Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Rechtsanwälten zusammengesetzt ist, vergehen Mit gebieterischer Notwendigkeit ergibt sich Was zur sicheren Erreichung dieses Zieles Auch die Wiedereinführung des sogenannten Bedürfnisses nicht versagt werden darf. Ist Am 13. Januar lag der Gesetzentwurf Durch eine besondere wissenschaftlich Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Rechtsanwälten zusammengesetzt ist, vergehen Mit gebieterischer Notwendigkeit ergibt sich Was zur sicheren Erreichung dieses Zieles Auch die Wiedereinführung des sogenannten Bedürfnisses nicht versagt werden darf. Ist Am 13. Januar lag der Gesetzentwurf Durch eine besondere wissenschaftlich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0354" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325224"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_1531" prev="#ID_1530"> Rechtsanwälten zusammengesetzt ist, vergehen<lb/> aber in der Regel sechs bis acht Monate.<lb/> Solange noch ist das ahnungslose Publikum<lb/> dem Rechtsrate jenes Rechtsanwalts preis¬<lb/> gegeben, solange noch darf dieser sein Wirken<lb/> als Organ der Rechtspflege in öffentlicher<lb/> Gerichtsverhandlung zur Schau stellen. Und<lb/> dieser Fall ist hier nicht etwa blosz theoretisch<lb/> konstruiert, nein, er hat sich in der Reichs¬<lb/> hauptstadt tatsächlich ereignetl</p> <p xml:id="ID_1532"> Mit gebieterischer Notwendigkeit ergibt sich<lb/> aus den geschilderten, wie klar auf der Hand<lb/> liegt, völlig unhaltbaren Zuständen die For¬<lb/> derung nach einer dem Ansehen deutscher<lb/> Justiz entsprechenden Änderung der Bestim¬<lb/> mungen über das ehrengerichtliche Verfahren<lb/> gegen Rechtsanwälte. Was in erster Linie<lb/> verlangt werden muß, das ist die Einführung<lb/> der Suspension eines Rechtsanwalts, gegen<lb/> den im Strafverfahren die öffentliche Klage<lb/> erhoben oder im ehrengerichtlichen Verfahren<lb/> in erster Instanz auf Ausschließung erkannt<lb/> worden ist. Schon diese Vorschrift wird ihre<lb/> Wirkung auf solche Rechtsanwälte nicht ver¬<lb/> fehlen, deren Auffassungen über das Wesen<lb/> und die Pflichten ihres Standes noch nicht<lb/> oder nicht mehr von dem erforderlichen Maße<lb/> sittlichen Ernstes getragen sind, und für die<lb/> Wertschätzung des Rechtsanwaltstandes wäre<lb/> viel gewonnen.^</p> <p xml:id="ID_1533"> Was zur sicheren Erreichung dieses Zieles<lb/> weiter zu geschehen hätte, bedarf eingehender<lb/> Prüfung. Überaus wünschenswert ist die<lb/> Beschleunigung des Strafverfahrens und des<lb/> ehrengerichtlichen Verfahrens gegen Rechts¬<lb/> anwälte; ein langer Schwebezustand zeitigt<lb/> ungesunde Wirkungen und ist dem Prestige<lb/> der Justiz und insonderheit des Anwalts¬<lb/> standes abträglich.