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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Metf und Waldung

im Jahre 1906 manche Sympathie für ihn erkalten lassen. Nach den vorauf¬
gegangenen Brüskierungen des Kaisers war es nun aber am Cumberländer, den
ersten Schritt zu tun. Das geschah, indem er den Eintritt seines zweiten Sohnes
in die bayerische Armee anmeldete, während sein ältester noch als Träger der reinen
Welfentradition in österreichischen Diensten stand. Im Laufe des Jahres 1909
fanden dann vielfache Verhandlungen und Besprechungen statt, die im September
mit einer Vorstellung des Prinzen beim Kaiser in München ihren vorläufigen
Abschluß fanden. Im Mai 1910 schien wieder alles bisher Unternommene
vergeblich. Gelegentlich einer Taufe zu Schwerin war ein Zusammentreffen des
Kaisers mit dem Oberhaupt der Welsen vorbereitet. Doch kurz vor den Festlich¬
keiten reiste dieses ab.

Der Tod mußte mit rauher Hand eingreifen, um den störrigen Fürsten
zu beugen. Sein ältester Sohn verlor bei einem Automobilunglück das Leben.
Der Kaiser ergriff die Gelegenheit, um dem Bruder des Verstorbenen alle
Beweise seiner menschlichen Teilnahme zu geben und ihn und die Familie mit
Gunstbezeugungen zu überschütten. Und nun kam der letzte mild ausklingende
Akt: der Wels Und die Waiblingstochter fanden Gefallen an einander. An
der wirksamen Schlußszene hat denn noch Prinz Max von Baden ausgleichend
mitgewirkt.




Die Entwicklung der Welfenfrage unter der Regierungszeit Wilhelms des
Zweiten, das ist von dem Schönbrunner Gespräch am 4. Oktober 1888, bis
zum Einzuge des Welsen in Berlin am 13. Januar 1913, als Bräutigam der
Hohenzollerntochter und preußischer Reiteroffizier ist ein ernstes, patriotisches
Schauspiel, das zu denken gibt. Den Kaiser zeigt es uns als den züh fest¬
haltenden, der keine persönliche Unannehmlichkeit scheut, wo es gilt, dem Wohle
des Vaterlandes zu nutzen.

Die Einzelheiten des Ausgleiches zwischen den Cumberländern und dem
König von Preußen sind noch nicht bekannt. Soviel scheint aber festzustehen,
daß Prinz Ernst August einen formellen feierlichen Verzicht auf Hannover nicht
geleistet hat. Ängstliche Gemüter wollen darin eine ernste Gefahr für das
Reich erblicken. Ich halte solche Bedenken für unerheblich angesichts der Tatsache,
daß der Prinz in preußische Dienste übertreten soll und den Ziethenhusaren als
Offizier angehören wird. Als preußischer Soldat muß er seinem Kontingents¬
herrn, dem Könige von Preußen, den Treueid leisten. Allein durch diesen Eid
ist er viel fester an das Haus Hohenzollern gebunden als er es je durch den
einfachen Verzicht auf Hannover gewesen wäre. Und so halten wir uns
auch in staatsrechtlicher Hinsicht für berechtigt die Neuordnung der Dinge mit
frohem Optimismus zu begrüßen. Gewiß, die eheliche Verbindung als solche
ist noch keine absolute Garantie für die Stabilität freundschaftlicher Beziehungen.
Aber sie schafft doch Interessengemeinschaften, die nicht unterschätzt werden


Metf und Waldung

im Jahre 1906 manche Sympathie für ihn erkalten lassen. Nach den vorauf¬
gegangenen Brüskierungen des Kaisers war es nun aber am Cumberländer, den
ersten Schritt zu tun. Das geschah, indem er den Eintritt seines zweiten Sohnes
in die bayerische Armee anmeldete, während sein ältester noch als Träger der reinen
Welfentradition in österreichischen Diensten stand. Im Laufe des Jahres 1909
fanden dann vielfache Verhandlungen und Besprechungen statt, die im September
mit einer Vorstellung des Prinzen beim Kaiser in München ihren vorläufigen
Abschluß fanden. Im Mai 1910 schien wieder alles bisher Unternommene
vergeblich. Gelegentlich einer Taufe zu Schwerin war ein Zusammentreffen des
Kaisers mit dem Oberhaupt der Welsen vorbereitet. Doch kurz vor den Festlich¬
keiten reiste dieses ab.

Der Tod mußte mit rauher Hand eingreifen, um den störrigen Fürsten
zu beugen. Sein ältester Sohn verlor bei einem Automobilunglück das Leben.
Der Kaiser ergriff die Gelegenheit, um dem Bruder des Verstorbenen alle
Beweise seiner menschlichen Teilnahme zu geben und ihn und die Familie mit
Gunstbezeugungen zu überschütten. Und nun kam der letzte mild ausklingende
Akt: der Wels Und die Waiblingstochter fanden Gefallen an einander. An
der wirksamen Schlußszene hat denn noch Prinz Max von Baden ausgleichend
mitgewirkt.




