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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Briefe an5 Trebeldorf

bauen, aber der Besitz des großen schiffbaren Ssanga-Stromes mit seinen holz¬
reichen Ufern ist von nicht zu unterschätzender wirtschaftlicher Bedeutung. Ebenso
sollte ein Blick auf die Karte genügen, um die Vorteile des Ubangi-Zipfels
erkennen zu lassen. Die Fortsetzung unserer Kameruner Mittellandbahn zielt
zunächst auf den mittleren Ssanga etwa bei Nola, von da auf Singa am
Ubangi, so daß sie über zwei schiffbare Ströme als Zubringer verfügen wird.
Dazu ist der Ubangi-Zipfel ein reiches, gut bevölkertes Land und für Bahnbau
vorzüglich geeignet. Wie ungleich höher sind jetzt die Ziele unserer Bahn¬
politik gesteckt, als früher, wo sie an der Grenze All Kameruns ihr Ende fanden.

In der Mitte des vorigen Jahrhunderts war es in England nach schweren
Fehlschlagen verpönt, den Namen "Niger" auszusprechen. Heute ist dieses ver¬
achtete und todbringende Sumpfgebiet Englands beste afrikanische Kolonie, und
man lacht über die Kritiker von damals. Wir sollten diesen Fingerzeig für
unser Verhalten gegenüber Neu-Kamerun beachten: mit Zuversicht sollten die
hier gebotenen Entwicklungsmöglichkeiten aufgegriffen, pessimistische Anwandlungen
dagegen unterdrückt werden. Der Mann, der von großen kolonialpolitischen
Gesichtspunkten ausgehend die Erwerbung von Neu-Kamerun zustande gebracht
hat, sollte zwar die richtige Wertschätzung seines Werkes nicht mehr erleben.
Der nachträgliche Dank und die Anerkennung der Nation wird ihm aber
sicher sein o .




Briefe aus Trebeldorf
Karl Urickeberg von
(Zweite Fortsetzung)

Trebeldorf, den 1. November 19 . .

Ein Idyll habe ich entdeckt, lieber Cunz, ein wunderheimlich, liebliches Idyll.

Unter den Jungen, die sich von Stunde zu Stunde inniger zu meinem
Herzen emporranken, ist einer mit Namen Paul Ewert, ein wahrhaft glänzend
begabter kleiner Kerl von wenig mehr als zwölf Jahren.

Noch einige seinesgleichen sind da. Mit denen zu arbeiten ist eine Lust.
Grundtüchttge Ärzte, bedeutende Forscher, allererste Staatsmänner find leicht
ein reichlich halbes Dutzend unter ihnen verborgen.

Aber es fehlt die Gelegenheit zur Höhenwanderung. Die Eltern find arm,
und so werden sie wie die Väter kleine Torfbauern, Pferdeknechte, Kuhfütterer,
Tagelöhner und schieben mühselig ihren Lebenskarren.


Briefe an5 Trebeldorf

bauen, aber der Besitz des großen schiffbaren Ssanga-Stromes mit seinen holz¬
reichen Ufern ist von nicht zu unterschätzender wirtschaftlicher Bedeutung. Ebenso
sollte ein Blick auf die Karte genügen, um die Vorteile des Ubangi-Zipfels
erkennen zu lassen. Die Fortsetzung unserer Kameruner Mittellandbahn zielt
zunächst auf den mittleren Ssanga etwa bei Nola, von da auf Singa am
Ubangi, so daß sie über zwei schiffbare Ströme als Zubringer verfügen wird.
Dazu ist der Ubangi-Zipfel ein reiches, gut bevölkertes Land und für Bahnbau
vorzüglich geeignet. Wie ungleich höher sind jetzt die Ziele unserer Bahn¬
politik gesteckt, als früher, wo sie an der Grenze All Kameruns ihr Ende fanden.

In der Mitte des vorigen Jahrhunderts war es in England nach schweren
Fehlschlagen verpönt, den Namen „Niger" auszusprechen. Heute ist dieses ver¬
achtete und todbringende Sumpfgebiet Englands beste afrikanische Kolonie, und
man lacht über die Kritiker von damals. Wir sollten diesen Fingerzeig für
unser Verhalten gegenüber Neu-Kamerun beachten: mit Zuversicht sollten die
hier gebotenen Entwicklungsmöglichkeiten aufgegriffen, pessimistische Anwandlungen
dagegen unterdrückt werden. Der Mann, der von großen kolonialpolitischen
Gesichtspunkten ausgehend die Erwerbung von Neu-Kamerun zustande gebracht
hat, sollte zwar die richtige Wertschätzung seines Werkes nicht mehr erleben.
Der nachträgliche Dank und die Anerkennung der Nation wird ihm aber
sicher sein o .




