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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Handle oder stirb!

sowieso anscheinend die auf sie gesetzten Erwartungen nur sehr mäßig zu erfüllen
bestimmt ist, wie Strutz vorausgesagt hat.

Reich, Staat, Gemeinde und "Publikum", Handel und Industrie würden
also anscheinend von der Bodennormaltaxe große Vorteile haben. An diesen
würden auch die Grundbesitzer teilnehmen und diese würden keinen positiven
Schaden, sondern nur den Ausfall einer Hoffnung erleiden, die nur für einen
verhältnismüßig kleinen Teil von ihnen besteht und die, wenn das hier
Gesagte richtig ist, vor den Interessen der Nationalwirtschaft weichen muß.

An Umgehungen des Gesetzes würde es nun freilich nicht fehlen.
Der Grundbesitzer wird oft nur verkaufen wollen, wenn ihm außer dem
Taxwert eine weit höhere Summe bar oder durch einfaches "Summen¬
versprechen" mit Hilfe von Wechsel, Scheck, Überweisung usw. gezahlt
wird. Anderseits wird der Käufer oft geneigt sein, seine Konkurrenz mit
solchen Mitteln zu schlagen. Aber es läßt sich die Umgehungsmöglichkeit
nur bedingt gegen einen Gesetzesvorschlag verwenden. Es sei nur an die Gesetze
betreffend die Stempelabgaben und Steuerselbstdeklaration erinnert, die deshalb
nicht weniger gut und notwendig sind, weil sie in unzähligen Fällen umgangen
werden. Auch würde schon in den weiten Zonen der Beteiligung von Staat,
Gemeinden und öffentlichen Korporationen sowie überall da, wo Käufer und
Verkäufer eine annähernd gleichstarke Position haben, die Gefahr der Umgehung
ausgeschlossen sein. Zudem beansprucht vielleicht die Tatsache Beachtung, daß
gerade der Deutsche in bezug auf den Grund und Boden altgeheiligte Empfin¬
dungen hegt, die dem Grund und Boden eine Sonderstellung geben und sogar
von der Aufteilung des Grundes in Privatbesitz abführen. Den alten Germanen
waren ihre Haine nach Tazitus heiliges Gemeingut und noch dem modernen
Menschen gleitet ein Schatten über die Seele, wenn er eingezäunte Waldungen
sieht, wenn das Betreten von Waldungen verboten ist, wenn er die forstpolizei¬
lichen Vorschriften über das Sammeln von Raff- und Leseholz, Beeren usw. liest.
Er muß sich erst auf die praktische Notwendigkeit solcher Maßregeln besinnen.
Im Volksempfinden liegt eine Vorstellung, daß der Boden etwas der Allgemein¬
heit Gegebenes sei, und das Gesetz selbst trägt dem Rechnung durch möglichste
Freigabe jener allgemeinen Rechte wie auch z. B. des Rechts über fremde Wiesen
und Äcker nach der Aberntnng zu gehen. Und in diesen in allen deutschen
Herzen lebenden Anschauungen würde eine Basis sür die allmähliche Gewöhnung
der Nation daran liegen können, daß durch die Bodennormaltaxe der Grund
und Boden auch in den Städten ein für allemal einen festen der Privatänderung
entzogenen Preis habe. Die Erziehung in dieser Richtung wäre uns natürlicher,
als die heutige, die den Boden nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Ertrags¬
wirtschaft, sondern stets auch uuter den der Verkausswirtschaft betrachtet.
Man würde mit der Zeit lernen, daß jedermann an der Nieder¬
haltung der Bodenpreise das größte Interesse habe und darin läge
auch allmählich fortschreitend der beste Schutz gegen die Umgehung des Gesetzes.


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sowieso anscheinend die auf sie gesetzten Erwartungen nur sehr mäßig zu erfüllen
bestimmt ist, wie Strutz vorausgesagt hat.

Reich, Staat, Gemeinde und „Publikum", Handel und Industrie würden
also anscheinend von der Bodennormaltaxe große Vorteile haben. An diesen
würden auch die Grundbesitzer teilnehmen und diese würden keinen positiven
Schaden, sondern nur den Ausfall einer Hoffnung erleiden, die nur für einen
verhältnismüßig kleinen Teil von ihnen besteht und die, wenn das hier
Gesagte richtig ist, vor den Interessen der Nationalwirtschaft weichen muß.

An Umgehungen des Gesetzes würde es nun freilich nicht fehlen.
Der Grundbesitzer wird oft nur verkaufen wollen, wenn ihm außer dem
Taxwert eine weit höhere Summe bar oder durch einfaches „Summen¬
versprechen" mit Hilfe von Wechsel, Scheck, Überweisung usw. gezahlt
wird. Anderseits wird der Käufer oft geneigt sein, seine Konkurrenz mit
solchen Mitteln zu schlagen. Aber es läßt sich die Umgehungsmöglichkeit
nur bedingt gegen einen Gesetzesvorschlag verwenden. Es sei nur an die Gesetze
betreffend die Stempelabgaben und Steuerselbstdeklaration erinnert, die deshalb
nicht weniger gut und notwendig sind, weil sie in unzähligen Fällen umgangen
werden. Auch würde schon in den weiten Zonen der Beteiligung von Staat,
Gemeinden und öffentlichen Korporationen sowie überall da, wo Käufer und
Verkäufer eine annähernd gleichstarke Position haben, die Gefahr der Umgehung
ausgeschlossen sein. Zudem beansprucht vielleicht die Tatsache Beachtung, daß
gerade der Deutsche in bezug auf den Grund und Boden altgeheiligte Empfin¬
dungen hegt, die dem Grund und Boden eine Sonderstellung geben und sogar
von der Aufteilung des Grundes in Privatbesitz abführen. Den alten Germanen
waren ihre Haine nach Tazitus heiliges Gemeingut und noch dem modernen
Menschen gleitet ein Schatten über die Seele, wenn er eingezäunte Waldungen
sieht, wenn das Betreten von Waldungen verboten ist, wenn er die forstpolizei¬
lichen Vorschriften über das Sammeln von Raff- und Leseholz, Beeren usw. liest.
Er muß sich erst auf die praktische Notwendigkeit solcher Maßregeln besinnen.
Im Volksempfinden liegt eine Vorstellung, daß der Boden etwas der Allgemein¬
heit Gegebenes sei, und das Gesetz selbst trägt dem Rechnung durch möglichste
Freigabe jener allgemeinen Rechte wie auch z. B. des Rechts über fremde Wiesen
und Äcker nach der Aberntnng zu gehen. Und in diesen in allen deutschen
Herzen lebenden Anschauungen würde eine Basis sür die allmähliche Gewöhnung
der Nation daran liegen können, daß durch die Bodennormaltaxe der Grund
und Boden auch in den Städten ein für allemal einen festen der Privatänderung
entzogenen Preis habe. Die Erziehung in dieser Richtung wäre uns natürlicher,
als die heutige, die den Boden nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Ertrags¬
wirtschaft, sondern stets auch uuter den der Verkausswirtschaft betrachtet.
Man würde mit der Zeit lernen, daß jedermann an der Nieder¬
haltung der Bodenpreise das größte Interesse habe und darin läge
auch allmählich fortschreitend der beste Schutz gegen die Umgehung des Gesetzes.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/25>, abgerufen am 01.07.2024.