</p> <p xml:id="ID_1534" next="#ID_1535"> Auch die Wiedereinführung des sogenannten<lb/> numerus olausus erscheint reiflicher Erwägung<lb/> wert. Diese viel umstrittene Einrichtung, die<lb/> in Preußen bis zum Jahre 1879 bestand,<lb/> und die die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft<lb/> nach der Bedürsnisfrage regelte, mag ihre<lb/> Schattenseiten haben; der Hebung des Standes<lb/> der Rechtsanwälte wird es indessen förder¬<lb/> licher sein, wenn bei jedem Gericht nur eine<lb/> geschlossene, dem Bedürfnis entsprechende Zahl<lb/> von Rechtsanwälten zugelassen ist, als wenn,<lb/> wie jetzt, die Zulassung wegen mangelnden</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_1535" prev="#ID_1534"> Bedürfnisses nicht versagt werden darf. Ist<lb/> es doch gerade der heute geltende Grundsatz<lb/> der freien Advokatur und der daraus na¬<lb/> mentlich in den Großstädten entspringende<lb/> Konkurrenzkampf, der manchen jungen Anwalt<lb/> vom Wege strenger Pflichterfüllung abführt<lb/> auf die abschüssige Bahn des weiten Gewissens<lb/> — ihm selbst und seinem Stande zum Unheil,<lb/> der deutschen Rechtspflege zum Schaden.<lb/><note type="byline"> Dr. zur. Lark König </note> </p> <p xml:id="ID_1536"> Am 13. Januar lag der Gesetzentwurf<lb/> betreffend das Verfahren gegen Jugendliche<lb/> dem Reichstage zur ersten Lesung vor. Auf<lb/> diesen Entwurf haben wir bereits in Heft 4<lb/> dieses Jahrgangs hingewiesen. Die Aufnahme<lb/> seitens der Parteien war ungeachtet zahlreicher<lb/> Abänderungs- und Ergänzungsvorschläge im<lb/> allgemeinen eine recht wohlwollende. Aus<lb/> den bisher bekannt gewordenen Beratungen<lb/> der achtundzwanziggliedrigen Kommission,<lb/> welcher der Entwurf überwiesen wurde, ver¬<lb/> dient der einschneidende Antrag KerschensteinerS<lb/> besondere Beachtung: die Heraufsetzung des<lb/> StrafmündigkeitSalters vom zwölften auf das<lb/> vierzehnte Lebensjahr. Die Notwendigkeit<lb/> dieser Maßnahme wird von den verschiedensten<lb/> Kreisen und Parteien seit Jahren von mannig¬<lb/> fachen Gesichtspunkten aus vertreten. (Sie<lb/> bedeutet freilich einen Eingriff ins materielle<lb/> Recht, den die Regierung offenbar in einem<lb/> Sondergesetz nicht vornehmen zu sollen<lb/> glaubte.)</p> <p xml:id="ID_1537" next="#ID_1538"> Durch eine besondere wissenschaftlich<lb/> Psychologische Untersuchung hat der am<lb/> Jugendgericht als Sachverständiger tätige<lb/> Psychiater Levy-Sust gerade diese Frage zu<lb/> beleuchten gesucht. Schon in Heft 49 des<lb/> Jahrgangs 1911 der Grenzboten hat der<lb/> Verfasser über Beobachtungen bezüglich der<lb/> sittlichen Reife der jugendlichen Angeklagten<lb/> berichtet, in der nun vorliegenden Schrift hat<lb/> er die Ergebnisse seiner Untersuchungen in<lb/> systematischer Weise dargestellt und zugleich<lb/> in ihrer Bedeutung für die Gesetzgebung aus¬<lb/> einandergesetzt. Die unter dem Titel „Die<lb/> Prüfung der sittlichen Reife jugendlicher<lb/> Angeklagter und die Reformvorschläge zum<lb/> ß SS des deutschen Strafgesetzbuches" bei<lb/> Ferdinand Ente in Stuttgart 1912 als<lb/> Sonderdruck erschienene Arbeit (PreiK 1,60 M.)</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0354]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Rechtsanwälten zusammengesetzt ist, vergehen
aber in der Regel sechs bis acht Monate.
