ka¬
pitalien für Berbesserungs- und AuS-
stattungSfonds ansammelt, von denen nachher
nur die Zinsen beansprucht werden dürfen.
Das Kapital ist der Fideikommißbesitzer dann
auf Nimmerwiedersehen los. Es ist eine
Krankheit unserer Zeit, allenthalben zu thesau-
rieren. Rücklagen aller Art kraft Gesetzes,
Stiftungen, Fonds entziehen bestimmten
Kreisen unseres Erwerbslebens in steigendem
und steigend schädlichem Umfange Summen,
von denen die Beitragenden bestenfalls nichts
als die bekannten niedrigen Zinsen der
Mündelsicherheit oder des aktiven Bankkontos
wiedersehen, während sie zur selben Zeit ge¬
zwungen sind, ihr Privat- oder Berufsleben
mit hochverzinslichem Gelde zu versorgen.
Diese Enteignung zugunsten des mobilen
Kapitals macht von Jahr zu Jahr ver¬
hängnisvolle Fortschritte. Man kann sich
gar nicht stark genug dagegen wehren und
muß dem Verfasser beistimmen, wenn er
auch hier Rentenzahlung für die natürliche
Bodcnbelastung erklärt. Es gibt einen
Bürgen, der noch besser bürgt als das Ka¬
pital: die Persönlichkeit. Diese nicht zu er¬
drücken, muß das erste Ziel der Reform
bleiben. Er will die nachgeborenen Kinder
dadurch schützen, daß er Testamente über
einen Teil des Fideikommißertrages zuläßt.
Durchführbar ist das aber nur, wenn die
Fideikommisse bedeutend sind. Kleine Fidei-
kommisse halte ich, anders als der Verfasser,
nur für einen Fehler; sie sind ein notwendiges
Unrecht gegen die nachgeborenen Kinder.
DaS Fideikommiß des Großgrundbesitzes
und das Anerbengut des Bauern sind zwei
himmelweit verschiedene Dinge. Darin sind
sie sich gleich, daß sie eine Vermögensmasse
Personifizieren, als Ganzes für immer er¬
halten möchten, aber darin grundverschieden,
daß das Fideikommiß für immer in einer
bestimmten Familie erhalten werden soll, das
Anerbengut aber nur zur Zeit des Erbfalls
so gut es geht geschützt werden soll. Der
Grund ist der, daß Dynastien gar nicht, die
historische Familie des Großgrundbesitzes schwer,
die einzelne bäuerliche Familie aber weit eher
aus dem Volksganzen vom politisch-sozialen
Standpunkt zu ersetzen ist. Das kann man

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in der Praris nicht bestreiten. Hieraus aber
folgt ohne weiteres, daß das Gesetz viel vor¬
sichtiger sein muß, das unveräußerliche Fidei¬
kommiß für die Nachgeborenen zu erhalten,
als das frei verüußerliche Anerbengut, oder,
Was auf dasselbe hinauskommt, daß Fidei¬
kommisse groß sein sollten. Es ist gut, wenn
es auch eine bewegliche Grundbesitzmasse gibt
zwischen Fideikommiß und Bauerngut. Gerade
diese Größenklasse bedarf der landwirtschaft¬
liche Unternehmungsgeist.

