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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Kolonialer Fortschritt im Zähre ^y^2

In Togo hat sich der Außenhandel ganz ansehnlich gehoben, trotzdem der
Einsturz der Landungsbrücke dem Verkehr nicht geringe Hindernisse bereitete.
An der Steigerung der Ausfuhr war namentlich die erhöhte Produktion von
Palmöl und Palmkernen beteiligt, die augenscheinlich auf die Wirkung der
Eisenbahnen zurückzuführen ist. Um so mehr muß man den oben erwähnten
Schrei nach der Eisenbahn für die Nordbezirke der Beachtung enrpfehlen.

In Neuguinea ein kleiner Rückgang des Außenhandels, hauptsächlich zurück¬
zuführen auf den starken Rückgang der Phosphatgewinnung auf den Marschall¬
inseln. Dieser Ausfall ist aber vorübergehend. Ungünstige Witterungsverhältnisse
behinderten die Aufbereitung des Phosphats. Durch Anlage von großen Trocken¬
schuppen wird gegenwärtig Vorsorge für gleichmäßigen Abbau getroffen.

Auf Samoa ist im Berichtsjahr der alte Oberhäuptling Mataafa gestorben.
Da aber der Posten nicht wieder besetzt wurde, so hat es keine Streitigkeiten
unter den Eingeborenen, also auch keine Störungen im Wirtschaftsleben gegeben.
Der Außenhandel hat einen überraschenden Aufschwung genommen. Einer
ansehnlichen Steigerung der Kopra- und Kakaoproduktion ist dies zu verdanken.
Auch sonst geht die Plantagenwirtschaft vorwärts.

Nun noch ein paar Worte über den Kolonialetat für 1913. Viel besonderes
bietet er nicht, obwohl die mancherlei Umwälzungen des letzten Jahres auch
auf dem Gebiet des Kolonialhaushalts Veränderungen hätten erwarten lassen
sollen. Aber vielleicht kommt das erst im nächsten Jahre. Man muß immer
in Betracht ziehen, daß die Entfernungen zwischen Mutterland und Kolonien
eine rasche Verständigung erschweren. Bei Aufstellung des Etats von Südwest¬
afrika, dem der Ausfall an Diamantenabgaben recht weh getan hat, mag der
Verwaltung ein wenig warm geworden sein, namentlich weil man im Reichstage
schon lange ein scharfes Auge auf diesen willkommenen Angriffspunkt geworfen
hat. Doch Dr. Sols ist nicht daran schuld und braucht sich darum keine grauen
Haare wachsen zu lassen. Insofern hat die Kolonialverwaltung Glück. In
Kamerun ist eine Vermehrung der Schutztruppe mit Recht vorgesehen, denn
Neu-Kamerun ist groß und will behütet sein.

Auch gegen die Vermehrung der Polizeitruppe auf Neuguinea läßt sich
nichts sagen, sie war seither ihrer Aufgabe entschieden nicht entfernt gewachsen.
Der Sturm auf die Schutztruppe von Südwest ist abgeschlagen. Auf den
Beschluß des Reichstags vom Mai 1912, der eine Verminderung der Schutz¬
truppe fordert, hat der Bundesrat eine ablehnende Antwort erteilt. Er stellt
sich mit Recht auf den Standpunkt, daß wir in dieser Beziehung nicht in den
früheren Fehler zurückoerfallen wollen. Weder Hereros noch Hottentotten haben
sich mit ihrer verschlechterten Lage abgefunden und würden sich sofort empören,
sobald sie sich der Truppe, die heute nicht einmal mehr zweitausend Mann
beträgt, gewachsen fühlten. Für derartige Etatskunststttcke kann eine gewissen¬
hafte Verwaltung die Verantwortung nicht übernehmen. Auf diesen Etat näher
einzugehen, erübrigt sich im Hinblick auf die erheblichen Veränderungen, die an


Kolonialer Fortschritt im Zähre ^y^2

In Togo hat sich der Außenhandel ganz ansehnlich gehoben, trotzdem der
Einsturz der Landungsbrücke dem Verkehr nicht geringe Hindernisse bereitete.
An der Steigerung der Ausfuhr war namentlich die erhöhte Produktion von
Palmöl und Palmkernen beteiligt, die augenscheinlich auf die Wirkung der
Eisenbahnen zurückzuführen ist. Um so mehr muß man den oben erwähnten
Schrei nach der Eisenbahn für die Nordbezirke der Beachtung enrpfehlen.

In Neuguinea ein kleiner Rückgang des Außenhandels, hauptsächlich zurück¬
zuführen auf den starken Rückgang der Phosphatgewinnung auf den Marschall¬
inseln. Dieser Ausfall ist aber vorübergehend. Ungünstige Witterungsverhältnisse
behinderten die Aufbereitung des Phosphats. Durch Anlage von großen Trocken¬
schuppen wird gegenwärtig Vorsorge für gleichmäßigen Abbau getroffen.

Auf Samoa ist im Berichtsjahr der alte Oberhäuptling Mataafa gestorben.
Da aber der Posten nicht wieder besetzt wurde, so hat es keine Streitigkeiten
unter den Eingeborenen, also auch keine Störungen im Wirtschaftsleben gegeben.
Der Außenhandel hat einen überraschenden Aufschwung genommen. Einer
ansehnlichen Steigerung der Kopra- und Kakaoproduktion ist dies zu verdanken.
Auch sonst geht die Plantagenwirtschaft vorwärts.

