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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Politik und Wirtschaft

Fiskus gegen die Preiserhöhung war, welche das Syndikat für das zweite
Quartal beschlossen hat.

Fast noch mehr in die Augen fallend ist die starke Steigerung der Eisen¬
industrie. Auch hier handelt es sich um eine Weltkonjunktur, die in den drei
rivalisierenden Ländern gleichmäßig in Erscheinung tritt. Deutschlands Eisen¬
erzeugung ist im letzten Jahrzehnt mit Riesenschritten vorangegangen. Ein
volles Viertel der Weltproduktion entfällt auf seinen Anteil und im Jahre 1911
hatte es sich unter Überflügelung Englands zum größten Eisenexporteur der
Welt gemacht. Das letzte Jahr hat eine abermalige Steigerung der Ausfuhr
um nahezu 20 Prozent gebracht, aber die führende Stellung hat uns gleich¬
wohl Amerika entrissen, das seine Ausfuhr mit einer unerhörten Energie in
zwei Jahren um volle zwei Drittel steigern konnte. Aber unser Vorsprung vor
England hat sich auch im letzten Jahre vergrößert und zwar so sehr, daß es
fast unmöglich erscheint, ihn wieder einzuholen. Um nicht weniger als
330 Millionen übertrifft der Aussuhrüberschuß Deutschlands den englischen.
Was aber für die deutsche Eisenindustrie besonders in das Gewicht fällt, ist
der Umstand, daß der starken Ausfuhrsteigerung eine noch größere Vermehrung
des Jnlandsverbrauchs gegenübersteht. Dieser inländische Konsum ist auf das
Doppelte der Ausfuhr angewachsen und wird von der deutschen Industrie allein
versorgt, denn die Einfuhr ist -- anders als in England -- auf ein Minimum
zurückgegangen. Dieser starke Inlandsbedarf, der freilich zum Teil auch durch
die Erweiterungsbedürfnisse der Industrie hervorgerufen ist, gibt der Eisen¬
industrie eine weit sichere und verläßlichere Grundlage, als die größte Steigerung
der Ausfuhr.

Diese außergewöhnlich günstige Weltkonjunktur befestigt in den Kreisen der
Industrie die Überzeugung, daß der augenblickliche Stillstand nur eine Pause
vor einer noch lebhafteren Aufwärtsbewegung bedeute, sobald nur die politischen
Störungen behoben seien. Diese Ansicht ist zweifellos eine zu optimistische.
Sie entspricht den Gewohnheiten der Industriellen, welche sich mitten in der
Hochkonjunktur nur schwer entschließen können, an einen Rückgang zu glauben.
Sie verkennt aber die schwierige Lage des Geldmarktes, dessen Verfassung nicht
danach angetan ist, einer verstärkten Konjunkturbewegung mit ihren enormen
Geld- und Kapitalbedürfnissen Vorschub zu leisten. Wenn die Industrie die
Sturmzeichen wieder übersieht, so wird sie Gefahr laufen, die schlimmen Er¬
sahrungen des Jahres 1907 sich erneuern zu sehen.




Freilich, auch wenn ein Umschwung kommen sollte, so findet er uns besser
gerüstet als fünf Jahre zuvor. Die wirtschaftlichen Kräfte Deutschlands sind
in kaum faßlichen Maße erstarkt. Eine von der Dresdner Bank herausgegebene
Broschüre stellt in äußerst anschaulicher Weise durch eine Aneinanderreihung
kurzer statistischer Angaben den wirtschaftlichen Aufstieg unseres Vaterlandes


Politik und Wirtschaft

Fiskus gegen die Preiserhöhung war, welche das Syndikat für das zweite
Quartal beschlossen hat.

Fast noch mehr in die Augen fallend ist die starke Steigerung der Eisen¬
industrie. Auch hier handelt es sich um eine Weltkonjunktur, die in den drei
rivalisierenden Ländern gleichmäßig in Erscheinung tritt. Deutschlands Eisen¬
erzeugung ist im letzten Jahrzehnt mit Riesenschritten vorangegangen. Ein
volles Viertel der Weltproduktion entfällt auf seinen Anteil und im Jahre 1911
hatte es sich unter Überflügelung Englands zum größten Eisenexporteur der
Welt gemacht. Das letzte Jahr hat eine abermalige Steigerung der Ausfuhr
um nahezu 20 Prozent gebracht, aber die führende Stellung hat uns gleich¬
wohl Amerika entrissen, das seine Ausfuhr mit einer unerhörten Energie in
zwei Jahren um volle zwei Drittel steigern konnte. Aber unser Vorsprung vor
England hat sich auch im letzten Jahre vergrößert und zwar so sehr, daß es
fast unmöglich erscheint, ihn wieder einzuholen. Um nicht weniger als
330 Millionen übertrifft der Aussuhrüberschuß Deutschlands den englischen.
Was aber für die deutsche Eisenindustrie besonders in das Gewicht fällt, ist
der Umstand, daß der starken Ausfuhrsteigerung eine noch größere Vermehrung
des Jnlandsverbrauchs gegenübersteht. Dieser inländische Konsum ist auf das
Doppelte der Ausfuhr angewachsen und wird von der deutschen Industrie allein
versorgt, denn die Einfuhr ist — anders als in England — auf ein Minimum
zurückgegangen. Dieser starke Inlandsbedarf, der freilich zum Teil auch durch
die Erweiterungsbedürfnisse der Industrie hervorgerufen ist, gibt der Eisen¬
industrie eine weit sichere und verläßlichere Grundlage, als die größte Steigerung
der Ausfuhr.

Diese außergewöhnlich günstige Weltkonjunktur befestigt in den Kreisen der
Industrie die Überzeugung, daß der augenblickliche Stillstand nur eine Pause
vor einer noch lebhafteren Aufwärtsbewegung bedeute, sobald nur die politischen
Störungen behoben seien. Diese Ansicht ist zweifellos eine zu optimistische.
Sie entspricht den Gewohnheiten der Industriellen, welche sich mitten in der
Hochkonjunktur nur schwer entschließen können, an einen Rückgang zu glauben.
Sie verkennt aber die schwierige Lage des Geldmarktes, dessen Verfassung nicht
danach angetan ist, einer verstärkten Konjunkturbewegung mit ihren enormen
Geld- und Kapitalbedürfnissen Vorschub zu leisten. Wenn die Industrie die
Sturmzeichen wieder übersieht, so wird sie Gefahr laufen, die schlimmen Er¬
sahrungen des Jahres 1907 sich erneuern zu sehen.




Freilich, auch wenn ein Umschwung kommen sollte, so findet er uns besser
gerüstet als fünf Jahre zuvor. Die wirtschaftlichen Kräfte Deutschlands sind
in kaum faßlichen Maße erstarkt. Eine von der Dresdner Bank herausgegebene
Broschüre stellt in äußerst anschaulicher Weise durch eine Aneinanderreihung
kurzer statistischer Angaben den wirtschaftlichen Aufstieg unseres Vaterlandes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/298>, abgerufen am 23.06.2024.