Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.Der neue Träger des Volks-Zchillerpreises berg (1911): dieser Dichter habe "das Recht auf seine Form, die ihm zur Jene zitierte Bemerkung schließt Hamecher an eine im Grunde ablehnende Der neue Träger des Volks-Zchillerpreises berg (1911): dieser Dichter habe „das Recht auf seine Form, die ihm zur Jene zitierte Bemerkung schließt Hamecher an eine im Grunde ablehnende <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0291" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325161"/> <fw type="header" place="top"> Der neue Träger des Volks-Zchillerpreises</fw><lb/> <p xml:id="ID_1208" prev="#ID_1207"> berg (1911): dieser Dichter habe „das Recht auf seine Form, die ihm zur<lb/> Vollkommenheit des künstlerischen Ausdrucks notwendig ist und ihm eigentümlich<lb/> zugehört", er habe das Recht, „jede Kritik, die ihm eine andere Form auf¬<lb/> drängen will, anstatt sein persönliches Maß zu begreifen und sein Werk von<lb/> hier aus zu beurteilen, als unberechtigt abzulehnen". Gewiß hat jeder Dichter<lb/> diese beiden Rechte; es fragt sich eben nur, wo die eigentlichen Fähigkeiten<lb/> eines jeden liegen, und ob er sie erkannt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1209" next="#ID_1210"> Jene zitierte Bemerkung schließt Hamecher an eine im Grunde ablehnende<lb/> Kritik des Eulenbergschen „Ulrich von Waldeck" an. Er erklärt nämlich dies<lb/> Drama sür einen Irrtum, für den Versuch einer Konzession. Auf den typischen<lb/> Eulenbergschen Helden und seine besondere, rein gefühlsmäßige Erlebnis- und<lb/> Äußerungsweise lasse sich eben kein „Handlungsdrama" aufbauen, wie das hier<lb/> versucht sei. ES ist zuzugeben, daß die Art und Weise dieses von Eulenberg<lb/> völlig erfundenen Waldeckschen Fürsten, seine individuelle, trotzige Verschroben¬<lb/> heit sich wunderlich dazu eignen, um eine Haupt- und Staatsaktion darauf¬<lb/> zupfropfen. Sicherlich ist hier keine historische oder politische Tragödie ent¬<lb/> standen, sondern nur eine Dichtung von einem gekrönten Sonderling, der an<lb/> seiner inneren Weichheit, Echtheit und an seiner äußeren Schroffheit, Wildheit,<lb/> Lebensunfähigkeit zugrunde geht. Sicher ist es auch richtig, daß Eulenbergs<lb/> Können sich in einzelnen Fällen wirklich nicht in der Bahn des geläufigen<lb/> Schauspiels oder Trauerspiels oder Lustspiels bewegen kann. Die Folgerung,<lb/> die sich daraus ergibt, scheint mir aber eine ganz andere zu sein, als die von<lb/> Hamecher gezogene. Gewiß, auch diejenigen seiner Dramen, in denen Eulen¬<lb/> berg sich, wie im „Ulrich von Waldeck", um große, ideentragende Stoffe bemüht,<lb/> werden wohl einen Zug individueller Verschrobenheit immer behalten, seine<lb/> Helden werden immer etwas wie Eulenberg aussehen, sie werden daher der<lb/> großen Menge nicht gefallen, vielleicht überhaupt gar nicht verständlich sein.<lb/> Trotzdem ist Eulenbergs Können seiner Hauptkraft nach viel zu sehr rein<lb/> poetisch, gestaltend, als daß man ihm dazu raten dürfte, das Groteske zu<lb/> seinem eigentlichen Felde zu machen, sich eine feststehende Mischgattung zu bilden,<lb/> ein Original sein zu wollen. Es kann Stoffe geben, die bestimmten Stimmungs¬<lb/> mischungen in Eulenberg besonders gut liegen; daraus kann denn wohl einmal<lb/> so etwas wie eine Sondergattung entstehen: im „Natürlichen Vater" hat er<lb/> seine Komödie, in „Alles um Geld" seine Tragikomödie gegeben. Behüte<lb/> aber den Dichter ein gutes Geschick oder besser seine Einsicht davor, daß er.<lb/> der viel Reichere, sich auf diese Gattungen schematisch festlegt. Wir haben bereits<lb/> mehrere Beispiele dafür, daß Eulenberg sich alles verdarb, weil er seltsam sein<lb/> wollte: „Alles um Liebe", ein Stück, das Eulenberg nach den drei Ausgaben zu<lb/> 20 Pf., zu 2,50 Mark und zu 25 Mark zu urteilen, besonders lieb sein muß,<lb/> ist meines Erachtens eine wirre Groteske ohne Sinn und Zweck, und „Belinde",<lb/> ein Stück, dessen tragische Handlung wohl fesseln könnte, hat keine Charaktere,<lb/> nicht einmal mehr poetische Situationen (die doch auch der „Natürliche Vater"</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0291]
Der neue Träger des Volks-Zchillerpreises
berg (1911): dieser Dichter habe „das Recht auf seine Form, die ihm zur
Vollkommenheit des künstlerischen Ausdrucks notwendig ist und ihm eigentümlich
zugehört", er habe das Recht, „jede Kritik, die ihm eine andere Form auf¬
drängen will, anstatt sein persönliches Maß zu begreifen und sein Werk von
hier aus zu beurteilen, als unberechtigt abzulehnen". Gewiß hat jeder Dichter
diese beiden Rechte; es fragt sich eben nur, wo die eigentlichen Fähigkeiten
eines jeden liegen, und ob er sie erkannt hat.
