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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

"Lichten Stunden" und zum "Schnellpfeffer"),
die der Referent nach Hitzigs Vorgang seiner
Ausgabe der Tagebücher beigeben wird. Wir
deuten im folgenden in aller Kürze an, was
die Ausgabe an Texten, an Erläuterungen
und in biographischer Hinsicht neues bringt.

I. Textlich unterscheidet sie sich von Grise-
bachs zweiter Ausgabe in folgenden Punkten:

1. Weggelassen sind ausschließlich s) die
fünf Rezensionen aus der Allg. Mus. Ztg.
(über Romberg und Beethoven), die Hans
vom Ende 1899 o h n e j e d e n G r u n d Hoffmann
zugeschrieben hat; b) zwei literarische Spie¬
lereien aus der Bamberger Zeit, die in der
Tat ihres rein privaten Charakters wegen
absolut nicht in Hoffmanns Werke gehören,
sondern seinen Tagebüchern beizugeben sind.

2. Neu bringt Ellinger s) in den Bänden
XIII und XIV 23 musikalische Schriften Hoff¬
manns"), b) in Band XV 4 vom Referenten
entdeckte andere Texte (Renegat, Faustina,
Freund, Flüchtige Bemerkungen), zusammen
also 27 Texte.

S. Die Texte, die bereits bei Grisebach
zu finden waren, sind wesentlich sorgfältiger
wiedergegeben""); die im Februar 1822 von der
Preußischen Regierung unterdrückten Stellen
des "Meisters Floh", die Ellinger als erster
1906 veröffentlicht hat, erscheinen hier zum
ersten Male in einer Gesamtausgabe; die
kleinen Schriften sind besser angeordnet.
Überdies sind alle inhaltlich interessanten
Stellen von älteren Fassungen, die Hoffmann
später gestrichen hat, im letzten Bande der
Ausgabe gesammelt: diese Lesarten, die
ausnahmslos bei Grisebach fehlen, füllen bei
Ellinger 39 Seiten zu 48 Zeilen.

II. Diese Textmassen werden vom Heraus-

[Spaltenumbruch]

geber in dreierlei Art auf insgesamt 383 Seiten
erläutert, und in dieser Erläuterung, auf die
Grisebach nahezu gänzlich verzichtet hatte,
besteht das Hauptverdienst der Ausgabe.

1. Der Schlußband erklärt auf hundert-
sechsundachtzig Seiten einzelne Textstellen.
Es sind hier in erstaunlicher Belesenheit
Tausende von Anspielungen Hoffmanns end¬
gültig aufgehellt und vieles Sonstige zur Er¬
läuterung beigebracht, so daß wir kaum für
eine Erzählung Hoffmanns ohne neue wesent¬
liche Erkenntnisse bleiben. Alles das wird in
musterhafter Knappheit vorgebracht: auch der
strengste Richter wird nicht einen überflüssigen
Satz finden. Der Kommentar läßt sich auch
äußerlich bequem benutzen, da er im letzten
Bande des Ganzen steht und somit neben
die zu studierenden Erzählungen gelegt werden
kann, wie ein Buch neben ein Naturobjekt;
den Texten selbst aber sind die Zeilenzahlen
gleich beigedruckt, die der Benutzer bei anderen
Ausgaben sich erst an den Rand schreiben muß.

2. Den Stoff dieser Erläuterungen und
Nachweise faßt Ellinger in gewisser Weise zu¬
sammen in zehn Einleitungen vor den größe¬
ren Werken oder Sammlungen. Hier wird
auf insgesamt 169 Seiten das Wichtigste bei¬
gebracht für die Entstehung jedes Textes,
dessen Technik wird in knapper Form dar¬
gelegt, und namentlich werden die bemerkens¬
wertesten Urteile der Zeitgenossen mitgeteilt;
dabei werden z. B. die Jubelchöre zum ersten
Male wieder reproduziert, die nahezu ein¬
stimmig die beiden klassischen Meisterwerke
Hoffmanns, den "Goldner Topf" und die
"Prinzessin Brcnnbilla", beim Erscheinen be¬
grüßt haben: ein erfreulicher Beweis dafür,
daß Hoffmann tatsächlich den Besten seiner
Zeit genug getan hat und daß seine Wirkung
erst durch die in den dreißiger Jahren herein¬
brechende Barbarei der jungdeutschen Politi¬
kaster vernichtet worden ist"). Noch verdienst¬
licher als diese Mitteilungen ist die musterhafte
Entwicklung von Hoffmanns musikalischen An¬
schauungen, die Ellinger uns im dreizehnten

