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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Der Bucketshop

Abschluß einer neuen Vorprämie raten, aber ihm jedenfalls zunächst einmal den
Gewinn aus der alten auszahlen. Denn diesen setzt der Kunde ohne Not von
neuem aufs Spiel, wenn er "prolongiert". Das Auszahlen aber gerade will
der Bucketshop vermeiden. Außerdem hat die Prolongation für ihn den Vorteil,
daß er dafür eine neue, die sogenannte Prolongationsprämie, berechnet. Er
spekuliert bei der Verlängerung des Geschäftes darauf, daß die Kurse bis zum
nächsten Stichtage schon gesunken sein werden und der Kunde dann abandonniert.
Wollen ihm aber die Kurse durchaus diesen Gefallen nicht tun, fo ist der
Schwindelbankier auch nicht um eine Ausflucht verlegen, er animiert dann den
Kunden zu neuen Geschäften und verrechnet den Gewinn aus der ersten Prämie
mit dem Vorschuß für diese Geschäfte. Hilft aber alles nichts, verlangt der Kunde
die Auszahlung des Gewinns oder bleibt ihm das Glück treu und die weiteren
Geschäfte fallen auch zu feinen Gunsten aus, dann -- zahlt der Bucketshop
noch lange nicht. Er läßt es dann zum Prozeß kommen, schiebt die unglaub¬
lichsten Eide zu, macht den Differenzeinwand geltend und, wenn alles nichts
hilft, schließt er einen gerichtlichen Vergleich mit dem Kunden, in welchem et
sich zu Ratenzahlungen verpflichtet, die er dann meistens auch wieder nicht
einhält. Schließlich ist der Bucketshop zahlungsunfähig, lesstet den Offenbarungs¬
eid, liquidiert im Notfalle und macht unter anderem Namen mit einem neuen
Sozius eine neue Firma auf.

Diese Sorte Schwindelgeschäfte hat nun an den großen deutschen Börsen¬
plätzen, insbesondere in Berlin, eine ganze Reihe von Jahren geblüht und sie
hat die Netze ihrer Versuchung unter allen Kreisen der Bevölkerung ausgeworfen.
Es finden sich unter den Opfern der Buketshops Angehörige des Adels, des
Offizierkorps, Akademiker, Kaufleute, ja sogar Bankbeamte. Mit Vorliebe aber
haben sie die kleinen Sparer aus den weniger gebildeten Schichten der Bevölke¬
rung heimgesucht, weil diese am arglosesten sind. Es ist unglaublich, was
mancher Bucketshop Volksschullehrern, Handwerksmeistern, Fahrstuhlführern,
Kolporteuren von Missionsschriften für Bären aufgebunden hat, um aus ihnen
weiteres Geld herauszulocken oder Gewinne vorzuenthalten. Ein Bäckermeister
hat z. B. die Zusicherung geglaubt, daß er an einem so ruhigen Papier, wie
Deutsche Bank-Aktien, binnen vierzehn Tagen 30 Prozent verdienen werde.
Einem Volksschullehrer, welcher seine hinterlegten (vom Bucketshop längst rechts¬
widrig verkauften) Effekten heraushaben wollte, hat dieser mit Erfolg eingeredet,
die könne er ihm nicht so ohne weiteres herausgeben, die müßten doch wie jedes
Sparkassenguthaben- erst gekündigt werden.

