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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Schule und Kunsterziehung

dürfen. Werden diese noch begleitet von so starken äußeren Umständen, wie
es die bisherige Gestaltung des Reiches ist, dann können wir die Welfenfrage
als erledigt betrachten, -- wenigstens in ihrer Bedeutung für das Reich und
für die Gesamtheit der Nation.

Freilich darf man nicht erwarten, daß die angebahnte staatsrechtliche Ver¬
änderung nun auch über Nacht alle Bewegung, die mit der Welfenfrage zu¬
sammenhing, zum Stillstand brächte. Die Mitkämpfer des Herzogs von
Cumberland werden wahrscheinlich nicht so einverstanden sein mit der Neuordnung
der Dinge, und die Hitzköpfe unter ihnen werden vielleicht gar aufschäumend
dagegen protestieren. Die Welfenpartei, die keine Berechtigung mehr hat, sobald
das alte Welfenprogramm, Wiederherstellung des Königreiches Hannover, fallen
gelassen wurde, wird nicht von heute auf morgen aufgelöst werden. Auch das
ist eine Frage der Zeit; aber die Zeit wird um so kürzer sein, je taktvoller von
unserer Seite, insbesondere von unseren nationalen Parteien der Genesungs-
G. Lleinow vorgang gefördert wird.




Schule und Kunsterziehung
Dr. Roland Schacht v on in

aß die Gesamtmasse unseres Volkes wieder zur Kunst erzogen
werden muß, daß von dieser Erziehung und ihren Ergebnissen
nicht nur die Zukunft der Kunst, sowie die wirtschaftliche Kraft
des deutschen Kunst- und Kunsthandwerksmarktes, sondern zum
guten Teil auch die gesamte Kulturstellung unseres Volkes ab¬
hängen wird, dessen sind sich heute die weitesten Kreise bewußt. Und schon
steht man, hier und da seit länger als einem Jahrzehnt, an der Arbeit, überall
haben wir Vorträge für das Volk über Kunst, Literatur und Musik, wir haben
billige und dabei gut gedruckte Bücher für Groß und Klein, haben Volks¬
theater, Volkskonzerte. Ein öffentlicher Bau findet allgemeines Interesse,-
eine Münze, eine Briefmarke wird auch auf ihre Schönheit hin geprüft; alles
Dinge, die vor dreißig, ja vor zwanzig Jahren noch keineswegs selbstverständlich
waren. Aber dennoch bleibt die beste Arbeit noch zu tun. auch abgesehen davon,
daß die Popularisierung der Kunst, so wie sie jetzt vielfach, von Dilettanten aus
Begeisterung, von Spekulanten um des Geschäftes willen, betrieben wird, ein
unendliches Gewebe von inhaltslosen oder verwirrten Phrasen über das Volk
ausbreitet. Denn wir werden stets eine falsche Stellung zur Kunst einnehmen.


Schule und Kunsterziehung

dürfen. Werden diese noch begleitet von so starken äußeren Umständen, wie
es die bisherige Gestaltung des Reiches ist, dann können wir die Welfenfrage
als erledigt betrachten, — wenigstens in ihrer Bedeutung für das Reich und
für die Gesamtheit der Nation.

Freilich darf man nicht erwarten, daß die angebahnte staatsrechtliche Ver¬
änderung nun auch über Nacht alle Bewegung, die mit der Welfenfrage zu¬
sammenhing, zum Stillstand brächte. Die Mitkämpfer des Herzogs von
Cumberland werden wahrscheinlich nicht so einverstanden sein mit der Neuordnung
der Dinge, und die Hitzköpfe unter ihnen werden vielleicht gar aufschäumend
dagegen protestieren. Die Welfenpartei, die keine Berechtigung mehr hat, sobald
das alte Welfenprogramm, Wiederherstellung des Königreiches Hannover, fallen
gelassen wurde, wird nicht von heute auf morgen aufgelöst werden. Auch das
ist eine Frage der Zeit; aber die Zeit wird um so kürzer sein, je taktvoller von
unserer Seite, insbesondere von unseren nationalen Parteien der Genesungs-
G. Lleinow vorgang gefördert wird.