Briefe aus Trebeldorf
Karl Urickeberg von
(Zweite Fortsetzung)

Trebeldorf, den 1. November 19 . .

Ein Idyll habe ich entdeckt, lieber Cunz, ein wunderheimlich, liebliches Idyll.

Unter den Jungen, die sich von Stunde zu Stunde inniger zu meinem
Herzen emporranken, ist einer mit Namen Paul Ewert, ein wahrhaft glänzend
begabter kleiner Kerl von wenig mehr als zwölf Jahren.

Noch einige seinesgleichen sind da. Mit denen zu arbeiten ist eine Lust.
Grundtüchttge Ärzte, bedeutende Forscher, allererste Staatsmänner find leicht
ein reichlich halbes Dutzend unter ihnen verborgen.

Aber es fehlt die Gelegenheit zur Höhenwanderung. Die Eltern find arm,
und so werden sie wie die Väter kleine Torfbauern, Pferdeknechte, Kuhfütterer,
Tagelöhner und schieben mühselig ihren Lebenskarren.


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[0284] Briefe an5 Trebeldorf bauen, aber der Besitz des großen schiffbaren Ssanga-Stromes mit seinen holz¬ reichen Ufern ist von nicht zu unterschätzender wirtschaftlicher Bedeutung. Ebenso sollte ein Blick auf die Karte genügen, um die Vorteile des Ubangi-Zipfels erkennen zu lassen. Die Fortsetzung unserer Kameruner Mittellandbahn zielt zunächst auf den mittleren Ssanga etwa bei Nola, von da auf Singa am Ubangi, so daß sie über zwei schiffbare Ströme als Zubringer verfügen wird. Dazu ist der Ubangi-Zipfel ein reiches, gut bevölkertes Land und für Bahnbau vorzüglich geeignet. Wie ungleich höher sind jetzt die Ziele unserer Bahn¬ politik gesteckt, als früher, wo sie an der Grenze All Kameruns ihr Ende fanden. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts war es in England nach schweren Fehlschlagen verpönt, den Namen „Niger" auszusprechen. Heute ist dieses ver¬ achtete und todbringende Sumpfgebiet Englands beste afrikanische Kolonie, und man lacht über die Kritiker von damals. Wir sollten diesen Fingerzeig für unser Verhalten gegenüber Neu-Kamerun beachten: mit Zuversicht sollten die hier gebotenen Entwicklungsmöglichkeiten aufgegriffen, pessimistische Anwandlungen dagegen unterdrückt werden. Der Mann, der von großen kolonialpolitischen Gesichtspunkten ausgehend die Erwerbung von Neu-Kamerun zustande gebracht hat, sollte zwar die richtige Wertschätzung seines Werkes nicht mehr erleben. Der nachträgliche Dank und die Anerkennung der Nation wird ihm aber sicher sein o . Briefe aus Trebeldorf Karl Urickeberg von (Zweite Fortsetzung) Trebeldorf, den 1. November 19 . . Ein Idyll habe ich entdeckt, lieber Cunz, ein wunderheimlich, liebliches Idyll. Unter den Jungen, die sich von Stunde zu Stunde inniger zu meinem Herzen emporranken, ist einer mit Namen Paul Ewert, ein wahrhaft glänzend begabter kleiner Kerl von wenig mehr als zwölf Jahren. Noch einige seinesgleichen sind da. Mit denen zu arbeiten ist eine Lust. Grundtüchttge Ärzte, bedeutende Forscher, allererste Staatsmänner find leicht ein reichlich halbes Dutzend unter ihnen verborgen. Aber es fehlt die Gelegenheit zur Höhenwanderung. Die Eltern find arm, und so werden sie wie die Väter kleine Torfbauern, Pferdeknechte, Kuhfütterer, Tagelöhner und schieben mühselig ihren Lebenskarren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/284>, abgerufen am 22.12.2024.