Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Briefe aus Trebeldorf

Daß ich die überhaupt noch nicht gesehen habe in unserem kleinen Trebel¬
dorf! Daß man von ihr im Hotel noch nie ein Wort gesagt hat! Da kommen
doch sonst immer alle Mädchen dran.

Sie ist geradezu eine Schönheit. Für einen Augenblick denke ich sie mir
als Dame, in elegantem Kostüm.

Nein, das nicht! -- Sie ist reizender so. -- Ob sie in anderem Rahmen
so wirken würde? -- Mich dünkt, wer die einmal freit, der ist nicht betrogen.

Mit dem Alten spreche ich noch von der letzten Torfernte, von dem großen
Feuer, das vor drei Jahren hier gewütet hat, von dem überall beliebten Stadt¬
sekretär und dergleichen. Er erzählt, daß ihm vor einigen Wochen ein junges
Pferd an der Kolik eingegangen ist, und daß das Unglück immer gleich scheffel¬
weise kommt. -- --

Meine Zeit ist um. Ich erhebe mich. Die Eltern bedanken sich einfach,
aber herzlich für die Ehre. Der kleine Paul will meine Hand gar nicht wieder
loslassen, und er fragt flehend: "Kommen Sie wieder, Herr Korrektor?"

"Ach ja, bitte!" sprudelt es da plötzlich aus der Schwester heraus. Sofort
aber, wie wenn sie über ihr eiliges Wort erschrickt, fügt sie, zur Entschuldigung
gewissermaßen, hinzu: "Paul spricht soviel von Ihnen. Sie machen ihm eine
Freude, wenn Sie wiederkommen."

Die Alten nicken ihre Zustimmung, und ich bin ein fröhlicher Mensch. --

Lache nicht, Cunz! Ich schreibe es hin in buchstäblichster Wahrheit: Ich
bin ein fröhlicher Mensch, da dieses schlichte Bauernkind so zu mir spricht, ihre
Hand in die meine legt und mich durch ihre Augen hindurch einen tiefen Blick
tun läßt auf den klaren Goldgrund ihrer Seele.

"Ich komme wieder, Fräulein."

"Aber, Herr Korrektor!" ^

"Was denn?"

"Ich ein Fräulein?"

"Was sonst?"

"Ewerts Anna bin ich."

"Na, dann also Anna. Ich komme wieder."--

Das war ein Tag, der wert war, gelebt zu sein. -- Denke darüber, wie
Du willst, mein Freund. -- Jubeln möcht ich!

In dieser Stimmung grüße ich Dich.


Dein Edward.

(Fortsetzung folgt)




Briefe aus Trebeldorf

Daß ich die überhaupt noch nicht gesehen habe in unserem kleinen Trebel¬
dorf! Daß man von ihr im Hotel noch nie ein Wort gesagt hat! Da kommen
doch sonst immer alle Mädchen dran.

Sie ist geradezu eine Schönheit. Für einen Augenblick denke ich sie mir
als Dame, in elegantem Kostüm.

Nein, das nicht! — Sie ist reizender so. — Ob sie in anderem Rahmen
so wirken würde? — Mich dünkt, wer die einmal freit, der ist nicht betrogen.

Mit dem Alten spreche ich noch von der letzten Torfernte, von dem großen
Feuer, das vor drei Jahren hier gewütet hat, von dem überall beliebten Stadt¬
sekretär und dergleichen. Er erzählt, daß ihm vor einigen Wochen ein junges
Pferd an der Kolik eingegangen ist, und daß das Unglück immer gleich scheffel¬
weise kommt. — —

Meine Zeit ist um. Ich erhebe mich. Die Eltern bedanken sich einfach,
aber herzlich für die Ehre. Der kleine Paul will meine Hand gar nicht wieder
loslassen, und er fragt flehend: „Kommen Sie wieder, Herr Korrektor?"

„Ach ja, bitte!" sprudelt es da plötzlich aus der Schwester heraus. Sofort
aber, wie wenn sie über ihr eiliges Wort erschrickt, fügt sie, zur Entschuldigung
gewissermaßen, hinzu: „Paul spricht soviel von Ihnen. Sie machen ihm eine
Freude, wenn Sie wiederkommen."

Die Alten nicken ihre Zustimmung, und ich bin ein fröhlicher Mensch. —

Lache nicht, Cunz! Ich schreibe es hin in buchstäblichster Wahrheit: Ich
bin ein fröhlicher Mensch, da dieses schlichte Bauernkind so zu mir spricht, ihre
Hand in die meine legt und mich durch ihre Augen hindurch einen tiefen Blick
tun läßt auf den klaren Goldgrund ihrer Seele.

„Ich komme wieder, Fräulein."

„Aber, Herr Korrektor!" ^

„Was denn?"

„Ich ein Fräulein?"

„Was sonst?"

„Ewerts Anna bin ich."

„Na, dann also Anna. Ich komme wieder."--

Das war ein Tag, der wert war, gelebt zu sein. — Denke darüber, wie
Du willst, mein Freund. — Jubeln möcht ich!

In dieser Stimmung grüße ich Dich.


Dein Edward.

