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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Der Bucketshop

welchen wenig Kursbewegung ist, so wird die Gewinnchance des Kunden damit
zu einer recht unwahrscheinlichen. Es gibt freilich auch Bucketshops, welche
Spekulationspapiere mit kräftiger Kursbewegung, wie Schankung-Eisenbahnaktien,
Hamburg-Amerikanische Paketfahrt-Aktien, Rhooesia shares, Canada Pacific
Eisenbahn-shares, norddeutsche Lloyd-Aktien usw. empfehlen. Bei jedem
Vorprämiengeschäft, insbesondere aber bei Prämien in solchen Spekulations¬
papieren, nimmt der reelle Bankier ein sogenanntes Deckungsgeschäft vor. Da
er, sagen wir per Ultimo Februar 30000 Mark Hapag seinem Kunden liefern
muß, so sucht er sich an der Börse einen Gegenspieler, d. h. einen Baissier,
welcher glaubt, daß Paketfahrt zu Ende Februar fallen werden und deshalb
30000 Mark für diesen Termin verkauft. Der Bankier bekommt also Ultimo
Februar von dem Baissier die 30 Mille geliefert, welche er seinem Kunden
liefern muß, er kann also das Steigen der Kurse mit Ruhe ansehen, denn er
braucht die Differenz zwischen dem Einkaufskurse seines Kunden und dem Kurse
am Stichtage nicht aus seiner Tasche zu tragen.

Diese Deckung, welche bei einer größeren Anzahl von Geschäften geradezu
unentbehrlich ist, will der Bankier nicht seinen Zusammenbruch riskieren, unter¬
läßt der Bucketshop. Man wird sich nun fragen, wie ist es möglich, daß er,
wie es wiederholt geschehen ist, seine Geschäfte jahrelang fortsetzen kann, ohne
zusammenzubrechen. Dafür hat er eben verschiedene Tricks, zu welchen die Vor¬
prämiengeschäfte eine besondere Handhabe bieten.

Zunächst, fallen die Kurse zum Stichtage, so verzichtet der Kunde auf
Lieferung der Stücke, er abandonniert die Prämie. In diesem Falle kommt
der Bucketshop weder in die Lage, Stücke an den Kunden zu liefern noch einen
Gewinn auszahlen zu müssen. Es kommt also gar nicht heraus, daß er die
pflichtgemäße Eindeckung unterlassen hat. Steigen aber die Kurse und verlangt
der Kunde zum Stichtage Lieferung, so sagt ihm der Bucketshop: "Sie sind
wohl verrückt, jetzt aus dem Geschäft herauszugehen, wo die Hauffe erst losgeht,
prolongieren Sie doch das Geschäft, da werden Sie noch viel mehr verdienen!"
Der Kunde fällt in der Regel darauf herein und läßt das Geschäft weiter
laufen. Der Bucketshop spekuliert bei diesem Rat ganz richtig und deshalb fast
immer erfolgreich auf den Optimismus und das Spekulationsfieber des Haussiers.
Man vergegenwärtige sich, dieser ist für ein Papier sowieso fest gestimmt
gewesen (sonst hätte er es nicht gekauft), nun steht er es steigen und nun soll
er herausgehen, bloß weil der Stichtag da ist, und soll den schönen weiteren
Gewinn einem anderen überlassen. Daß die Steigerung zu Ende sein und das
Papier wieder fallen könnte, der Gedanke liegt ihm in seiner Haussestimmung
himmelfern. So bedarf es bloß des leisen Anstoßes seitens des Bankiers, zu
prolongieren, und der Kunde prolongiert. Dabei ist der Vorschlag der Pro¬
longation ein bewußter Schwindel von dem Bucketshop, es gibt nämlich bei
Vorprämiengeschästen gar keine Prolongation. Wäre ein reeller Bankier der
Ansicht, daß das Papier weiter stiege, so würöe er dem Kunden vielleicht zum