Nun kommt ein Punkt, wo ich leider gar
nicht mit dem verehrten Herrn Verfasser gehen
kann. Schon bei einer früheren Gelegenheit
habe ich in diesen Blättern bestimmt betont,
daß es gar keine bessere Fideikommißbehörde
geben kann als die, die wir jetzt haben. Ich
fürchte, in den Vorschlägen des Herrn Ver¬
fassers spukt auch etwas von der großen Ver-
waltungSreform, die gerade so überflüssig ist,
wie es in diesen Blättern ein ungenannter
Verfasser in einer Reihe Prachtvoller Artikel
über die preußische Verwaltung nachgewiesen
hat. Wenn man nur die Besetzung der Unter
und die Erziehung der Beamten immer in
Ordnung hielte, würde kein Mensch auf die
Idee einer Verwaltungsreform kommen, deren
jetziger Inhalt nur von den wirklich Wunden
Punkten ablenkt. Weitaus die meisten Fidei-
kommißsachen sind private Vermögens- oder
Rechtssachen; kommt mal irgendeine Frage
aus der land- oder forstwirtschaftlichen oder
der allgemeinen Verwaltung vor, so ist das
Oberlandesgericht aufs einfachste in der Lage,
sich von da her ein Gutachten zu holen, wie
man es noch immer gemacht hat. Der Ober¬
präsidialrat und die anderen Herren können
ihre Zeit viel besser verwenden, als öfters zu
einer Fidcikommißsitzung zu fahren, wo die
meisten Dinge sie langweilen oder außer
ihrem Horizont liegen. Es ist weiter ein
Fehler, die allgemeine Verwaltung durch
die Familienstreitigkeiten einflußreicher Ge¬
schlechter mit dem Mißtrauen in ihre Un¬
parteilichkeit und mit gesellschaftlichen Folgen
zu belasten.

Am meisten gilt das von den Herren
Standesgenossen. Jedes Jahr beglückt uns
ja mit mehreren neuen Gesetzen der staat¬
lichen Selbstverwaltung, mit Beiräten, Aus¬
schüssen, großen und kleinen Schöffen, Bei-

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Maßgebliches und Unmaßgebliche»

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dadurch auszubeuten, daß man aus ihren
angeblichen oder wirklichen Ertragen Ka¬
pitalien für Berbesserungs- und AuS-
stattungSfonds ansammelt, von denen nachher
nur die Zinsen beansprucht werden dürfen.
Das Kapital ist der Fideikommißbesitzer dann
auf Nimmerwiedersehen los. Es ist eine
Krankheit unserer Zeit, allenthalben zu thesau-
rieren. Rücklagen aller Art kraft Gesetzes,
Stiftungen, Fonds entziehen bestimmten
Kreisen unseres Erwerbslebens in steigendem
und steigend schädlichem Umfange Summen,
von denen die Beitragenden bestenfalls nichts
als die bekannten niedrigen Zinsen der
Mündelsicherheit oder des aktiven Bankkontos
wiedersehen, während sie zur selben Zeit ge¬
zwungen sind, ihr Privat- oder Berufsleben
mit hochverzinslichem Gelde zu versorgen.
Diese Enteignung zugunsten des mobilen
Kapitals macht von Jahr zu Jahr ver¬
hängnisvolle Fortschritte. Man kann sich
gar nicht stark genug dagegen wehren und
muß dem Verfasser beistimmen, wenn er
auch hier Rentenzahlung für die natürliche
Bodcnbelastung erklärt. Es gibt einen
Bürgen, der noch besser bürgt als das Ka¬
pital: die Persönlichkeit. Diese nicht zu er¬
drücken, muß das erste Ziel der Reform
bleiben. Er will die nachgeborenen Kinder
dadurch schützen, daß er Testamente über
einen Teil des Fideikommißertrages zuläßt.
Durchführbar ist das aber nur, wenn die
Fideikommisse bedeutend sind. Kleine Fidei-
kommisse halte ich, anders als der Verfasser,
nur für einen Fehler; sie sind ein notwendiges
Unrecht gegen die nachgeborenen Kinder.
DaS Fideikommiß des Großgrundbesitzes
und das Anerbengut des Bauern sind zwei
himmelweit verschiedene Dinge. Darin sind
sie sich gleich, daß sie eine Vermögensmasse
Personifizieren, als Ganzes für immer er¬
halten möchten, aber darin grundverschieden,
daß das Fideikommiß für immer in einer
bestimmten Familie erhalten werden soll, das
Anerbengut aber nur zur Zeit des Erbfalls
so gut es geht geschützt werden soll. Der
Grund ist der, daß Dynastien gar nicht, die
historische Familie des Großgrundbesitzes schwer,
die einzelne bäuerliche Familie aber weit eher
aus dem Volksganzen vom politisch-sozialen
Standpunkt zu ersetzen ist. Das kann man