Jene zitierte Bemerkung schließt Hamecher an eine im Grunde ablehnende
Kritik des Eulenbergschen „Ulrich von Waldeck" an. Er erklärt nämlich dies
Drama sür einen Irrtum, für den Versuch einer Konzession. Auf den typischen
Eulenbergschen Helden und seine besondere, rein gefühlsmäßige Erlebnis- und
Äußerungsweise lasse sich eben kein „Handlungsdrama" aufbauen, wie das hier
versucht sei. ES ist zuzugeben, daß die Art und Weise dieses von Eulenberg
völlig erfundenen Waldeckschen Fürsten, seine individuelle, trotzige Verschroben¬
heit sich wunderlich dazu eignen, um eine Haupt- und Staatsaktion darauf¬
zupfropfen. Sicherlich ist hier keine historische oder politische Tragödie ent¬
standen, sondern nur eine Dichtung von einem gekrönten Sonderling, der an
seiner inneren Weichheit, Echtheit und an seiner äußeren Schroffheit, Wildheit,
Lebensunfähigkeit zugrunde geht. Sicher ist es auch richtig, daß Eulenbergs
Können sich in einzelnen Fällen wirklich nicht in der Bahn des geläufigen
Schauspiels oder Trauerspiels oder Lustspiels bewegen kann. Die Folgerung,
die sich daraus ergibt, scheint mir aber eine ganz andere zu sein, als die von
Hamecher gezogene. Gewiß, auch diejenigen seiner Dramen, in denen Eulen¬
berg sich, wie im „Ulrich von Waldeck", um große, ideentragende Stoffe bemüht,
werden wohl einen Zug individueller Verschrobenheit immer behalten, seine
Helden werden immer etwas wie Eulenberg aussehen, sie werden daher der
großen Menge nicht gefallen, vielleicht überhaupt gar nicht verständlich sein.
Trotzdem ist Eulenbergs Können seiner Hauptkraft nach viel zu sehr rein
poetisch, gestaltend, als daß man ihm dazu raten dürfte, das Groteske zu
seinem eigentlichen Felde zu machen, sich eine feststehende Mischgattung zu bilden,
ein Original sein zu wollen. Es kann Stoffe geben, die bestimmten Stimmungs¬
mischungen in Eulenberg besonders gut liegen; daraus kann denn wohl einmal
so etwas wie eine Sondergattung entstehen: im „Natürlichen Vater" hat er
seine Komödie, in „Alles um Geld" seine Tragikomödie gegeben. Behüte
aber den Dichter ein gutes Geschick oder besser seine Einsicht davor, daß er.
der viel Reichere, sich auf diese Gattungen schematisch festlegt. Wir haben bereits
mehrere Beispiele dafür, daß Eulenberg sich alles verdarb, weil er seltsam sein
wollte: „Alles um Liebe", ein Stück, das Eulenberg nach den drei Ausgaben zu
20 Pf., zu 2,50 Mark und zu 25 Mark zu urteilen, besonders lieb sein muß,
ist meines Erachtens eine wirre Groteske ohne Sinn und Zweck, und „Belinde",
ein Stück, dessen tragische Handlung wohl fesseln könnte, hat keine Charaktere,
nicht einmal mehr poetische Situationen (die doch auch der „Natürliche Vater"
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