Der Bucketshop

welchen wenig Kursbewegung ist, so wird die Gewinnchance des Kunden damit
zu einer recht unwahrscheinlichen. Es gibt freilich auch Bucketshops, welche
Spekulationspapiere mit kräftiger Kursbewegung, wie Schankung-Eisenbahnaktien,
Hamburg-Amerikanische Paketfahrt-Aktien, Rhooesia shares, Canada Pacific
Eisenbahn-shares, norddeutsche Lloyd-Aktien usw. empfehlen. Bei jedem
Vorprämiengeschäft, insbesondere aber bei Prämien in solchen Spekulations¬
papieren, nimmt der reelle Bankier ein sogenanntes Deckungsgeschäft vor. Da
er, sagen wir per Ultimo Februar 30000 Mark Hapag seinem Kunden liefern
muß, so sucht er sich an der Börse einen Gegenspieler, d. h. einen Baissier,
welcher glaubt, daß Paketfahrt zu Ende Februar fallen werden und deshalb
30000 Mark für diesen Termin verkauft. Der Bankier bekommt also Ultimo
Februar von dem Baissier die 30 Mille geliefert, welche er seinem Kunden
liefern muß, er kann also das Steigen der Kurse mit Ruhe ansehen, denn er
braucht die Differenz zwischen dem Einkaufskurse seines Kunden und dem Kurse
am Stichtage nicht aus seiner Tasche zu tragen.

Diese Deckung, welche bei einer größeren Anzahl von Geschäften geradezu
unentbehrlich ist, will der Bankier nicht seinen Zusammenbruch riskieren, unter¬
läßt der Bucketshop. Man wird sich nun fragen, wie ist es möglich, daß er,
wie es wiederholt geschehen ist, seine Geschäfte jahrelang fortsetzen kann, ohne
zusammenzubrechen. Dafür hat er eben verschiedene Tricks, zu welchen die Vor¬
prämiengeschäfte eine besondere Handhabe bieten.

Zunächst, fallen die Kurse zum Stichtage, so verzichtet der Kunde auf
Lieferung der Stücke, er abandonniert die Prämie. In diesem Falle kommt
der Bucketshop weder in die Lage, Stücke an den Kunden zu liefern noch einen
Gewinn auszahlen zu müssen. Es kommt also gar nicht heraus, daß er die
pflichtgemäße Eindeckung unterlassen hat. Steigen aber die Kurse und verlangt
der Kunde zum Stichtage Lieferung, so sagt ihm der Bucketshop: „Sie sind
wohl verrückt, jetzt aus dem Geschäft herauszugehen, wo die Hauffe erst losgeht,
prolongieren Sie doch das Geschäft, da werden Sie noch viel mehr verdienen!"
Der Kunde fällt in der Regel darauf herein und läßt das Geschäft weiter
laufen. Der Bucketshop spekuliert bei diesem Rat ganz richtig und deshalb fast
immer erfolgreich auf den Optimismus und das Spekulationsfieber des Haussiers.
Man vergegenwärtige sich, dieser ist für ein Papier sowieso fest gestimmt
gewesen (sonst hätte er es nicht gekauft), nun steht er es steigen und nun soll
er herausgehen, bloß weil der Stichtag da ist, und soll den schönen weiteren
Gewinn einem anderen überlassen. Daß die Steigerung zu Ende sein und das
Papier wieder fallen könnte, der Gedanke liegt ihm in seiner Haussestimmung
himmelfern. So bedarf es bloß des leisen Anstoßes seitens des Bankiers, zu
prolongieren, und der Kunde prolongiert. Dabei ist der Vorschlag der Pro¬
longation ein bewußter Schwindel von dem Bucketshop, es gibt nämlich bei
Vorprämiengeschästen gar keine Prolongation. Wäre ein reeller Bankier der
Ansicht, daß das Papier weiter stiege, so würöe er dem Kunden vielleicht zum