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in der Praris nicht bestreiten. Hieraus aber
folgt ohne weiteres, daß das Gesetz viel vor¬
sichtiger sein muß, das unveräußerliche Fidei¬
kommiß für die Nachgeborenen zu erhalten,
als das frei verüußerliche Anerbengut, oder,
Was auf dasselbe hinauskommt, daß Fidei¬
kommisse groß sein sollten. Es ist gut, wenn
es auch eine bewegliche Grundbesitzmasse gibt
zwischen Fideikommiß und Bauerngut. Gerade
diese Größenklasse bedarf der landwirtschaft¬
liche Unternehmungsgeist.

Nun kommt ein Punkt, wo ich leider gar
nicht mit dem verehrten Herrn Verfasser gehen
kann. Schon bei einer früheren Gelegenheit
habe ich in diesen Blättern bestimmt betont,
daß es gar keine bessere Fideikommißbehörde
geben kann als die, die wir jetzt haben. Ich
fürchte, in den Vorschlägen des Herrn Ver¬
fassers spukt auch etwas von der großen Ver-
waltungSreform, die gerade so überflüssig ist,
wie es in diesen Blättern ein ungenannter
Verfasser in einer Reihe Prachtvoller Artikel
über die preußische Verwaltung nachgewiesen
hat. Wenn man nur die Besetzung der Unter
und die Erziehung der Beamten immer in
Ordnung hielte, würde kein Mensch auf die
Idee einer Verwaltungsreform kommen, deren
jetziger Inhalt nur von den wirklich Wunden
Punkten ablenkt. Weitaus die meisten Fidei-
kommißsachen sind private Vermögens- oder
Rechtssachen; kommt mal irgendeine Frage
aus der land- oder forstwirtschaftlichen oder
der allgemeinen Verwaltung vor, so ist das
Oberlandesgericht aufs einfachste in der Lage,
sich von da her ein Gutachten zu holen, wie
man es noch immer gemacht hat. Der Ober¬
präsidialrat und die anderen Herren können
ihre Zeit viel besser verwenden, als öfters zu
einer Fidcikommißsitzung zu fahren, wo die
meisten Dinge sie langweilen oder außer
ihrem Horizont liegen. Es ist weiter ein
Fehler, die allgemeine Verwaltung durch
die Familienstreitigkeiten einflußreicher Ge¬
schlechter mit dem Mißtrauen in ihre Un¬
parteilichkeit und mit gesellschaftlichen Folgen
zu belasten.

Am meisten gilt das von den Herren
Standesgenossen. Jedes Jahr beglückt uns
ja mit mehreren neuen Gesetzen der staat¬
lichen Selbstverwaltung, mit Beiräten, Aus¬
schüssen, großen und kleinen Schöffen, Bei-