Es ist nicht zu zählen, wieviel Existenzen durch diese gewissenlosen Winkel¬
bankiers in Deutschland ruiniert worden sind. Haben sie erst einen Sparer in
die Hände bekommen, dann haben sie ihn unbarmherzig bis auf den letzten
Pfennig ausgebeutet, und dieses empörende Treiben hat sich unangefochten jahre¬
lang abgespielt, nachdem der Häuptling der Bucketshops, Stgmuno Friedberg,
wegen dieser Art Geschäfte von Strafkammer und Reichsgericht freigesprochen


Crenzbolen I 1918 15
Der Bucketshop

Abschluß einer neuen Vorprämie raten, aber ihm jedenfalls zunächst einmal den
Gewinn aus der alten auszahlen. Denn diesen setzt der Kunde ohne Not von
neuem aufs Spiel, wenn er „prolongiert". Das Auszahlen aber gerade will
der Bucketshop vermeiden. Außerdem hat die Prolongation für ihn den Vorteil,
daß er dafür eine neue, die sogenannte Prolongationsprämie, berechnet. Er
spekuliert bei der Verlängerung des Geschäftes darauf, daß die Kurse bis zum
nächsten Stichtage schon gesunken sein werden und der Kunde dann abandonniert.
Wollen ihm aber die Kurse durchaus diesen Gefallen nicht tun, fo ist der
Schwindelbankier auch nicht um eine Ausflucht verlegen, er animiert dann den
Kunden zu neuen Geschäften und verrechnet den Gewinn aus der ersten Prämie
mit dem Vorschuß für diese Geschäfte. Hilft aber alles nichts, verlangt der Kunde
die Auszahlung des Gewinns oder bleibt ihm das Glück treu und die weiteren
Geschäfte fallen auch zu feinen Gunsten aus, dann — zahlt der Bucketshop
noch lange nicht. Er läßt es dann zum Prozeß kommen, schiebt die unglaub¬
lichsten Eide zu, macht den Differenzeinwand geltend und, wenn alles nichts
hilft, schließt er einen gerichtlichen Vergleich mit dem Kunden, in welchem et
sich zu Ratenzahlungen verpflichtet, die er dann meistens auch wieder nicht
einhält. Schließlich ist der Bucketshop zahlungsunfähig, lesstet den Offenbarungs¬
eid, liquidiert im Notfalle und macht unter anderem Namen mit einem neuen
Sozius eine neue Firma auf.

Diese Sorte Schwindelgeschäfte hat nun an den großen deutschen Börsen¬
plätzen, insbesondere in Berlin, eine ganze Reihe von Jahren geblüht und sie
hat die Netze ihrer Versuchung unter allen Kreisen der Bevölkerung ausgeworfen.
Es finden sich unter den Opfern der Buketshops Angehörige des Adels, des
Offizierkorps, Akademiker, Kaufleute, ja sogar Bankbeamte. Mit Vorliebe aber
haben sie die kleinen Sparer aus den weniger gebildeten Schichten der Bevölke¬
rung heimgesucht, weil diese am arglosesten sind. Es ist unglaublich, was
mancher Bucketshop Volksschullehrern, Handwerksmeistern, Fahrstuhlführern,
Kolporteuren von Missionsschriften für Bären aufgebunden hat, um aus ihnen
weiteres Geld herauszulocken oder Gewinne vorzuenthalten. Ein Bäckermeister
hat z. B. die Zusicherung geglaubt, daß er an einem so ruhigen Papier, wie
Deutsche Bank-Aktien, binnen vierzehn Tagen 30 Prozent verdienen werde.
Einem Volksschullehrer, welcher seine hinterlegten (vom Bucketshop längst rechts¬
widrig verkauften) Effekten heraushaben wollte, hat dieser mit Erfolg eingeredet,
die könne er ihm nicht so ohne weiteres herausgeben, die müßten doch wie jedes
Sparkassenguthaben- erst gekündigt werden.

