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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Briefe aus Trebeldorf

neue Garnitur Wäsche an, und dann kam die zweite Runde. Immer herum!
Immer herum!

Diesmal führte ich Josepha Pluderig beim Lancier. Du entsinnst Dich
vielleicht. Sie ist die Erhabene, die beim Einzuge des Landrath die Sprecherin
sein soll. Ihre Erscheinung ist das gerade Gegenteil zu der kleinen Veronika.
Sie ist eine Riesin, macht aber im übrigen den Eindruck, als käme sie geraden-
wegs aus den sieben bösen Hungerjahren des Nillandes. Drum ist wohl auch
die Ernährungsfrage in ihrem jungen Dasein von solcher Wichtigkeit. Sie
verriet mir, daß ihre Eltern in der vergangenen Woche ein Schwein von drei-
hundertneunundstebzig Pfund geschlachtet hätten.

"Donnerwetter!" sprach ich und mag dazu ein weidlich dummes Geficht
gemacht haben.

Lachend fragte sie: "Haben Sie schon mal ein solches Schwein gesehen?"

"Nicht daß ich wüßte, meine Gnädigste."

"Unsere Biester sind immer so groß. Wir haben Glück damit. -- Ach,
und Würste hat das gegeben, und Schinken haben an dem Vieh gesessen! --
Sagen Sie, Herr Korrektor, haben Sie schon mal so'n rechten, großen, saftigen
Schinken so richtig angesehen? -- Wie ein Gedicht!"

"Und wenigstens was Reelles," sprach ich.

"Ja, nicht wahr? Ich hab schon immer zu Vater gesagt, das Schwein
wird jawohl zu und zu dick. Das hätte mir eigentlich 'n bißchen von seiner
Fettigkeit abgeben können. -- Finden Sie nicht auch, Herr Korrektor, daß ich
für meine Größe reichlich mager bin?"

"Aber ich bitte Sie, meine Teuerste! Ich habe schon den ganzen Abend
Ihre amazonenhafte Gestalt geradezu bewundert."

"Amazonenhaft? Wie ist das?"

"Nun, das ist, wenn man recht schlank und geschmeidig ist."

"Meinen Sie? -- Ach Gott, ach Gott, ne, Herr Korrektor, wie ich mich
aber doch auf die Mettwurst freue!"

"Wer wills Ihnen verdenken!"

"Nicht wahr? -- Sie mögen doch auch gerne Mettwurst?"

"O gewiß, gewiß."

"Und nun erst die Tollatschen! -- Ach!" Sie legte begeistert die Hand
auf den abwesenden Busen.

"Tollatschen?". frug ich, "was ist das?"

Sie lachte hell auf. "Kennen Sie wirklich keine Tollatschen?"

"Habe wahrhaftig nicht die Ehre."

"O, dann müssen Sie zu uns kommen. Sie sollen bei uns Tollatschen
essen. Von mir selbst geknetet."

Ich verneigte mich: "Dank für die Güte. Aber ich weiß noch immer
nicht --"


Briefe aus Trebeldorf

neue Garnitur Wäsche an, und dann kam die zweite Runde. Immer herum!
Immer herum!

Diesmal führte ich Josepha Pluderig beim Lancier. Du entsinnst Dich
vielleicht. Sie ist die Erhabene, die beim Einzuge des Landrath die Sprecherin
sein soll. Ihre Erscheinung ist das gerade Gegenteil zu der kleinen Veronika.
Sie ist eine Riesin, macht aber im übrigen den Eindruck, als käme sie geraden-
wegs aus den sieben bösen Hungerjahren des Nillandes. Drum ist wohl auch
die Ernährungsfrage in ihrem jungen Dasein von solcher Wichtigkeit. Sie
verriet mir, daß ihre Eltern in der vergangenen Woche ein Schwein von drei-
hundertneunundstebzig Pfund geschlachtet hätten.

„Donnerwetter!" sprach ich und mag dazu ein weidlich dummes Geficht
gemacht haben.

Lachend fragte sie: „Haben Sie schon mal ein solches Schwein gesehen?"

„Nicht daß ich wüßte, meine Gnädigste."

„Unsere Biester sind immer so groß. Wir haben Glück damit. — Ach,
und Würste hat das gegeben, und Schinken haben an dem Vieh gesessen! —
Sagen Sie, Herr Korrektor, haben Sie schon mal so'n rechten, großen, saftigen
Schinken so richtig angesehen? — Wie ein Gedicht!"

