Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.Kolonialer Fortschritt im Jahre 5952 geringeren Ergiebigkeit der Diamantenfelder nicht mehr entsprechenden Brutto¬ Kamerun steht natürlich unter dem Eindruck der Neuerwerbungen. Die Kolonialer Fortschritt im Jahre 5952 geringeren Ergiebigkeit der Diamantenfelder nicht mehr entsprechenden Brutto¬ Kamerun steht natürlich unter dem Eindruck der Neuerwerbungen. Die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0411" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325281"/> <fw type="header" place="top"> Kolonialer Fortschritt im Jahre 5952</fw><lb/> <p xml:id="ID_1815" prev="#ID_1814"> geringeren Ergiebigkeit der Diamantenfelder nicht mehr entsprechenden Brutto¬<lb/> abgaben in Nettoabgaben umzuwandeln, und lieber grundsätzlich zusah, wie ein<lb/> Diamantenfeld nach dem anderen den Betrieb einstellte. Nicht nur der Fiskus<lb/> der Kolonie hat dadurch einen fühlbaren Ausfall erlitten, sondern auch das<lb/> Wirtschaftsleben der Kolonie infolge zahlreicher Entlassungen von Angestellten<lb/> und Arbeitern, nicht zu vergessen die Diamantengesellschaften selbst. Sie mögen<lb/> sich beim Gouverneur bedanken! Nach Ernennung von Dr. Sols kam Leben<lb/> in die Sache und heute sind die Nettoabgaben eingeführt, rückwirkend bis zum<lb/> 1. Januar 1912. — Auch der Farmwirtschaft winkt Erlösung aus ihrer Stagnation<lb/> durch die kommende Kreditorganisation. Freilich bleibt für sie noch eine Lebens¬<lb/> frage zu lösen, an die niemand ernstlich heranwill: was wird aus dem Fleisch¬<lb/> überschuß, den die Kolonie in absehbarer Zeit produziert? Der Respekt vor den<lb/> heimischen Agrariern wirkt bis hinüber in die Kolonie. Diese betrachten das<lb/> Mutterland als ihre alleinige Domäne, fremdes Fleisch darf nicht herein, auch<lb/> kein deutsch-südwestafrikanisches. Wird den Herren nicht viel helfen. Auch die<lb/> südwestdeutschen Farmer sind deutsche Landwirte, die im Notfall zu Hause ein<lb/> Absatzgebiet beanspruchen dürfen. Wir sagen im Notfall! Denn vorläufig finden<lb/> wir in der Einfuhrstatistik der Kolonie noch verschiedene Posten im Werte von<lb/> zusammen 2,4 Mill. Mark für Fleisch, Fleischwaren u. tgi., also Waren, die<lb/> unschwer in der Kolonie selbst hergestellt werden könnten. Technisch ist dies<lb/> durchaus möglich. Mögen die Farmer schon heute anfangen, sich in der Ver¬<lb/> arbeitung ihres Fleisches in Konserven im Kleinen zu üben und dieses in der<lb/> Kolonie auf den Markt zu bringen; im Genossenschafts wege kann diese Wirt¬<lb/> schaftsform dann in gewerbliche Form übergeführt werden. Und eines Tages,<lb/> wenn ein wirklicher Überschuß da ist, werden die südwestafrikanischen Fleisch-<lb/> konseroen im Mutterlande, namentlich vom Militärfiskus, gern aufgenommen<lb/> werden. Alles andere wird sich schon finden, wenn die Südwestafrikaner sich<lb/> nicht von den Sendboten des Bundes der Landwirte irre machen lassen. Wie<lb/> singt doch Scheffel: „Man kanns doch noch zu etwas bringen, wenn man nur<lb/> herzhaftiglich drückt!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1816"> Kamerun steht natürlich unter dem Eindruck der Neuerwerbungen. Die<lb/> Lebensfrage ist hier eine reine Verkehrsfrage. Schlecht ist der Zuwachs trotz<lb/> aller früheren Lamentationen der Marokko-Enthusiasten nicht. Auf alle Fälle sind<lb/> die Jagdgründe der Kautschukinteressenten erheblich erweitert; im übrigen wartet<lb/> alles auf neue Eisenbahnvorlagen, die ja wohl nach dem Solfschen Programm<lb/> nicht lange auf sich warten lassen dürften. Einstweilen dürfte der Kautschuk<lb/> aus dem neuen Gebiet die Ausfuhrstatistik verbessern und den Entschluß zur<lb/> Investition von Kapitalien für Verkehrsanlagen erweitern. Für 11 Mill. Mark<lb/> Kautschuk ist im verflossenen Berichtsjahre aus der Kolonie ausgeführt worden,<lb/> das ist mehr als die Hälfte der ganzen Ausfuhr. Auch sonst geht es langsam<lb/> aber stetig vorwärts mit Kakao, Palmöl und Palmkernen usw. Bis jetzt sind<lb/> etwa 250 Kilometer Eisenbahn fertig, kann man da mehr verlangen?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0411]