Schule und Kunsterziehung
Dr. Roland Schacht v on in

aß die Gesamtmasse unseres Volkes wieder zur Kunst erzogen
werden muß, daß von dieser Erziehung und ihren Ergebnissen
nicht nur die Zukunft der Kunst, sowie die wirtschaftliche Kraft
des deutschen Kunst- und Kunsthandwerksmarktes, sondern zum
guten Teil auch die gesamte Kulturstellung unseres Volkes ab¬
hängen wird, dessen sind sich heute die weitesten Kreise bewußt. Und schon
steht man, hier und da seit länger als einem Jahrzehnt, an der Arbeit, überall
haben wir Vorträge für das Volk über Kunst, Literatur und Musik, wir haben
billige und dabei gut gedruckte Bücher für Groß und Klein, haben Volks¬
theater, Volkskonzerte. Ein öffentlicher Bau findet allgemeines Interesse,-
eine Münze, eine Briefmarke wird auch auf ihre Schönheit hin geprüft; alles
Dinge, die vor dreißig, ja vor zwanzig Jahren noch keineswegs selbstverständlich
waren. Aber dennoch bleibt die beste Arbeit noch zu tun. auch abgesehen davon,
daß die Popularisierung der Kunst, so wie sie jetzt vielfach, von Dilettanten aus
Begeisterung, von Spekulanten um des Geschäftes willen, betrieben wird, ein
unendliches Gewebe von inhaltslosen oder verwirrten Phrasen über das Volk
ausbreitet. Denn wir werden stets eine falsche Stellung zur Kunst einnehmen.


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[0365] Schule und Kunsterziehung dürfen. Werden diese noch begleitet von so starken äußeren Umständen, wie es die bisherige Gestaltung des Reiches ist, dann können wir die Welfenfrage als erledigt betrachten, — wenigstens in ihrer Bedeutung für das Reich und für die Gesamtheit der Nation. Freilich darf man nicht erwarten, daß die angebahnte staatsrechtliche Ver¬ änderung nun auch über Nacht alle Bewegung, die mit der Welfenfrage zu¬ sammenhing, zum Stillstand brächte. Die Mitkämpfer des Herzogs von Cumberland werden wahrscheinlich nicht so einverstanden sein mit der Neuordnung der Dinge, und die Hitzköpfe unter ihnen werden vielleicht gar aufschäumend dagegen protestieren. Die Welfenpartei, die keine Berechtigung mehr hat, sobald das alte Welfenprogramm, Wiederherstellung des Königreiches Hannover, fallen gelassen wurde, wird nicht von heute auf morgen aufgelöst werden. Auch das ist eine Frage der Zeit; aber die Zeit wird um so kürzer sein, je taktvoller von unserer Seite, insbesondere von unseren nationalen Parteien der Genesungs- G. Lleinow vorgang gefördert wird. Schule und Kunsterziehung Dr. Roland Schacht v on in aß die Gesamtmasse unseres Volkes wieder zur Kunst erzogen werden muß, daß von dieser Erziehung und ihren Ergebnissen nicht nur die Zukunft der Kunst, sowie die wirtschaftliche Kraft des deutschen Kunst- und Kunsthandwerksmarktes, sondern zum guten Teil auch die gesamte Kulturstellung unseres Volkes ab¬ hängen wird, dessen sind sich heute die weitesten Kreise bewußt. Und schon steht man, hier und da seit länger als einem Jahrzehnt, an der Arbeit, überall haben wir Vorträge für das Volk über Kunst, Literatur und Musik, wir haben billige und dabei gut gedruckte Bücher für Groß und Klein, haben Volks¬ theater, Volkskonzerte. Ein öffentlicher Bau findet allgemeines Interesse,- eine Münze, eine Briefmarke wird auch auf ihre Schönheit hin geprüft; alles Dinge, die vor dreißig, ja vor zwanzig Jahren noch keineswegs selbstverständlich waren. Aber dennoch bleibt die beste Arbeit noch zu tun. auch abgesehen davon, daß die Popularisierung der Kunst, so wie sie jetzt vielfach, von Dilettanten aus Begeisterung, von Spekulanten um des Geschäftes willen, betrieben wird, ein unendliches Gewebe von inhaltslosen oder verwirrten Phrasen über das Volk ausbreitet. Denn wir werden stets eine falsche Stellung zur Kunst einnehmen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/365>, abgerufen am 22.07.2024.