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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Aolonialer Fortschritt im Jahre M2
Rudolf lvagner i vonn

cM! as Jahr 1912 ist für die Kolonien ein gesegnetes gewesen, nicht
so sehr wegen der im letzten Berichtsjahre 1911/12 erzielten rein
materiellen Fortschritte, wie sie in dem soeben erschienenen amt¬
lichen Jahresbericht*) zum Ausdruck kommen, sondern wegen der
in ihm gewonnenen wertvollen Erkenntnisse auf kolonialpolitischem
und kolonialwirtschaftlichem Gebiete. Das heißt, manche von diesen Erkenntnissen
sind nicht neu, aber man hatte sich ihnen an maßgebender Stelle geflissentlich
verschlossen. Und dieses Nichtsehenwollen gewisser Entwicklungsnotwendigkeiten
und Entwicklungsmöglichkeiten, das die letzte Zeit der Dernburgschen Wirk¬
samkeit kennzeichnete, drohte die großen Erfolge gerade der Ära Dernburg teil¬
weise ins Gegenteil zu verkehren. Dernburgs rein kapitalistische Anschauungs¬
weise in wirtschaftlichen Dingen, Fiskalismus und Zentralisationsdrang auf
politischem Gebiete, mußten auf die Dauer hemmend auf die freie Entwicklung
derselben Kolonien einwirken, die ihm die Grundlagen für diese Entwicklung
verdankten, die Schaffung eines großzügigen Verkehrsnetzes. Er hat es geradezu
persönlich übel genommen, als z. B. unsere Landsleute in Südwestafrika Selb-
ständigkeitsbestrebungen erkennen ließen und mehr als einmal die Vorkämpfer
der Selbstverwaltung mit bitteren und unfreundlichen Worten bedacht. Es
war ihm unbegreiflich, wie die Organisationen der Einzelpflanzer und Farmer
ebensogut das Interesse und die Fürsorge der Kolonialverwaltung für sich in
Anspruch nehmen konnten, wie großkapitalistische Unternehmungen. Mit unver¬
hohlener Ungeduld und Geringschätzung hat er die Ansprüche dieser "kleinen
Leute" behandelt und ihnen wiederholt ein kühles "hilf dir selbst", auf den Weg



") Jahresbericht über: "Die Entwicklung der deutschen Schutzgebiete 1911/12." Berlin,
E. S. Mittler u. Sohn.
Grenzboten I ISIS 26


Aolonialer Fortschritt im Jahre M2
Rudolf lvagner i vonn

cM! as Jahr 1912 ist für die Kolonien ein gesegnetes gewesen, nicht
so sehr wegen der im letzten Berichtsjahre 1911/12 erzielten rein
materiellen Fortschritte, wie sie in dem soeben erschienenen amt¬
lichen Jahresbericht*) zum Ausdruck kommen, sondern wegen der
in ihm gewonnenen wertvollen Erkenntnisse auf kolonialpolitischem
und kolonialwirtschaftlichem Gebiete. Das heißt, manche von diesen Erkenntnissen
sind nicht neu, aber man hatte sich ihnen an maßgebender Stelle geflissentlich
verschlossen. Und dieses Nichtsehenwollen gewisser Entwicklungsnotwendigkeiten
und Entwicklungsmöglichkeiten, das die letzte Zeit der Dernburgschen Wirk¬
samkeit kennzeichnete, drohte die großen Erfolge gerade der Ära Dernburg teil¬
weise ins Gegenteil zu verkehren. Dernburgs rein kapitalistische Anschauungs¬
weise in wirtschaftlichen Dingen, Fiskalismus und Zentralisationsdrang auf
politischem Gebiete, mußten auf die Dauer hemmend auf die freie Entwicklung
derselben Kolonien einwirken, die ihm die Grundlagen für diese Entwicklung
verdankten, die Schaffung eines großzügigen Verkehrsnetzes. Er hat es geradezu
persönlich übel genommen, als z. B. unsere Landsleute in Südwestafrika Selb-
ständigkeitsbestrebungen erkennen ließen und mehr als einmal die Vorkämpfer
der Selbstverwaltung mit bitteren und unfreundlichen Worten bedacht. Es
war ihm unbegreiflich, wie die Organisationen der Einzelpflanzer und Farmer
ebensogut das Interesse und die Fürsorge der Kolonialverwaltung für sich in
Anspruch nehmen konnten, wie großkapitalistische Unternehmungen. Mit unver¬
hohlener Ungeduld und Geringschätzung hat er die Ansprüche dieser „kleinen
Leute" behandelt und ihnen wiederholt ein kühles „hilf dir selbst", auf den Weg



») Jahresbericht über: „Die Entwicklung der deutschen Schutzgebiete 1911/12." Berlin,
E. S. Mittler u. Sohn.
Grenzboten I ISIS 26
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[0405] [Abbildung] Aolonialer Fortschritt im Jahre M2 Rudolf lvagner i vonn cM! as Jahr 1912 ist für die Kolonien ein gesegnetes gewesen, nicht so sehr wegen der im letzten Berichtsjahre 1911/12 erzielten rein materiellen Fortschritte, wie sie in dem soeben erschienenen amt¬ lichen Jahresbericht*) zum Ausdruck kommen, sondern wegen der in ihm gewonnenen wertvollen Erkenntnisse auf kolonialpolitischem und kolonialwirtschaftlichem Gebiete. Das heißt, manche von diesen Erkenntnissen sind nicht neu, aber man hatte sich ihnen an maßgebender Stelle geflissentlich verschlossen. Und dieses Nichtsehenwollen gewisser Entwicklungsnotwendigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten, das die letzte Zeit der Dernburgschen Wirk¬ samkeit kennzeichnete, drohte die großen Erfolge gerade der Ära Dernburg teil¬ weise ins Gegenteil zu verkehren. Dernburgs rein kapitalistische Anschauungs¬ weise in wirtschaftlichen Dingen, Fiskalismus und Zentralisationsdrang auf politischem Gebiete, mußten auf die Dauer hemmend auf die freie Entwicklung derselben Kolonien einwirken, die ihm die Grundlagen für diese Entwicklung verdankten, die Schaffung eines großzügigen Verkehrsnetzes. Er hat es geradezu persönlich übel genommen, als z. B. unsere Landsleute in Südwestafrika Selb- ständigkeitsbestrebungen erkennen ließen und mehr als einmal die Vorkämpfer der Selbstverwaltung mit bitteren und unfreundlichen Worten bedacht. Es war ihm unbegreiflich, wie die Organisationen der Einzelpflanzer und Farmer ebensogut das Interesse und die Fürsorge der Kolonialverwaltung für sich in Anspruch nehmen konnten, wie großkapitalistische Unternehmungen. Mit unver¬ hohlener Ungeduld und Geringschätzung hat er die Ansprüche dieser „kleinen Leute" behandelt und ihnen wiederholt ein kühles „hilf dir selbst", auf den Weg ») Jahresbericht über: „Die Entwicklung der deutschen Schutzgebiete 1911/12." Berlin, E. S. Mittler u. Sohn. Grenzboten I ISIS 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/405>, abgerufen am 22.12.2024.