Kolonialer Fortschritt im Jahre 5952
geringeren Ergiebigkeit der Diamantenfelder nicht mehr entsprechenden Brutto¬
abgaben in Nettoabgaben umzuwandeln, und lieber grundsätzlich zusah, wie ein
Diamantenfeld nach dem anderen den Betrieb einstellte. Nicht nur der Fiskus
der Kolonie hat dadurch einen fühlbaren Ausfall erlitten, sondern auch das
Wirtschaftsleben der Kolonie infolge zahlreicher Entlassungen von Angestellten
und Arbeitern, nicht zu vergessen die Diamantengesellschaften selbst. Sie mögen
sich beim Gouverneur bedanken! Nach Ernennung von Dr. Sols kam Leben
in die Sache und heute sind die Nettoabgaben eingeführt, rückwirkend bis zum
1. Januar 1912. — Auch der Farmwirtschaft winkt Erlösung aus ihrer Stagnation
durch die kommende Kreditorganisation. Freilich bleibt für sie noch eine Lebens¬
frage zu lösen, an die niemand ernstlich heranwill: was wird aus dem Fleisch¬
überschuß, den die Kolonie in absehbarer Zeit produziert? Der Respekt vor den
heimischen Agrariern wirkt bis hinüber in die Kolonie. Diese betrachten das
Mutterland als ihre alleinige Domäne, fremdes Fleisch darf nicht herein, auch
kein deutsch-südwestafrikanisches. Wird den Herren nicht viel helfen. Auch die
südwestdeutschen Farmer sind deutsche Landwirte, die im Notfall zu Hause ein
Absatzgebiet beanspruchen dürfen. Wir sagen im Notfall! Denn vorläufig finden
wir in der Einfuhrstatistik der Kolonie noch verschiedene Posten im Werte von
zusammen 2,4 Mill. Mark für Fleisch, Fleischwaren u. tgi., also Waren, die
unschwer in der Kolonie selbst hergestellt werden könnten. Technisch ist dies
durchaus möglich. Mögen die Farmer schon heute anfangen, sich in der Ver¬
arbeitung ihres Fleisches in Konserven im Kleinen zu üben und dieses in der
Kolonie auf den Markt zu bringen; im Genossenschafts wege kann diese Wirt¬
schaftsform dann in gewerbliche Form übergeführt werden. Und eines Tages,
wenn ein wirklicher Überschuß da ist, werden die südwestafrikanischen Fleisch-
konseroen im Mutterlande, namentlich vom Militärfiskus, gern aufgenommen
werden. Alles andere wird sich schon finden, wenn die Südwestafrikaner sich
nicht von den Sendboten des Bundes der Landwirte irre machen lassen. Wie
singt doch Scheffel: „Man kanns doch noch zu etwas bringen, wenn man nur
herzhaftiglich drückt!"
Kamerun steht natürlich unter dem Eindruck der Neuerwerbungen. Die
Lebensfrage ist hier eine reine Verkehrsfrage. Schlecht ist der Zuwachs trotz
aller früheren Lamentationen der Marokko-Enthusiasten nicht. Auf alle Fälle sind
die Jagdgründe der Kautschukinteressenten erheblich erweitert; im übrigen wartet
alles auf neue Eisenbahnvorlagen, die ja wohl nach dem Solfschen Programm
nicht lange auf sich warten lassen dürften. Einstweilen dürfte der Kautschuk
aus dem neuen Gebiet die Ausfuhrstatistik verbessern und den Entschluß zur
Investition von Kapitalien für Verkehrsanlagen erweitern. Für 11 Mill. Mark
Kautschuk ist im verflossenen Berichtsjahre aus der Kolonie ausgeführt worden,
das ist mehr als die Hälfte der ganzen Ausfuhr. Auch sonst geht es langsam
aber stetig vorwärts mit Kakao, Palmöl und Palmkernen usw. Bis jetzt sind
etwa 250 Kilometer Eisenbahn fertig, kann man da mehr verlangen?
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