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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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lichkeit nur loben; denn eindrucksvoller läßt sich die UnHaltbarkeit des fran¬
zösischen Anspruches kaum darstellen. Die Grenzfestsetzungen des Vertrages
bieten demnach zurzeit keine Fragen mehr, die einer besonderen Erörterung
bedürfen. Wir können in Ruhe die Arbeiten der Grenzkommissionen und ihre
weiteren Vorschläge abwarten. Daß die theoretischen Grenzlinien Unbequemlich¬
keiten zur Folge haben werden, ist möglich, aber unüberwindlich werden sie
nicht sein. Wichtig ist es, die Zugehörigkeit aller Grenzdörfer genau zu kennen
und kartographisch festzulegen. Diese Aufgabe ist in der Instruktion für die
Grenzexpeditionen enthalten und wird hoffentlich erfüllt werden.

Was nun den Wert unserer Neuerwerbungen anbetrifft, so klammert sich
auch hier die Schar der Unzufriedenen an einzelne, für abfällige Kritik besonders
geeignet erscheinende Punkte und wird nicht müde, aus die Zwecklosigkeit der
beiden Zipfel, die Folgen der Schlafkrankheit und die Nachteile des Konzessions¬
wesens hinzuweisen. Die Gefahren der Schlafkrankheit werden sicherlich
übertrieben; im Ssanga-Zipfel ist sie nach den letzten französischen Berichten
durch die drastischen Maßregeln der Eingeborenen sehr zurückgegangen. Die
Verhältnisse am mittleren Ssanga, wo der Hauptherd liegt, sind derart, daß
man durch energisches Eingreifen der Seuche Herr werden wird. Wie hat die
Schlafkrankheit in Uganda gewütet und wie schnell heilen unter den sachgemäßen
Gegenmaßregeln der Engländer ihre Wunden I Was berechtigt also zu der
Annahme, daß Neu-Kamerun bald bis auf wenige entkräftete Existenzen ent¬
völkert sein werde?

Die Konzessionsgesellschaften werden sich in die neuen Verhältnisse
fügen und haben den Wunsch zu erkennen gegeben, mit der deutschen Ver¬
waltung in gute Beziehungen zu treten. Ihr Bestehen ist sicherlich kein Vorteil,
doch braucht man ihretwegen nicht an jeder Entwicklungsmöglichkeit Neu-Kameruns
zu verzweifeln. Der vielleicht beste Teil der Neuerwerbung, das Gebiet westlich
des Logonebogens, ist übrigens konzessions- und glossinenfrei und verdiente
größere Beachtung als bisher.

Der Ssanga-Zipfel wird in Grund und Boden kritisiert, weil er ein
Überschwemmungsgebiet ist. Muß denn ein solches unter allen Umständen
wertlos sein? Haben wir nicht gerade in Afrika mehrere Beispiele dafür, daß
Überschwemmungsgebiete sich zu besonders hoher Kultur entwickeln lassen? Dem
unglücklichen Bonga wird ähnlich den benachbarten Kongo-Inseln eine Bedeutung
beigelegt, als ob mit ihm die Zukunft des Ssanga - Zipfels stehe und falle.
Die Nachrichten über diesen Platz lauten verschieden. Zieht man aus ihnen
das Mittel, so scheint die Stelle in manchen Jahren trocken zu bleiben, in
anderen Überschwemmungen ausgesetzt zu sein. Man kann nun wirklich der
Verwaltung unseres Schutzgebiets, wenn sie hier eine Station anlegen will, die
gar nicht so schwere Aufgabe zutrauen, den Platz so zu erhöhen, daß er auch
in schlechten Perioden gegen jede Wassersnot gesichert bleibt. Natürlich denkt
niemand daran, eine Eisenbahn durch den Ssanga-Zipfel nach dem Kongo zu


Neu-Kamerun

lichkeit nur loben; denn eindrucksvoller läßt sich die UnHaltbarkeit des fran¬
zösischen Anspruches kaum darstellen. Die Grenzfestsetzungen des Vertrages
bieten demnach zurzeit keine Fragen mehr, die einer besonderen Erörterung
bedürfen. Wir können in Ruhe die Arbeiten der Grenzkommissionen und ihre
weiteren Vorschläge abwarten. Daß die theoretischen Grenzlinien Unbequemlich¬
keiten zur Folge haben werden, ist möglich, aber unüberwindlich werden sie
nicht sein. Wichtig ist es, die Zugehörigkeit aller Grenzdörfer genau zu kennen
und kartographisch festzulegen. Diese Aufgabe ist in der Instruktion für die
Grenzexpeditionen enthalten und wird hoffentlich erfüllt werden.

Was nun den Wert unserer Neuerwerbungen anbetrifft, so klammert sich
auch hier die Schar der Unzufriedenen an einzelne, für abfällige Kritik besonders
geeignet erscheinende Punkte und wird nicht müde, aus die Zwecklosigkeit der
beiden Zipfel, die Folgen der Schlafkrankheit und die Nachteile des Konzessions¬
wesens hinzuweisen. Die Gefahren der Schlafkrankheit werden sicherlich
übertrieben; im Ssanga-Zipfel ist sie nach den letzten französischen Berichten
durch die drastischen Maßregeln der Eingeborenen sehr zurückgegangen. Die
Verhältnisse am mittleren Ssanga, wo der Hauptherd liegt, sind derart, daß
man durch energisches Eingreifen der Seuche Herr werden wird. Wie hat die
Schlafkrankheit in Uganda gewütet und wie schnell heilen unter den sachgemäßen
Gegenmaßregeln der Engländer ihre Wunden I Was berechtigt also zu der
Annahme, daß Neu-Kamerun bald bis auf wenige entkräftete Existenzen ent¬
völkert sein werde?

Die Konzessionsgesellschaften werden sich in die neuen Verhältnisse
fügen und haben den Wunsch zu erkennen gegeben, mit der deutschen Ver¬
waltung in gute Beziehungen zu treten. Ihr Bestehen ist sicherlich kein Vorteil,
doch braucht man ihretwegen nicht an jeder Entwicklungsmöglichkeit Neu-Kameruns
zu verzweifeln. Der vielleicht beste Teil der Neuerwerbung, das Gebiet westlich
des Logonebogens, ist übrigens konzessions- und glossinenfrei und verdiente
größere Beachtung als bisher.

Der Ssanga-Zipfel wird in Grund und Boden kritisiert, weil er ein
Überschwemmungsgebiet ist. Muß denn ein solches unter allen Umständen
wertlos sein? Haben wir nicht gerade in Afrika mehrere Beispiele dafür, daß
Überschwemmungsgebiete sich zu besonders hoher Kultur entwickeln lassen? Dem
unglücklichen Bonga wird ähnlich den benachbarten Kongo-Inseln eine Bedeutung
beigelegt, als ob mit ihm die Zukunft des Ssanga - Zipfels stehe und falle.
Die Nachrichten über diesen Platz lauten verschieden. Zieht man aus ihnen
das Mittel, so scheint die Stelle in manchen Jahren trocken zu bleiben, in
anderen Überschwemmungen ausgesetzt zu sein. Man kann nun wirklich der
Verwaltung unseres Schutzgebiets, wenn sie hier eine Station anlegen will, die
gar nicht so schwere Aufgabe zutrauen, den Platz so zu erhöhen, daß er auch
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niemand daran, eine Eisenbahn durch den Ssanga-Zipfel nach dem Kongo zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/283>, abgerufen am 01.07.2024.