(Fortsetzung folgt)




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0289" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325159"/>
          <fw type="header" place="top"> Briefe aus Trebeldorf</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1186"> Daß ich die überhaupt noch nicht gesehen habe in unserem kleinen Trebel¬<lb/>
dorf! Daß man von ihr im Hotel noch nie ein Wort gesagt hat! Da kommen<lb/>
doch sonst immer alle Mädchen dran.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1187"> Sie ist geradezu eine Schönheit. Für einen Augenblick denke ich sie mir<lb/>
als Dame, in elegantem Kostüm.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1188"> Nein, das nicht! &#x2014; Sie ist reizender so. &#x2014; Ob sie in anderem Rahmen<lb/>
so wirken würde? &#x2014; Mich dünkt, wer die einmal freit, der ist nicht betrogen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1189"> Mit dem Alten spreche ich noch von der letzten Torfernte, von dem großen<lb/>
Feuer, das vor drei Jahren hier gewütet hat, von dem überall beliebten Stadt¬<lb/>
sekretär und dergleichen. Er erzählt, daß ihm vor einigen Wochen ein junges<lb/>
Pferd an der Kolik eingegangen ist, und daß das Unglück immer gleich scheffel¬<lb/>
weise kommt. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1190"> Meine Zeit ist um. Ich erhebe mich. Die Eltern bedanken sich einfach,<lb/>
aber herzlich für die Ehre. Der kleine Paul will meine Hand gar nicht wieder<lb/>
loslassen, und er fragt flehend: &#x201E;Kommen Sie wieder, Herr Korrektor?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1191"> &#x201E;Ach ja, bitte!" sprudelt es da plötzlich aus der Schwester heraus. Sofort<lb/>
aber, wie wenn sie über ihr eiliges Wort erschrickt, fügt sie, zur Entschuldigung<lb/>
gewissermaßen, hinzu: &#x201E;Paul spricht soviel von Ihnen. Sie machen ihm eine<lb/>
Freude, wenn Sie wiederkommen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1192"> Die Alten nicken ihre Zustimmung, und ich bin ein fröhlicher Mensch. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1193"> Lache nicht, Cunz! Ich schreibe es hin in buchstäblichster Wahrheit: Ich<lb/>
bin ein fröhlicher Mensch, da dieses schlichte Bauernkind so zu mir spricht, ihre<lb/>
Hand in die meine legt und mich durch ihre Augen hindurch einen tiefen Blick<lb/>
tun läßt auf den klaren Goldgrund ihrer Seele.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1194"> &#x201E;Ich komme wieder, Fräulein."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1195"> &#x201E;Aber, Herr Korrektor!" ^</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1196"> &#x201E;Was denn?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1197"> &#x201E;Ich ein Fräulein?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1198"> &#x201E;Was sonst?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1199"> &#x201E;Ewerts Anna bin ich."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1200"> &#x201E;Na, dann also Anna. Ich komme wieder."--</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1201"> Das war ein Tag, der wert war, gelebt zu sein. &#x2014; Denke darüber, wie<lb/>
Du willst, mein Freund. &#x2014; Jubeln möcht ich!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1202"> In dieser Stimmung grüße ich Dich.</p><lb/>
          <note type="bibl"> Dein Edward.</note><lb/>
          <p xml:id="ID_1203"> (Fortsetzung folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0289] Briefe aus Trebeldorf Daß ich die überhaupt noch nicht gesehen habe in unserem kleinen Trebel¬ dorf! Daß man von ihr im Hotel noch nie ein Wort gesagt hat! Da kommen doch sonst immer alle Mädchen dran. Sie ist geradezu eine Schönheit. Für einen Augenblick denke ich sie mir als Dame, in elegantem Kostüm. Nein, das nicht! — Sie ist reizender so. — Ob sie in anderem Rahmen so wirken würde? — Mich dünkt, wer die einmal freit, der ist nicht betrogen. Mit dem Alten spreche ich noch von der letzten Torfernte, von dem großen Feuer, das vor drei Jahren hier gewütet hat, von dem überall beliebten Stadt¬ sekretär und dergleichen. Er erzählt, daß ihm vor einigen Wochen ein junges Pferd an der Kolik eingegangen ist, und daß das Unglück immer gleich scheffel¬ weise kommt. — — Meine Zeit ist um. Ich erhebe mich. Die Eltern bedanken sich einfach, aber herzlich für die Ehre. Der kleine Paul will meine Hand gar nicht wieder loslassen, und er fragt flehend: „Kommen Sie wieder, Herr Korrektor?" „Ach ja, bitte!" sprudelt es da plötzlich aus der Schwester heraus. Sofort aber, wie wenn sie über ihr eiliges Wort erschrickt, fügt sie, zur Entschuldigung gewissermaßen, hinzu: „Paul spricht soviel von Ihnen. Sie machen ihm eine Freude, wenn Sie wiederkommen." Die Alten nicken ihre Zustimmung, und ich bin ein fröhlicher Mensch. — Lache nicht, Cunz! Ich schreibe es hin in buchstäblichster Wahrheit: Ich bin ein fröhlicher Mensch, da dieses schlichte Bauernkind so zu mir spricht, ihre Hand in die meine legt und mich durch ihre Augen hindurch einen tiefen Blick tun läßt auf den klaren Goldgrund ihrer Seele. „Ich komme wieder, Fräulein." „Aber, Herr Korrektor!" ^ „Was denn?" „Ich ein Fräulein?" „Was sonst?" „Ewerts Anna bin ich." „Na, dann also Anna. Ich komme wieder."-- Das war ein Tag, der wert war, gelebt zu sein. — Denke darüber, wie Du willst, mein Freund. — Jubeln möcht ich! In dieser Stimmung grüße ich Dich. Dein Edward. (Fortsetzung folgt)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/289
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/289>, abgerufen am 24.08.2024.