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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Neu - Kamerun

gerade die taktvolle und diskrete, der Sensation wenig Stoff bietende Art, wie
die Verhandlungen geführt wurden, die diese Nichtbeachtung verschuldet hat.
Unseren Delegierten wird man die Anerkennung nicht versagen können, daß sie
in allen offenen Fragen des Vertrages Entscheidungen herbeigeführt haben, die
unseren Interessen durchaus günstig sind.

Der Ausgangspunkt der Grenze an der Massoliö-Mündung ist zu unserem
Vorteil nach Süden verschoben worden, wodurch das an sich schmale Gebiet
südlich Muni erheblich verbreitert worden ist; die Verbindung dieses Gebiets¬
dreiecks mit dem übrigen Schutzgebiet um die Muni-Ecke herum ist gesichert,
und zwar verständigerweise nicht durch festgezogene Linien, sondern durch Ab¬
grenzungen, die an Ort und Stelle den Verkehrsbedürfnissen entsprechend vor¬
genommen werden sollen. Diese Entscheidungen, deren Durchsetzung zu den
wichtigsten und schwierigsten Aufgaben unserer Delegierten in Bern gehörten,
scheinen diejenigen wenig zu interessieren, die in der Erwerbung Neu-Kameruns
nach wie vor einen schweren Fehler erblicken. Von dieser Seite werden fort¬
gesetzt die Klagen darüber wiederholt, daß für unsere beiden Uferstrecken am
Kongo und Ubangi keine Verbesserungen erreicht worden seien. Und doch ist
jeder Zweifel daran, daß der Ubcmgi-Zipfel den Strom unterhalb der Schnellen
erreicht, vollkommen unberechtigt. Es ist vielmehr mit Sicherheit festgestellt
worden, daß der im Zipfel liegende Ort Singa, der einen durch Riffe geschützten
natürlichen Hafen mit guten Tiefenverhältnifsen besitzt, nicht nur eine geeignete,
sondern die geeigneteste Stelle ist, die wir am Ubangi erwerben konnten. Mit
Recht haben deshalb unsere Delegierten die guten Ratschläge, eine Verlegung
dieses Zipfels nach Mongoumba zu fordern, nicht beachtet. Ebenso unberechtigt
ist die Trauer um den vermeintlichen Verlust der Kongo-Inseln. Wir glauben
nach dem Vertrage ein unbestreitbares Anrecht aus die Talweggrenze zu haben
und erwarteten daher, wie es tatsächlich geschehen ist, daß unsere Delegierten
hierin den französischen Forderungen nicht nachgeben, sondern schiedsgerichtlicher
Entscheidung vorbehalten würden. In vorsorglicher Weise haben sie ferner für
den unwahrscheinlichen Fall eines Unterliegens in diesem Rechtsstreit Abmachungen
getroffen, die diejenigen Nachteile vermeiden sollen, mit denen wir am Oranje
und am Volta zu kämpfen haben. Zunächst muß nun an Ort und Stelle fest¬
gestellt werden, ob überhaupt ein Streitobjekt vorhanden ist; denn nach den mangel¬
haften Karten steht bisher nicht fest, ob zwischen den von den Endpunkten unserer
kurzen Uferstrecke nach dem Talweg gefällten Perpendikeln Inseln enthalten sind.
Sicher ist aber, daß alle Inseln vor der Ssanga-Mündung unbewohnte und
zum größten Teil unbetretbare Gebilde sind. Die Jnselftage ist daher von
untergeordneter Bedeutung und wird unberechtigterweise in den Vordergrund
geschoben. Fast wie ein Scherz mutet es an, daß die deutschen Delegierten
uns einen Anspruch auf die im französischen Gebiet liegenden Schari-Inseln
vorbehalten haben, wenn die französische Auffassung über die Zugehörigkeit der
Kongo-Inseln anerkannt werden sollte! Aber auch hier können wir ihre Grund-


Neu - Kamerun

gerade die taktvolle und diskrete, der Sensation wenig Stoff bietende Art, wie
die Verhandlungen geführt wurden, die diese Nichtbeachtung verschuldet hat.
Unseren Delegierten wird man die Anerkennung nicht versagen können, daß sie
in allen offenen Fragen des Vertrages Entscheidungen herbeigeführt haben, die
unseren Interessen durchaus günstig sind.