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[0228] Der Bucketshop welchen wenig Kursbewegung ist, so wird die Gewinnchance des Kunden damit zu einer recht unwahrscheinlichen. Es gibt freilich auch Bucketshops, welche Spekulationspapiere mit kräftiger Kursbewegung, wie Schankung-Eisenbahnaktien, Hamburg-Amerikanische Paketfahrt-Aktien, Rhooesia shares, Canada Pacific Eisenbahn-shares, norddeutsche Lloyd-Aktien usw. empfehlen. Bei jedem Vorprämiengeschäft, insbesondere aber bei Prämien in solchen Spekulations¬ papieren, nimmt der reelle Bankier ein sogenanntes Deckungsgeschäft vor. Da er, sagen wir per Ultimo Februar 30000 Mark Hapag seinem Kunden liefern muß, so sucht er sich an der Börse einen Gegenspieler, d. h. einen Baissier, welcher glaubt, daß Paketfahrt zu Ende Februar fallen werden und deshalb 30000 Mark für diesen Termin verkauft. Der Bankier bekommt also Ultimo Februar von dem Baissier die 30 Mille geliefert, welche er seinem Kunden liefern muß, er kann also das Steigen der Kurse mit Ruhe ansehen, denn er braucht die Differenz zwischen dem Einkaufskurse seines Kunden und dem Kurse am Stichtage nicht aus seiner Tasche zu tragen. Diese Deckung, welche bei einer größeren Anzahl von Geschäften geradezu unentbehrlich ist, will der Bankier nicht seinen Zusammenbruch riskieren, unter¬ läßt der Bucketshop. Man wird sich nun fragen, wie ist es möglich, daß er, wie es wiederholt geschehen ist, seine Geschäfte jahrelang fortsetzen kann, ohne zusammenzubrechen. Dafür hat er eben verschiedene Tricks, zu welchen die Vor¬ prämiengeschäfte eine besondere Handhabe bieten. Zunächst, fallen die Kurse zum Stichtage, so verzichtet der Kunde auf Lieferung der Stücke, er abandonniert die Prämie. In diesem Falle kommt der Bucketshop weder in die Lage, Stücke an den Kunden zu liefern noch einen Gewinn auszahlen zu müssen. Es kommt also gar nicht heraus, daß er die pflichtgemäße Eindeckung unterlassen hat. Steigen aber die Kurse und verlangt der Kunde zum Stichtage Lieferung, so sagt ihm der Bucketshop: „Sie sind wohl verrückt, jetzt aus dem Geschäft herauszugehen, wo die Hauffe erst losgeht, prolongieren Sie doch das Geschäft, da werden Sie noch viel mehr verdienen!" Der Kunde fällt in der Regel darauf herein und läßt das Geschäft weiter laufen. Der Bucketshop spekuliert bei diesem Rat ganz richtig und deshalb fast immer erfolgreich auf den Optimismus und das Spekulationsfieber des Haussiers. Man vergegenwärtige sich, dieser ist für ein Papier sowieso fest gestimmt gewesen (sonst hätte er es nicht gekauft), nun steht er es steigen und nun soll er herausgehen, bloß weil der Stichtag da ist, und soll den schönen weiteren Gewinn einem anderen überlassen. Daß die Steigerung zu Ende sein und das Papier wieder fallen könnte, der Gedanke liegt ihm in seiner Haussestimmung himmelfern. So bedarf es bloß des leisen Anstoßes seitens des Bankiers, zu prolongieren, und der Kunde prolongiert. Dabei ist der Vorschlag der Pro¬ longation ein bewußter Schwindel von dem Bucketshop, es gibt nämlich bei Vorprämiengeschästen gar keine Prolongation. Wäre ein reeller Bankier der Ansicht, daß das Papier weiter stiege, so würöe er dem Kunden vielleicht zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/228>, abgerufen am 22.12.2024.