Nun noch ein paar Worte über den Kolonialetat für 1913. Viel besonderes
bietet er nicht, obwohl die mancherlei Umwälzungen des letzten Jahres auch
auf dem Gebiet des Kolonialhaushalts Veränderungen hätten erwarten lassen
sollen. Aber vielleicht kommt das erst im nächsten Jahre. Man muß immer
in Betracht ziehen, daß die Entfernungen zwischen Mutterland und Kolonien
eine rasche Verständigung erschweren. Bei Aufstellung des Etats von Südwest¬
afrika, dem der Ausfall an Diamantenabgaben recht weh getan hat, mag der
Verwaltung ein wenig warm geworden sein, namentlich weil man im Reichstage
schon lange ein scharfes Auge auf diesen willkommenen Angriffspunkt geworfen
hat. Doch Dr. Sols ist nicht daran schuld und braucht sich darum keine grauen
Haare wachsen zu lassen. Insofern hat die Kolonialverwaltung Glück. In
Kamerun ist eine Vermehrung der Schutztruppe mit Recht vorgesehen, denn
Neu-Kamerun ist groß und will behütet sein.

Auch gegen die Vermehrung der Polizeitruppe auf Neuguinea läßt sich
nichts sagen, sie war seither ihrer Aufgabe entschieden nicht entfernt gewachsen.
Der Sturm auf die Schutztruppe von Südwest ist abgeschlagen. Auf den
Beschluß des Reichstags vom Mai 1912, der eine Verminderung der Schutz¬
truppe fordert, hat der Bundesrat eine ablehnende Antwort erteilt. Er stellt
sich mit Recht auf den Standpunkt, daß wir in dieser Beziehung nicht in den
früheren Fehler zurückoerfallen wollen. Weder Hereros noch Hottentotten haben
sich mit ihrer verschlechterten Lage abgefunden und würden sich sofort empören,
sobald sie sich der Truppe, die heute nicht einmal mehr zweitausend Mann
beträgt, gewachsen fühlten. Für derartige Etatskunststttcke kann eine gewissen¬
hafte Verwaltung die Verantwortung nicht übernehmen. Auf diesen Etat näher
einzugehen, erübrigt sich im Hinblick auf die erheblichen Veränderungen, die an


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[0412] Kolonialer Fortschritt im Zähre ^y^2 In Togo hat sich der Außenhandel ganz ansehnlich gehoben, trotzdem der Einsturz der Landungsbrücke dem Verkehr nicht geringe Hindernisse bereitete. An der Steigerung der Ausfuhr war namentlich die erhöhte Produktion von Palmöl und Palmkernen beteiligt, die augenscheinlich auf die Wirkung der Eisenbahnen zurückzuführen ist. Um so mehr muß man den oben erwähnten Schrei nach der Eisenbahn für die Nordbezirke der Beachtung enrpfehlen. In Neuguinea ein kleiner Rückgang des Außenhandels, hauptsächlich zurück¬ zuführen auf den starken Rückgang der Phosphatgewinnung auf den Marschall¬ inseln. Dieser Ausfall ist aber vorübergehend. Ungünstige Witterungsverhältnisse behinderten die Aufbereitung des Phosphats. Durch Anlage von großen Trocken¬ schuppen wird gegenwärtig Vorsorge für gleichmäßigen Abbau getroffen. Auf Samoa ist im Berichtsjahr der alte Oberhäuptling Mataafa gestorben. Da aber der Posten nicht wieder besetzt wurde, so hat es keine Streitigkeiten unter den Eingeborenen, also auch keine Störungen im Wirtschaftsleben gegeben. Der Außenhandel hat einen überraschenden Aufschwung genommen. Einer ansehnlichen Steigerung der Kopra- und Kakaoproduktion ist dies zu verdanken. Auch sonst geht die Plantagenwirtschaft vorwärts. Nun noch ein paar Worte über den Kolonialetat für 1913. Viel besonderes bietet er nicht, obwohl die mancherlei Umwälzungen des letzten Jahres auch auf dem Gebiet des Kolonialhaushalts Veränderungen hätten erwarten lassen sollen. Aber vielleicht kommt das erst im nächsten Jahre. Man muß immer in Betracht ziehen, daß die Entfernungen zwischen Mutterland und Kolonien eine rasche Verständigung erschweren. Bei Aufstellung des Etats von Südwest¬ afrika, dem der Ausfall an Diamantenabgaben recht weh getan hat, mag der Verwaltung ein wenig warm geworden sein, namentlich weil man im Reichstage schon lange ein scharfes Auge auf diesen willkommenen Angriffspunkt geworfen hat. Doch Dr. Sols ist nicht daran schuld und braucht sich darum keine grauen Haare wachsen zu lassen. Insofern hat die Kolonialverwaltung Glück. In Kamerun ist eine Vermehrung der Schutztruppe mit Recht vorgesehen, denn Neu-Kamerun ist groß und will behütet sein. Auch gegen die Vermehrung der Polizeitruppe auf Neuguinea läßt sich nichts sagen, sie war seither ihrer Aufgabe entschieden nicht entfernt gewachsen. Der Sturm auf die Schutztruppe von Südwest ist abgeschlagen. Auf den Beschluß des Reichstags vom Mai 1912, der eine Verminderung der Schutz¬ truppe fordert, hat der Bundesrat eine ablehnende Antwort erteilt. Er stellt sich mit Recht auf den Standpunkt, daß wir in dieser Beziehung nicht in den früheren Fehler zurückoerfallen wollen. Weder Hereros noch Hottentotten haben sich mit ihrer verschlechterten Lage abgefunden und würden sich sofort empören, sobald sie sich der Truppe, die heute nicht einmal mehr zweitausend Mann beträgt, gewachsen fühlten. Für derartige Etatskunststttcke kann eine gewissen¬ hafte Verwaltung die Verantwortung nicht übernehmen. Auf diesen Etat näher einzugehen, erübrigt sich im Hinblick auf die erheblichen Veränderungen, die an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/412>, abgerufen am 29.06.2024.