Es ist nicht zu zählen, wieviel Existenzen durch diese gewissenlosen Winkel¬
bankiers in Deutschland ruiniert worden sind. Haben sie erst einen Sparer in
die Hände bekommen, dann haben sie ihn unbarmherzig bis auf den letzten
Pfennig ausgebeutet, und dieses empörende Treiben hat sich unangefochten jahre¬
lang abgespielt, nachdem der Häuptling der Bucketshops, Stgmuno Friedberg,
wegen dieser Art Geschäfte von Strafkammer und Reichsgericht freigesprochen


Crenzbolen I 1918 15
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[0229] Der Bucketshop Abschluß einer neuen Vorprämie raten, aber ihm jedenfalls zunächst einmal den Gewinn aus der alten auszahlen. Denn diesen setzt der Kunde ohne Not von neuem aufs Spiel, wenn er „prolongiert". Das Auszahlen aber gerade will der Bucketshop vermeiden. Außerdem hat die Prolongation für ihn den Vorteil, daß er dafür eine neue, die sogenannte Prolongationsprämie, berechnet. Er spekuliert bei der Verlängerung des Geschäftes darauf, daß die Kurse bis zum nächsten Stichtage schon gesunken sein werden und der Kunde dann abandonniert. Wollen ihm aber die Kurse durchaus diesen Gefallen nicht tun, fo ist der Schwindelbankier auch nicht um eine Ausflucht verlegen, er animiert dann den Kunden zu neuen Geschäften und verrechnet den Gewinn aus der ersten Prämie mit dem Vorschuß für diese Geschäfte. Hilft aber alles nichts, verlangt der Kunde die Auszahlung des Gewinns oder bleibt ihm das Glück treu und die weiteren Geschäfte fallen auch zu feinen Gunsten aus, dann — zahlt der Bucketshop noch lange nicht. Er läßt es dann zum Prozeß kommen, schiebt die unglaub¬ lichsten Eide zu, macht den Differenzeinwand geltend und, wenn alles nichts hilft, schließt er einen gerichtlichen Vergleich mit dem Kunden, in welchem et sich zu Ratenzahlungen verpflichtet, die er dann meistens auch wieder nicht einhält. Schließlich ist der Bucketshop zahlungsunfähig, lesstet den Offenbarungs¬ eid, liquidiert im Notfalle und macht unter anderem Namen mit einem neuen Sozius eine neue Firma auf. Diese Sorte Schwindelgeschäfte hat nun an den großen deutschen Börsen¬ plätzen, insbesondere in Berlin, eine ganze Reihe von Jahren geblüht und sie hat die Netze ihrer Versuchung unter allen Kreisen der Bevölkerung ausgeworfen. Es finden sich unter den Opfern der Buketshops Angehörige des Adels, des Offizierkorps, Akademiker, Kaufleute, ja sogar Bankbeamte. Mit Vorliebe aber haben sie die kleinen Sparer aus den weniger gebildeten Schichten der Bevölke¬ rung heimgesucht, weil diese am arglosesten sind. Es ist unglaublich, was mancher Bucketshop Volksschullehrern, Handwerksmeistern, Fahrstuhlführern, Kolporteuren von Missionsschriften für Bären aufgebunden hat, um aus ihnen weiteres Geld herauszulocken oder Gewinne vorzuenthalten. Ein Bäckermeister hat z. B. die Zusicherung geglaubt, daß er an einem so ruhigen Papier, wie Deutsche Bank-Aktien, binnen vierzehn Tagen 30 Prozent verdienen werde. Einem Volksschullehrer, welcher seine hinterlegten (vom Bucketshop längst rechts¬ widrig verkauften) Effekten heraushaben wollte, hat dieser mit Erfolg eingeredet, die könne er ihm nicht so ohne weiteres herausgeben, die müßten doch wie jedes Sparkassenguthaben- erst gekündigt werden. Es ist nicht zu zählen, wieviel Existenzen durch diese gewissenlosen Winkel¬ bankiers in Deutschland ruiniert worden sind. Haben sie erst einen Sparer in die Hände bekommen, dann haben sie ihn unbarmherzig bis auf den letzten Pfennig ausgebeutet, und dieses empörende Treiben hat sich unangefochten jahre¬ lang abgespielt, nachdem der Häuptling der Bucketshops, Stgmuno Friedberg, wegen dieser Art Geschäfte von Strafkammer und Reichsgericht freigesprochen Crenzbolen I 1918 15

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/229>, abgerufen am 03.07.2024.