[Ende Spaltensatz]
*) Grisebachs zweite Ausgabe enthält 20
musikalische Aufsätze, von denen aber nur 15
wirklich von Hoffmann herrühren; Ellinger
bringt 38, nämlich alle für Hoffmann nach¬
gewiesenen von der ersten Rezension aus dem
April 1809 bis zum Widerruf der "Freischütz "-
Rezension vom Juli 1821.
**) Insbesondere hat Ellinger große Mühe
auf die Notenbeispiele in Hoffmanns Rezen¬
sionen verwendet, deren Wiedergabe Grisebach
vertrauensvoll feinem Verleger überlassen
hatte.
*) Ellinger selbst zitiert V 47 f. Börnes
Urteil über Hoffmanns Schriften und zeigt
vortrefflich, wie sich darin "das Zurücktreten
der ästhetischen Bedürfnisse, der Anbruch der
bürgerlich-Politischen Ära" ankündigen,
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

„Lichten Stunden" und zum „Schnellpfeffer"),
die der Referent nach Hitzigs Vorgang seiner
Ausgabe der Tagebücher beigeben wird. Wir
deuten im folgenden in aller Kürze an, was
die Ausgabe an Texten, an Erläuterungen
und in biographischer Hinsicht neues bringt.

I. Textlich unterscheidet sie sich von Grise-
bachs zweiter Ausgabe in folgenden Punkten:

1. Weggelassen sind ausschließlich s) die
fünf Rezensionen aus der Allg. Mus. Ztg.
(über Romberg und Beethoven), die Hans
vom Ende 1899 o h n e j e d e n G r u n d Hoffmann
zugeschrieben hat; b) zwei literarische Spie¬
lereien aus der Bamberger Zeit, die in der
Tat ihres rein privaten Charakters wegen
absolut nicht in Hoffmanns Werke gehören,
sondern seinen Tagebüchern beizugeben sind.

2. Neu bringt Ellinger s) in den Bänden
XIII und XIV 23 musikalische Schriften Hoff¬
manns"), b) in Band XV 4 vom Referenten
entdeckte andere Texte (Renegat, Faustina,
Freund, Flüchtige Bemerkungen), zusammen
also 27 Texte.

S. Die Texte, die bereits bei Grisebach
zu finden waren, sind wesentlich sorgfältiger
wiedergegeben""); die im Februar 1822 von der
Preußischen Regierung unterdrückten Stellen
des „Meisters Floh", die Ellinger als erster
1906 veröffentlicht hat, erscheinen hier zum
ersten Male in einer Gesamtausgabe; die
kleinen Schriften sind besser angeordnet.
Überdies sind alle inhaltlich interessanten
Stellen von älteren Fassungen, die Hoffmann
später gestrichen hat, im letzten Bande der
Ausgabe gesammelt: diese Lesarten, die
ausnahmslos bei Grisebach fehlen, füllen bei
Ellinger 39 Seiten zu 48 Zeilen.

II. Diese Textmassen werden vom Heraus-

[Spaltenumbruch]

geber in dreierlei Art auf insgesamt 383 Seiten
erläutert, und in dieser Erläuterung, auf die
Grisebach nahezu gänzlich verzichtet hatte,
besteht das Hauptverdienst der Ausgabe.