„Und wenigstens was Reelles," sprach ich.

„Ja, nicht wahr? Ich hab schon immer zu Vater gesagt, das Schwein
wird jawohl zu und zu dick. Das hätte mir eigentlich 'n bißchen von seiner
Fettigkeit abgeben können. — Finden Sie nicht auch, Herr Korrektor, daß ich
für meine Größe reichlich mager bin?"

„Aber ich bitte Sie, meine Teuerste! Ich habe schon den ganzen Abend
Ihre amazonenhafte Gestalt geradezu bewundert."

„Amazonenhaft? Wie ist das?"

„Nun, das ist, wenn man recht schlank und geschmeidig ist."

„Meinen Sie? — Ach Gott, ach Gott, ne, Herr Korrektor, wie ich mich
aber doch auf die Mettwurst freue!"

„Wer wills Ihnen verdenken!"

„Nicht wahr? — Sie mögen doch auch gerne Mettwurst?"

„O gewiß, gewiß."

„Und nun erst die Tollatschen! — Ach!" Sie legte begeistert die Hand
auf den abwesenden Busen.

„Tollatschen?". frug ich, „was ist das?"

Sie lachte hell auf. „Kennen Sie wirklich keine Tollatschen?"

„Habe wahrhaftig nicht die Ehre."

„O, dann müssen Sie zu uns kommen. Sie sollen bei uns Tollatschen
essen. Von mir selbst geknetet."

Ich verneigte mich: „Dank für die Güte. Aber ich weiß noch immer
nicht —"


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[0434] Briefe aus Trebeldorf neue Garnitur Wäsche an, und dann kam die zweite Runde. Immer herum! Immer herum! Diesmal führte ich Josepha Pluderig beim Lancier. Du entsinnst Dich vielleicht. Sie ist die Erhabene, die beim Einzuge des Landrath die Sprecherin sein soll. Ihre Erscheinung ist das gerade Gegenteil zu der kleinen Veronika. Sie ist eine Riesin, macht aber im übrigen den Eindruck, als käme sie geraden- wegs aus den sieben bösen Hungerjahren des Nillandes. Drum ist wohl auch die Ernährungsfrage in ihrem jungen Dasein von solcher Wichtigkeit. Sie verriet mir, daß ihre Eltern in der vergangenen Woche ein Schwein von drei- hundertneunundstebzig Pfund geschlachtet hätten. „Donnerwetter!" sprach ich und mag dazu ein weidlich dummes Geficht gemacht haben. Lachend fragte sie: „Haben Sie schon mal ein solches Schwein gesehen?" „Nicht daß ich wüßte, meine Gnädigste." „Unsere Biester sind immer so groß. Wir haben Glück damit. — Ach, und Würste hat das gegeben, und Schinken haben an dem Vieh gesessen! — Sagen Sie, Herr Korrektor, haben Sie schon mal so'n rechten, großen, saftigen Schinken so richtig angesehen? — Wie ein Gedicht!" „Und wenigstens was Reelles," sprach ich. „Ja, nicht wahr? Ich hab schon immer zu Vater gesagt, das Schwein wird jawohl zu und zu dick. Das hätte mir eigentlich 'n bißchen von seiner Fettigkeit abgeben können. — Finden Sie nicht auch, Herr Korrektor, daß ich für meine Größe reichlich mager bin?" „Aber ich bitte Sie, meine Teuerste! Ich habe schon den ganzen Abend Ihre amazonenhafte Gestalt geradezu bewundert." „Amazonenhaft? Wie ist das?" „Nun, das ist, wenn man recht schlank und geschmeidig ist." „Meinen Sie? — Ach Gott, ach Gott, ne, Herr Korrektor, wie ich mich aber doch auf die Mettwurst freue!" „Wer wills Ihnen verdenken!" „Nicht wahr? — Sie mögen doch auch gerne Mettwurst?" „O gewiß, gewiß." „Und nun erst die Tollatschen! — Ach!" Sie legte begeistert die Hand auf den abwesenden Busen. „Tollatschen?". frug ich, „was ist das?" Sie lachte hell auf. „Kennen Sie wirklich keine Tollatschen?" „Habe wahrhaftig nicht die Ehre." „O, dann müssen Sie zu uns kommen. Sie sollen bei uns Tollatschen essen. Von mir selbst geknetet." Ich verneigte mich: „Dank für die Güte. Aber ich weiß noch immer nicht —"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/434>, abgerufen am 22.12.2024.