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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Handle oder stirb!

den gleichen Gewinn von einer Million zu erzielen, würden sie der Allgemeinheit
die Räume in dem neuen Verkaufshause um 800000 Mark billiger vermieten
können. Die Geschäftstätigkeit der Bauunternehmer wie der nickenden
Geschäftsleute wäre also überall erleichtert und gefördert. Arbeiter¬
wohnungen würden leichter zweckmäßig hergestellt werden können, öffentliche
Anlagen, der Besitz von Gärten würden leichter möglich, Gewerbe, Industrie
und Handel fänden billiges Unterkommen, die gesamte Produktion würde
billiger werden, der Hypothekenmarkt würde nach anfänglichen Erschütte¬
rungen in den verhältnismäßig wenig zahlreichen zu hohen zweiten
Hypotheken, die in der Hoffnung auf Wertsteigerung gegeben wurden, eine
gesunde Basis gewinnen, er würde in der Höhe der Einzelbeträge gegenüber
der heutigen Erwartung beschränkt, und das wäre kein Schade, sondern wegen
der Verminderung schweren Risikos der Hypothekenbanken und sonstiger Geld¬
geber ein Nutzen, aber durch Steigen der Nachfrage verbreitert und das wäre
gleichfalls nützlich. Gewiß gibt es große Leistungen, die jetzt nur durch hohe
hypothekarische Kapitalaufnahmen vollführt werden. Warenhäuser, prunkvolle
Krankenhäuser, Theater und Wohnpaläste beruhen jetzt auf dieser Grundlage.

Aber es fragt sich, ob da nicht ein Scheinwesen vorliegt. Jetzt muß der Unter¬
nehmer und Grundeigentümer den Boden für einen ungeheuren Preis erwerben
und die Zinsen für die Riesenhypothel aufbringen, die doch nur bis zu drei¬
fünftel des Wertes beträgt. Wer solche Geschäfte in Zukunft machen wollte,
würde dazu in den heutigen Verkehrszentren mit ihren jetzigen durch die Reichs¬
bodentaxe festgelegten hohen Grundwerken genügend Gelegenheit haben.
Unter der vollen Wirksamkeit der Reichsbodentaxe aber würden annähernd gleich
zweckentsprechende Unternehmen viel leichter ausgeführt werden können, weil der
Verringerung der Beleihungsgrenze die Verringerung des Bodenerwerbpreises
mindestens die Wage halten würde. Überdies ist es fraglich, ob solche in höchstem
Luxus ausgeführten Bauten vom sittlichen Standpunkte aus zu begrüßen und
zu fördern sein würden, auch wenn sich herausstellen sollte, daß sie einer schäd¬
lichen nationalwirtschaftlichen Entwicklung ihr Dasein verdanken. Das gesamte
Hypothekengeschäft würde von dem dem Taxwesen anhaftenden
Krebsschaden befreit, oder doch nahezu befreit, denn ein Sinken des Boden¬
wertes unter die Reichstaxe wird selten eintreten. Der Staat würde bei jedeni
Grundstückserwerb sparen, öffentliche Verkehrswege und Gebäude würden billiger
hergestellt werden können, die großen Verwaltungen der Eisenbahnen, der Post
würden davon ihren Vorteil haben, in höherem Grade sür den Verkehr und
für ihre Beamten und Arbeiter sorgen können. Die Einkommensteuer
würde höhere Erträge ergeben, da eine allgemeine Steigerung der Erträge
eintreten und viel Kapital freibleiben würde, das jetzt in den Boden
versenkt wird, die Gewerbesteuer und Gebäudesteuer wie die Umsatzsteuer
würden steigen. Anderseits freilich würde das teilweise Stehenbleiben der Er-
gänzungssteuer und der allmählige Fortfall der Zuwachssteuer eintreten, die


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den gleichen Gewinn von einer Million zu erzielen, würden sie der Allgemeinheit
die Räume in dem neuen Verkaufshause um 800000 Mark billiger vermieten
können. Die Geschäftstätigkeit der Bauunternehmer wie der nickenden
Geschäftsleute wäre also überall erleichtert und gefördert. Arbeiter¬
wohnungen würden leichter zweckmäßig hergestellt werden können, öffentliche
Anlagen, der Besitz von Gärten würden leichter möglich, Gewerbe, Industrie
und Handel fänden billiges Unterkommen, die gesamte Produktion würde
billiger werden, der Hypothekenmarkt würde nach anfänglichen Erschütte¬
rungen in den verhältnismäßig wenig zahlreichen zu hohen zweiten
Hypotheken, die in der Hoffnung auf Wertsteigerung gegeben wurden, eine
gesunde Basis gewinnen, er würde in der Höhe der Einzelbeträge gegenüber
der heutigen Erwartung beschränkt, und das wäre kein Schade, sondern wegen
der Verminderung schweren Risikos der Hypothekenbanken und sonstiger Geld¬
geber ein Nutzen, aber durch Steigen der Nachfrage verbreitert und das wäre
gleichfalls nützlich. Gewiß gibt es große Leistungen, die jetzt nur durch hohe
hypothekarische Kapitalaufnahmen vollführt werden. Warenhäuser, prunkvolle
Krankenhäuser, Theater und Wohnpaläste beruhen jetzt auf dieser Grundlage.

Aber es fragt sich, ob da nicht ein Scheinwesen vorliegt. Jetzt muß der Unter¬
nehmer und Grundeigentümer den Boden für einen ungeheuren Preis erwerben
und die Zinsen für die Riesenhypothel aufbringen, die doch nur bis zu drei¬
fünftel des Wertes beträgt. Wer solche Geschäfte in Zukunft machen wollte,
würde dazu in den heutigen Verkehrszentren mit ihren jetzigen durch die Reichs¬
bodentaxe festgelegten hohen Grundwerken genügend Gelegenheit haben.
Unter der vollen Wirksamkeit der Reichsbodentaxe aber würden annähernd gleich
zweckentsprechende Unternehmen viel leichter ausgeführt werden können, weil der
Verringerung der Beleihungsgrenze die Verringerung des Bodenerwerbpreises
mindestens die Wage halten würde. Überdies ist es fraglich, ob solche in höchstem
Luxus ausgeführten Bauten vom sittlichen Standpunkte aus zu begrüßen und
zu fördern sein würden, auch wenn sich herausstellen sollte, daß sie einer schäd¬
lichen nationalwirtschaftlichen Entwicklung ihr Dasein verdanken. Das gesamte
Hypothekengeschäft würde von dem dem Taxwesen anhaftenden
Krebsschaden befreit, oder doch nahezu befreit, denn ein Sinken des Boden¬
wertes unter die Reichstaxe wird selten eintreten. Der Staat würde bei jedeni
Grundstückserwerb sparen, öffentliche Verkehrswege und Gebäude würden billiger
hergestellt werden können, die großen Verwaltungen der Eisenbahnen, der Post
würden davon ihren Vorteil haben, in höherem Grade sür den Verkehr und
für ihre Beamten und Arbeiter sorgen können. Die Einkommensteuer
würde höhere Erträge ergeben, da eine allgemeine Steigerung der Erträge
eintreten und viel Kapital freibleiben würde, das jetzt in den Boden
versenkt wird, die Gewerbesteuer und Gebäudesteuer wie die Umsatzsteuer
würden steigen. Anderseits freilich würde das teilweise Stehenbleiben der Er-
gänzungssteuer und der allmählige Fortfall der Zuwachssteuer eintreten, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/24>, abgerufen am 04.07.2024.