1. Der Schlußband erklärt auf hundert-
sechsundachtzig Seiten einzelne Textstellen.
Es sind hier in erstaunlicher Belesenheit
Tausende von Anspielungen Hoffmanns end¬
gültig aufgehellt und vieles Sonstige zur Er¬
läuterung beigebracht, so daß wir kaum für
eine Erzählung Hoffmanns ohne neue wesent¬
liche Erkenntnisse bleiben. Alles das wird in
musterhafter Knappheit vorgebracht: auch der
strengste Richter wird nicht einen überflüssigen
Satz finden. Der Kommentar läßt sich auch
äußerlich bequem benutzen, da er im letzten
Bande des Ganzen steht und somit neben
die zu studierenden Erzählungen gelegt werden
kann, wie ein Buch neben ein Naturobjekt;
den Texten selbst aber sind die Zeilenzahlen
gleich beigedruckt, die der Benutzer bei anderen
Ausgaben sich erst an den Rand schreiben muß.

2. Den Stoff dieser Erläuterungen und
Nachweise faßt Ellinger in gewisser Weise zu¬
sammen in zehn Einleitungen vor den größe¬
ren Werken oder Sammlungen. Hier wird
auf insgesamt 169 Seiten das Wichtigste bei¬
gebracht für die Entstehung jedes Textes,
dessen Technik wird in knapper Form dar¬
gelegt, und namentlich werden die bemerkens¬
wertesten Urteile der Zeitgenossen mitgeteilt;
dabei werden z. B. die Jubelchöre zum ersten
Male wieder reproduziert, die nahezu ein¬
stimmig die beiden klassischen Meisterwerke
Hoffmanns, den „Goldner Topf" und die
„Prinzessin Brcnnbilla", beim Erscheinen be¬
grüßt haben: ein erfreulicher Beweis dafür,
daß Hoffmann tatsächlich den Besten seiner
Zeit genug getan hat und daß seine Wirkung
erst durch die in den dreißiger Jahren herein¬
brechende Barbarei der jungdeutschen Politi¬
kaster vernichtet worden ist"). Noch verdienst¬
licher als diese Mitteilungen ist die musterhafte
Entwicklung von Hoffmanns musikalischen An¬
schauungen, die Ellinger uns im dreizehnten