Die Entwicklung der Welfenfrage unter der Regierungszeit Wilhelms des
Zweiten, das ist von dem Schönbrunner Gespräch am 4. Oktober 1888, bis
zum Einzuge des Welsen in Berlin am 13. Januar 1913, als Bräutigam der
Hohenzollerntochter und preußischer Reiteroffizier ist ein ernstes, patriotisches
Schauspiel, das zu denken gibt. Den Kaiser zeigt es uns als den züh fest¬
haltenden, der keine persönliche Unannehmlichkeit scheut, wo es gilt, dem Wohle
des Vaterlandes zu nutzen.

Die Einzelheiten des Ausgleiches zwischen den Cumberländern und dem
König von Preußen sind noch nicht bekannt. Soviel scheint aber festzustehen,
daß Prinz Ernst August einen formellen feierlichen Verzicht auf Hannover nicht
geleistet hat. Ängstliche Gemüter wollen darin eine ernste Gefahr für das
Reich erblicken. Ich halte solche Bedenken für unerheblich angesichts der Tatsache,
daß der Prinz in preußische Dienste übertreten soll und den Ziethenhusaren als
Offizier angehören wird. Als preußischer Soldat muß er seinem Kontingents¬
herrn, dem Könige von Preußen, den Treueid leisten. Allein durch diesen Eid
ist er viel fester an das Haus Hohenzollern gebunden als er es je durch den
einfachen Verzicht auf Hannover gewesen wäre. Und so halten wir uns
auch in staatsrechtlicher Hinsicht für berechtigt die Neuordnung der Dinge mit
frohem Optimismus zu begrüßen. Gewiß, die eheliche Verbindung als solche
ist noch keine absolute Garantie für die Stabilität freundschaftlicher Beziehungen.
Aber sie schafft doch Interessengemeinschaften, die nicht unterschätzt werden


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[0364] Metf und Waldung im Jahre 1906 manche Sympathie für ihn erkalten lassen. Nach den vorauf¬ gegangenen Brüskierungen des Kaisers war es nun aber am Cumberländer, den ersten Schritt zu tun. Das geschah, indem er den Eintritt seines zweiten Sohnes in die bayerische Armee anmeldete, während sein ältester noch als Träger der reinen Welfentradition in österreichischen Diensten stand. Im Laufe des Jahres 1909 fanden dann vielfache Verhandlungen und Besprechungen statt, die im September mit einer Vorstellung des Prinzen beim Kaiser in München ihren vorläufigen Abschluß fanden. Im Mai 1910 schien wieder alles bisher Unternommene vergeblich. Gelegentlich einer Taufe zu Schwerin war ein Zusammentreffen des Kaisers mit dem Oberhaupt der Welsen vorbereitet. Doch kurz vor den Festlich¬ keiten reiste dieses ab. Der Tod mußte mit rauher Hand eingreifen, um den störrigen Fürsten zu beugen. Sein ältester Sohn verlor bei einem Automobilunglück das Leben. Der Kaiser ergriff die Gelegenheit, um dem Bruder des Verstorbenen alle Beweise seiner menschlichen Teilnahme zu geben und ihn und die Familie mit Gunstbezeugungen zu überschütten. Und nun kam der letzte mild ausklingende Akt: der Wels Und die Waiblingstochter fanden Gefallen an einander. An der wirksamen Schlußszene hat denn noch Prinz Max von Baden ausgleichend mitgewirkt. Die Entwicklung der Welfenfrage unter der Regierungszeit Wilhelms des Zweiten, das ist von dem Schönbrunner Gespräch am 4. Oktober 1888, bis zum Einzuge des Welsen in Berlin am 13. Januar 1913, als Bräutigam der Hohenzollerntochter und preußischer Reiteroffizier ist ein ernstes, patriotisches Schauspiel, das zu denken gibt. Den Kaiser zeigt es uns als den züh fest¬ haltenden, der keine persönliche Unannehmlichkeit scheut, wo es gilt, dem Wohle des Vaterlandes zu nutzen. Die Einzelheiten des Ausgleiches zwischen den Cumberländern und dem König von Preußen sind noch nicht bekannt. Soviel scheint aber festzustehen, daß Prinz Ernst August einen formellen feierlichen Verzicht auf Hannover nicht geleistet hat. Ängstliche Gemüter wollen darin eine ernste Gefahr für das Reich erblicken. Ich halte solche Bedenken für unerheblich angesichts der Tatsache, daß der Prinz in preußische Dienste übertreten soll und den Ziethenhusaren als Offizier angehören wird. Als preußischer Soldat muß er seinem Kontingents¬ herrn, dem Könige von Preußen, den Treueid leisten. Allein durch diesen Eid ist er viel fester an das Haus Hohenzollern gebunden als er es je durch den einfachen Verzicht auf Hannover gewesen wäre. Und so halten wir uns auch in staatsrechtlicher Hinsicht für berechtigt die Neuordnung der Dinge mit frohem Optimismus zu begrüßen. Gewiß, die eheliche Verbindung als solche ist noch keine absolute Garantie für die Stabilität freundschaftlicher Beziehungen. Aber sie schafft doch Interessengemeinschaften, die nicht unterschätzt werden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/364>, abgerufen am 24.08.2024.