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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Briefe aus Trebeldorf

"Prachtvoll," versicherte ich. "Jede Schleppe wird getragen von vier bis
sechs Edelknaben. Einige benutzen auch für den Zweck dressierte Dienstmänner.
Und nun stellen Sie sich bitte vor, wie entzückend das aussieht, wenn hinter
der langsam wälzenden Dame der ganze Schwanz in rasendem Wirbel herum¬
saust. Ein blendendes Schauspiel. Jede Dame ein Kometenstern."

"Das kann man sich wohl denken," pflichtet die Frau Rendant mir bei.

In diesem Augenblicke fährt auf die Tischplatte eine kräftige Männerfaust
nieder, daß die Tassen vor Schreck emporhüpfen, und der Kaufmann Fredrich
schreit den Inspektor Fabian an: "Das verbitte ich mir, Herr! Wenn Sie meine
Tochter heiraten wollen, dann machen Sie ihr einen Antrag, wie sich das
gehört I Aber Sie haben .Pussel' zu ihr gesagt. Meine Tochter ist kein Pussel,
Sie, Sie --! Haben Sie mich verstanden?"

Der Inspektor will etwas erwidern, findet aber den rechten Ton nicht,
und das Fest scheint mit einem Mißklange enden zu sollen. Da klopfe ich an
meine Tasse, bekomme auch bald Gehör und erkläre, daß sich Herr Fredrich in
einem Irrtum befindet. "Die Bezeichnung .Pufsel'", sage ich, "war auf eben
jenem Hofball des Großherzogs von Honolulu, von dem ich vorhin zu sprechen
das Vergnügen hatte, die offizielle Anrede an alle Damen. Genau so, wie
man hier, um sich artig zu bezeigen, ^gnädiges Fräulein' und .gnädige Frau'
sagt, hieß es dort nicht anders als .lenziger Pussel' und .betagter Pussel'. Eine
Ausnahme machte allein die Frau Großherzogin, die die Ehrenbezeichnung
.Durchlauchtigste Pusselina' trug."

"Da haben sich." wandte sich Doktor Henschel lachend dem Kaufmann
Fredrich zu. "Das lassen Sie sich einrahmen!"

"Haben Sie das gewußt?" frug Fredrich seinen Gegner.

"Selbstredend," erwiderte der in stolzer Herablassung.

"Dann erkläre ich mich für einen Flegel, und wir vertragen uns." Sie
reichten sich die Hände und waren versöhnt.

Ich aber soll in noch vorgerückter Stunde, als wieder der Sekt zur
Herrschaft gekommen war, eine merkwürdige Rede auf die Damen gehalten
haben, in der ich die Mütter als "hochehrbare" und die Töchter als "wonne¬
same Pussel" gefeiert habe. Mir geht das in der Erinnerung ein bißchen
durcheinander.

Als ich ins Bett stieg, krähte der Hahn. Als ich erwachte, stand die
Sonne hoch am Himmel, und die Geister des Alkohols trieben in meinem Hirn
ihr neckisches Nachspiel. Als ich frühstückte, ging es nicht ohne einen Hering.


Schluß. Herzlichen Gruß Dir und Deiner Braut. Dein Edward.

(Fortsetzung folgt)




Grenzboten l 1S1328
Briefe aus Trebeldorf

„Prachtvoll," versicherte ich. „Jede Schleppe wird getragen von vier bis
sechs Edelknaben. Einige benutzen auch für den Zweck dressierte Dienstmänner.
Und nun stellen Sie sich bitte vor, wie entzückend das aussieht, wenn hinter
der langsam wälzenden Dame der ganze Schwanz in rasendem Wirbel herum¬
saust. Ein blendendes Schauspiel. Jede Dame ein Kometenstern."

„Das kann man sich wohl denken," pflichtet die Frau Rendant mir bei.

In diesem Augenblicke fährt auf die Tischplatte eine kräftige Männerfaust
nieder, daß die Tassen vor Schreck emporhüpfen, und der Kaufmann Fredrich
schreit den Inspektor Fabian an: „Das verbitte ich mir, Herr! Wenn Sie meine
Tochter heiraten wollen, dann machen Sie ihr einen Antrag, wie sich das
gehört I Aber Sie haben .Pussel' zu ihr gesagt. Meine Tochter ist kein Pussel,
Sie, Sie —! Haben Sie mich verstanden?"

Der Inspektor will etwas erwidern, findet aber den rechten Ton nicht,
und das Fest scheint mit einem Mißklange enden zu sollen. Da klopfe ich an
meine Tasse, bekomme auch bald Gehör und erkläre, daß sich Herr Fredrich in
einem Irrtum befindet. „Die Bezeichnung .Pufsel'", sage ich, „war auf eben
jenem Hofball des Großherzogs von Honolulu, von dem ich vorhin zu sprechen
das Vergnügen hatte, die offizielle Anrede an alle Damen. Genau so, wie
man hier, um sich artig zu bezeigen, ^gnädiges Fräulein' und .gnädige Frau'
sagt, hieß es dort nicht anders als .lenziger Pussel' und .betagter Pussel'. Eine
Ausnahme machte allein die Frau Großherzogin, die die Ehrenbezeichnung
.Durchlauchtigste Pusselina' trug."