[Ende Spaltensatz]
*) Grisebachs zweite Ausgabe enthält 20
musikalische Aufsätze, von denen aber nur 15
wirklich von Hoffmann herrühren; Ellinger
bringt 38, nämlich alle für Hoffmann nach¬
gewiesenen von der ersten Rezension aus dem
April 1809 bis zum Widerruf der „Freischütz "-
Rezension vom Juli 1821.
**) Insbesondere hat Ellinger große Mühe
auf die Notenbeispiele in Hoffmanns Rezen¬
sionen verwendet, deren Wiedergabe Grisebach
vertrauensvoll feinem Verleger überlassen
hatte.
*) Ellinger selbst zitiert V 47 f. Börnes
Urteil über Hoffmanns Schriften und zeigt
vortrefflich, wie sich darin „das Zurücktreten
der ästhetischen Bedürfnisse, der Anbruch der
bürgerlich-Politischen Ära" ankündigen,
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[0446] Maßgebliches und Unmaßgebliches „Lichten Stunden" und zum „Schnellpfeffer"), die der Referent nach Hitzigs Vorgang seiner Ausgabe der Tagebücher beigeben wird. Wir deuten im folgenden in aller Kürze an, was die Ausgabe an Texten, an Erläuterungen und in biographischer Hinsicht neues bringt. I. Textlich unterscheidet sie sich von Grise- bachs zweiter Ausgabe in folgenden Punkten: 1. Weggelassen sind ausschließlich s) die fünf Rezensionen aus der Allg. Mus. Ztg. (über Romberg und Beethoven), die Hans vom Ende 1899 o h n e j e d e n G r u n d Hoffmann zugeschrieben hat; b) zwei literarische Spie¬ lereien aus der Bamberger Zeit, die in der Tat ihres rein privaten Charakters wegen absolut nicht in Hoffmanns Werke gehören, sondern seinen Tagebüchern beizugeben sind. 2. Neu bringt Ellinger s) in den Bänden XIII und XIV 23 musikalische Schriften Hoff¬ manns"), b) in Band XV 4 vom Referenten entdeckte andere Texte (Renegat, Faustina, Freund, Flüchtige Bemerkungen), zusammen also 27 Texte. S. Die Texte, die bereits bei Grisebach zu finden waren, sind wesentlich sorgfältiger wiedergegeben""); die im Februar 1822 von der Preußischen Regierung unterdrückten Stellen des „Meisters Floh", die Ellinger als erster 1906 veröffentlicht hat, erscheinen hier zum ersten Male in einer Gesamtausgabe; die kleinen Schriften sind besser angeordnet. Überdies sind alle inhaltlich interessanten Stellen von älteren Fassungen, die Hoffmann später gestrichen hat, im letzten Bande der Ausgabe gesammelt: diese Lesarten, die ausnahmslos bei Grisebach fehlen, füllen bei Ellinger 39 Seiten zu 48 Zeilen. II. Diese Textmassen werden vom Heraus- geber in dreierlei Art auf insgesamt 383 Seiten erläutert, und in dieser Erläuterung, auf die Grisebach nahezu gänzlich verzichtet hatte, besteht das Hauptverdienst der Ausgabe. 1. Der Schlußband erklärt auf hundert- sechsundachtzig Seiten einzelne Textstellen. Es sind hier in erstaunlicher Belesenheit Tausende von Anspielungen Hoffmanns end¬ gültig aufgehellt und vieles Sonstige zur Er¬ läuterung beigebracht, so daß wir kaum für eine Erzählung Hoffmanns ohne neue wesent¬ liche Erkenntnisse bleiben. Alles das wird in musterhafter Knappheit vorgebracht: auch der strengste Richter wird nicht einen überflüssigen Satz finden. Der Kommentar läßt sich auch äußerlich bequem benutzen, da er im letzten Bande des Ganzen steht und somit neben die zu studierenden Erzählungen gelegt werden kann, wie ein Buch neben ein Naturobjekt; den Texten selbst aber sind die Zeilenzahlen gleich beigedruckt, die der Benutzer bei anderen Ausgaben sich erst an den Rand schreiben muß. 2. Den Stoff dieser Erläuterungen und Nachweise faßt Ellinger in gewisser Weise zu¬ sammen in zehn Einleitungen vor den größe¬ ren Werken oder Sammlungen. Hier wird auf insgesamt 169 Seiten das Wichtigste bei¬ gebracht für die Entstehung jedes Textes, dessen Technik wird in knapper Form dar¬ gelegt, und namentlich werden die bemerkens¬ wertesten Urteile der Zeitgenossen mitgeteilt; dabei werden z. B. die Jubelchöre zum ersten Male wieder reproduziert, die nahezu ein¬ stimmig die beiden klassischen Meisterwerke Hoffmanns, den „Goldner Topf" und die „Prinzessin Brcnnbilla", beim Erscheinen be¬ grüßt haben: ein erfreulicher Beweis dafür, daß Hoffmann tatsächlich den Besten seiner Zeit genug getan hat und daß seine Wirkung erst durch die in den dreißiger Jahren herein¬ brechende Barbarei der jungdeutschen Politi¬ kaster vernichtet worden ist"). Noch verdienst¬ licher als diese Mitteilungen ist die musterhafte Entwicklung von Hoffmanns musikalischen An¬ schauungen, die Ellinger uns im dreizehnten *) Grisebachs zweite Ausgabe enthält 20 musikalische Aufsätze, von denen aber nur 15 wirklich von Hoffmann herrühren; Ellinger bringt 38, nämlich alle für Hoffmann nach¬ gewiesenen von der ersten Rezension aus dem April 1809 bis zum Widerruf der „Freischütz "- Rezension vom Juli 1821. **) Insbesondere hat Ellinger große Mühe auf die Notenbeispiele in Hoffmanns Rezen¬ sionen verwendet, deren Wiedergabe Grisebach vertrauensvoll feinem Verleger überlassen hatte. *) Ellinger selbst zitiert V 47 f. Börnes Urteil über Hoffmanns Schriften und zeigt vortrefflich, wie sich darin „das Zurücktreten der ästhetischen Bedürfnisse, der Anbruch der bürgerlich-Politischen Ära" ankündigen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/446>, abgerufen am 22.12.2024.