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[0451] Maßgebliches und Unmaßgebliche» dadurch auszubeuten, daß man aus ihren angeblichen oder wirklichen Ertragen Ka¬ pitalien für Berbesserungs- und AuS- stattungSfonds ansammelt, von denen nachher nur die Zinsen beansprucht werden dürfen. Das Kapital ist der Fideikommißbesitzer dann auf Nimmerwiedersehen los. Es ist eine Krankheit unserer Zeit, allenthalben zu thesau- rieren. Rücklagen aller Art kraft Gesetzes, Stiftungen, Fonds entziehen bestimmten Kreisen unseres Erwerbslebens in steigendem und steigend schädlichem Umfange Summen, von denen die Beitragenden bestenfalls nichts als die bekannten niedrigen Zinsen der Mündelsicherheit oder des aktiven Bankkontos wiedersehen, während sie zur selben Zeit ge¬ zwungen sind, ihr Privat- oder Berufsleben mit hochverzinslichem Gelde zu versorgen. Diese Enteignung zugunsten des mobilen Kapitals macht von Jahr zu Jahr ver¬ hängnisvolle Fortschritte. Man kann sich gar nicht stark genug dagegen wehren und muß dem Verfasser beistimmen, wenn er auch hier Rentenzahlung für die natürliche Bodcnbelastung erklärt. Es gibt einen Bürgen, der noch besser bürgt als das Ka¬ pital: die Persönlichkeit. Diese nicht zu er¬ drücken, muß das erste Ziel der Reform bleiben. Er will die nachgeborenen Kinder dadurch schützen, daß er Testamente über einen Teil des Fideikommißertrages zuläßt. Durchführbar ist das aber nur, wenn die Fideikommisse bedeutend sind. Kleine Fidei- kommisse halte ich, anders als der Verfasser, nur für einen Fehler; sie sind ein notwendiges Unrecht gegen die nachgeborenen Kinder. DaS Fideikommiß des Großgrundbesitzes und das Anerbengut des Bauern sind zwei himmelweit verschiedene Dinge. Darin sind sie sich gleich, daß sie eine Vermögensmasse Personifizieren, als Ganzes für immer er¬ halten möchten, aber darin grundverschieden, daß das Fideikommiß für immer in einer bestimmten Familie erhalten werden soll, das Anerbengut aber nur zur Zeit des Erbfalls so gut es geht geschützt werden soll. Der Grund ist der, daß Dynastien gar nicht, die historische Familie des Großgrundbesitzes schwer, die einzelne bäuerliche Familie aber weit eher aus dem Volksganzen vom politisch-sozialen Standpunkt zu ersetzen ist. Das kann man in der Praris nicht bestreiten. Hieraus aber folgt ohne weiteres, daß das Gesetz viel vor¬ sichtiger sein muß, das unveräußerliche Fidei¬ kommiß für die Nachgeborenen zu erhalten, als das frei verüußerliche Anerbengut, oder, Was auf dasselbe hinauskommt, daß Fidei¬ kommisse groß sein sollten. Es ist gut, wenn es auch eine bewegliche Grundbesitzmasse gibt zwischen Fideikommiß und Bauerngut. Gerade diese Größenklasse bedarf der landwirtschaft¬ liche Unternehmungsgeist. Nun kommt ein Punkt, wo ich leider gar nicht mit dem verehrten Herrn Verfasser gehen kann. Schon bei einer früheren Gelegenheit habe ich in diesen Blättern bestimmt betont, daß es gar keine bessere Fideikommißbehörde geben kann als die, die wir jetzt haben. Ich fürchte, in den Vorschlägen des Herrn Ver¬ fassers spukt auch etwas von der großen Ver- waltungSreform, die gerade so überflüssig ist, wie es in diesen Blättern ein ungenannter Verfasser in einer Reihe Prachtvoller Artikel über die preußische Verwaltung nachgewiesen hat. Wenn man nur die Besetzung der Unter und die Erziehung der Beamten immer in Ordnung hielte, würde kein Mensch auf die Idee einer Verwaltungsreform kommen, deren jetziger Inhalt nur von den wirklich Wunden Punkten ablenkt. Weitaus die meisten Fidei- kommißsachen sind private Vermögens- oder Rechtssachen; kommt mal irgendeine Frage aus der land- oder forstwirtschaftlichen oder der allgemeinen Verwaltung vor, so ist das Oberlandesgericht aufs einfachste in der Lage, sich von da her ein Gutachten zu holen, wie man es noch immer gemacht hat. Der Ober¬ präsidialrat und die anderen Herren können ihre Zeit viel besser verwenden, als öfters zu einer Fidcikommißsitzung zu fahren, wo die meisten Dinge sie langweilen oder außer ihrem Horizont liegen. Es ist weiter ein Fehler, die allgemeine Verwaltung durch die Familienstreitigkeiten einflußreicher Ge¬ schlechter mit dem Mißtrauen in ihre Un¬ parteilichkeit und mit gesellschaftlichen Folgen zu belasten. Am meisten gilt das von den Herren Standesgenossen. Jedes Jahr beglückt uns ja mit mehreren neuen Gesetzen der staat¬ lichen Selbstverwaltung, mit Beiräten, Aus¬ schüssen, großen und kleinen Schöffen, Bei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/451>, abgerufen am 01.07.2024.