„Da haben sich." wandte sich Doktor Henschel lachend dem Kaufmann
Fredrich zu. „Das lassen Sie sich einrahmen!"

„Haben Sie das gewußt?" frug Fredrich seinen Gegner.

„Selbstredend," erwiderte der in stolzer Herablassung.

„Dann erkläre ich mich für einen Flegel, und wir vertragen uns." Sie
reichten sich die Hände und waren versöhnt.

Ich aber soll in noch vorgerückter Stunde, als wieder der Sekt zur
Herrschaft gekommen war, eine merkwürdige Rede auf die Damen gehalten
haben, in der ich die Mütter als „hochehrbare" und die Töchter als „wonne¬
same Pussel" gefeiert habe. Mir geht das in der Erinnerung ein bißchen
durcheinander.

Als ich ins Bett stieg, krähte der Hahn. Als ich erwachte, stand die
Sonne hoch am Himmel, und die Geister des Alkohols trieben in meinem Hirn
ihr neckisches Nachspiel. Als ich frühstückte, ging es nicht ohne einen Hering.


Schluß. Herzlichen Gruß Dir und Deiner Braut. Dein Edward.

(Fortsetzung folgt)




Grenzboten l 1S1328
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[0437] Briefe aus Trebeldorf „Prachtvoll," versicherte ich. „Jede Schleppe wird getragen von vier bis sechs Edelknaben. Einige benutzen auch für den Zweck dressierte Dienstmänner. Und nun stellen Sie sich bitte vor, wie entzückend das aussieht, wenn hinter der langsam wälzenden Dame der ganze Schwanz in rasendem Wirbel herum¬ saust. Ein blendendes Schauspiel. Jede Dame ein Kometenstern." „Das kann man sich wohl denken," pflichtet die Frau Rendant mir bei. In diesem Augenblicke fährt auf die Tischplatte eine kräftige Männerfaust nieder, daß die Tassen vor Schreck emporhüpfen, und der Kaufmann Fredrich schreit den Inspektor Fabian an: „Das verbitte ich mir, Herr! Wenn Sie meine Tochter heiraten wollen, dann machen Sie ihr einen Antrag, wie sich das gehört I Aber Sie haben .Pussel' zu ihr gesagt. Meine Tochter ist kein Pussel, Sie, Sie —! Haben Sie mich verstanden?" Der Inspektor will etwas erwidern, findet aber den rechten Ton nicht, und das Fest scheint mit einem Mißklange enden zu sollen. Da klopfe ich an meine Tasse, bekomme auch bald Gehör und erkläre, daß sich Herr Fredrich in einem Irrtum befindet. „Die Bezeichnung .Pufsel'", sage ich, „war auf eben jenem Hofball des Großherzogs von Honolulu, von dem ich vorhin zu sprechen das Vergnügen hatte, die offizielle Anrede an alle Damen. Genau so, wie man hier, um sich artig zu bezeigen, ^gnädiges Fräulein' und .gnädige Frau' sagt, hieß es dort nicht anders als .lenziger Pussel' und .betagter Pussel'. Eine Ausnahme machte allein die Frau Großherzogin, die die Ehrenbezeichnung .Durchlauchtigste Pusselina' trug." „Da haben sich." wandte sich Doktor Henschel lachend dem Kaufmann Fredrich zu. „Das lassen Sie sich einrahmen!" „Haben Sie das gewußt?" frug Fredrich seinen Gegner. „Selbstredend," erwiderte der in stolzer Herablassung. „Dann erkläre ich mich für einen Flegel, und wir vertragen uns." Sie reichten sich die Hände und waren versöhnt. Ich aber soll in noch vorgerückter Stunde, als wieder der Sekt zur Herrschaft gekommen war, eine merkwürdige Rede auf die Damen gehalten haben, in der ich die Mütter als „hochehrbare" und die Töchter als „wonne¬ same Pussel" gefeiert habe. Mir geht das in der Erinnerung ein bißchen durcheinander. Als ich ins Bett stieg, krähte der Hahn. Als ich erwachte, stand die Sonne hoch am Himmel, und die Geister des Alkohols trieben in meinem Hirn ihr neckisches Nachspiel. Als ich frühstückte, ging es nicht ohne einen Hering. Schluß. Herzlichen Gruß Dir und Deiner Braut. Dein Edward. (Fortsetzung folgt) Grenzboten l 1S1328

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/437>, abgerufen am 28.06.2024.