Der Ausgangspunkt der Grenze an der Massoliö-Mündung ist zu unserem
Vorteil nach Süden verschoben worden, wodurch das an sich schmale Gebiet
südlich Muni erheblich verbreitert worden ist; die Verbindung dieses Gebiets¬
dreiecks mit dem übrigen Schutzgebiet um die Muni-Ecke herum ist gesichert,
und zwar verständigerweise nicht durch festgezogene Linien, sondern durch Ab¬
grenzungen, die an Ort und Stelle den Verkehrsbedürfnissen entsprechend vor¬
genommen werden sollen. Diese Entscheidungen, deren Durchsetzung zu den
wichtigsten und schwierigsten Aufgaben unserer Delegierten in Bern gehörten,
scheinen diejenigen wenig zu interessieren, die in der Erwerbung Neu-Kameruns
nach wie vor einen schweren Fehler erblicken. Von dieser Seite werden fort¬
gesetzt die Klagen darüber wiederholt, daß für unsere beiden Uferstrecken am
Kongo und Ubangi keine Verbesserungen erreicht worden seien. Und doch ist
jeder Zweifel daran, daß der Ubcmgi-Zipfel den Strom unterhalb der Schnellen
erreicht, vollkommen unberechtigt. Es ist vielmehr mit Sicherheit festgestellt
worden, daß der im Zipfel liegende Ort Singa, der einen durch Riffe geschützten
natürlichen Hafen mit guten Tiefenverhältnifsen besitzt, nicht nur eine geeignete,
sondern die geeigneteste Stelle ist, die wir am Ubangi erwerben konnten. Mit
Recht haben deshalb unsere Delegierten die guten Ratschläge, eine Verlegung
dieses Zipfels nach Mongoumba zu fordern, nicht beachtet. Ebenso unberechtigt
ist die Trauer um den vermeintlichen Verlust der Kongo-Inseln. Wir glauben
nach dem Vertrage ein unbestreitbares Anrecht aus die Talweggrenze zu haben
und erwarteten daher, wie es tatsächlich geschehen ist, daß unsere Delegierten
hierin den französischen Forderungen nicht nachgeben, sondern schiedsgerichtlicher
Entscheidung vorbehalten würden. In vorsorglicher Weise haben sie ferner für
den unwahrscheinlichen Fall eines Unterliegens in diesem Rechtsstreit Abmachungen
getroffen, die diejenigen Nachteile vermeiden sollen, mit denen wir am Oranje
und am Volta zu kämpfen haben. Zunächst muß nun an Ort und Stelle fest¬
gestellt werden, ob überhaupt ein Streitobjekt vorhanden ist; denn nach den mangel¬
haften Karten steht bisher nicht fest, ob zwischen den von den Endpunkten unserer
kurzen Uferstrecke nach dem Talweg gefällten Perpendikeln Inseln enthalten sind.
Sicher ist aber, daß alle Inseln vor der Ssanga-Mündung unbewohnte und
zum größten Teil unbetretbare Gebilde sind. Die Jnselftage ist daher von
untergeordneter Bedeutung und wird unberechtigterweise in den Vordergrund
geschoben. Fast wie ein Scherz mutet es an, daß die deutschen Delegierten
uns einen Anspruch auf die im französischen Gebiet liegenden Schari-Inseln
vorbehalten haben, wenn die französische Auffassung über die Zugehörigkeit der
Kongo-Inseln anerkannt werden sollte! Aber auch hier können wir ihre Grund-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/282>, abgerufen am 29.06.2024.