Solange noch ist das ahnungslose Publikum
dem Rechtsrate jenes Rechtsanwalts preis¬
gegeben, solange noch darf dieser sein Wirken
als Organ der Rechtspflege in öffentlicher
Gerichtsverhandlung zur Schau stellen. Und
dieser Fall ist hier nicht etwa blosz theoretisch
konstruiert, nein, er hat sich in der Reichs¬
hauptstadt tatsächlich ereignetl
Mit gebieterischer Notwendigkeit ergibt sich
aus den geschilderten, wie klar auf der Hand
liegt, völlig unhaltbaren Zuständen die For¬
derung nach einer dem Ansehen deutscher
Justiz entsprechenden Änderung der Bestim¬
mungen über das ehrengerichtliche Verfahren
gegen Rechtsanwälte. Was in erster Linie
verlangt werden muß, das ist die Einführung
der Suspension eines Rechtsanwalts, gegen
den im Strafverfahren die öffentliche Klage
erhoben oder im ehrengerichtlichen Verfahren
in erster Instanz auf Ausschließung erkannt
worden ist. Schon diese Vorschrift wird ihre
Wirkung auf solche Rechtsanwälte nicht ver¬
fehlen, deren Auffassungen über das Wesen
und die Pflichten ihres Standes noch nicht
oder nicht mehr von dem erforderlichen Maße
sittlichen Ernstes getragen sind, und für die
Wertschätzung des Rechtsanwaltstandes wäre
viel gewonnen.^
Was zur sicheren Erreichung dieses Zieles
weiter zu geschehen hätte, bedarf eingehender
Prüfung. Überaus wünschenswert ist die
Beschleunigung des Strafverfahrens und des
ehrengerichtlichen Verfahrens gegen Rechts¬
anwälte; ein langer Schwebezustand zeitigt
ungesunde Wirkungen und ist dem Prestige
der Justiz und insonderheit des Anwalts¬
standes abträglich.
Auch die Wiedereinführung des sogenannten
numerus olausus erscheint reiflicher Erwägung
wert. Diese viel umstrittene Einrichtung, die
in Preußen bis zum Jahre 1879 bestand,
und die die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
nach der Bedürsnisfrage regelte, mag ihre
Schattenseiten haben; der Hebung des Standes
der Rechtsanwälte wird es indessen förder¬
licher sein, wenn bei jedem Gericht nur eine
geschlossene, dem Bedürfnis entsprechende Zahl
von Rechtsanwälten zugelassen ist, als wenn,
wie jetzt, die Zulassung wegen mangelnden
Bedürfnisses nicht versagt werden darf. Ist
es doch gerade der heute geltende Grundsatz
der freien Advokatur und der daraus na¬
mentlich in den Großstädten entspringende
Konkurrenzkampf, der manchen jungen Anwalt
vom Wege strenger Pflichterfüllung abführt
auf die abschüssige Bahn des weiten Gewissens
— ihm selbst und seinem Stande zum Unheil,
der deutschen Rechtspflege zum Schaden.
Dr. zur. Lark König
Am 13. Januar lag der Gesetzentwurf
betreffend das Verfahren gegen Jugendliche
dem Reichstage zur ersten Lesung vor. Auf
diesen Entwurf haben wir bereits in Heft 4
dieses Jahrgangs hingewiesen. Die Aufnahme
seitens der Parteien war ungeachtet zahlreicher
Abänderungs- und Ergänzungsvorschläge im
allgemeinen eine recht wohlwollende. Aus
den bisher bekannt gewordenen Beratungen
der achtundzwanziggliedrigen Kommission,
welcher der Entwurf überwiesen wurde, ver¬
dient der einschneidende Antrag KerschensteinerS
besondere Beachtung: die Heraufsetzung des
StrafmündigkeitSalters vom zwölften auf das
vierzehnte Lebensjahr. Die Notwendigkeit
dieser Maßnahme wird von den verschiedensten
Kreisen und Parteien seit Jahren von mannig¬
fachen Gesichtspunkten aus vertreten. (Sie
bedeutet freilich einen Eingriff ins materielle
Recht, den die Regierung offenbar in einem
Sondergesetz nicht vornehmen zu sollen
glaubte.)
Durch eine besondere wissenschaftlich
Psychologische Untersuchung hat der am
Jugendgericht als Sachverständiger tätige
Psychiater Levy-Sust gerade diese Frage zu
beleuchten gesucht. Schon in Heft 49 des
Jahrgangs 1911 der Grenzboten hat der
Verfasser über Beobachtungen bezüglich der
sittlichen Reife der jugendlichen Angeklagten
berichtet, in der nun vorliegenden Schrift hat
er die Ergebnisse seiner Untersuchungen in
systematischer Weise dargestellt und zugleich
in ihrer Bedeutung für die Gesetzgebung aus¬
einandergesetzt. Die unter dem Titel „Die
Prüfung der sittlichen Reife jugendlicher
Angeklagter und die Reformvorschläge zum
ß SS des deutschen Strafgesetzbuches" bei
Ferdinand Ente in Stuttgart 1912 als
Sonderdruck erschienene Arbeit (PreiK 1,60 M.)
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