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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Der Lucketshop

worden war. Eine Verurteilung wegen Betrugs war in der Tat außerordentlich
schwer, weil sich nicht leicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen ließ, daß
ein solcher Bankier schon bei Eingehung der Geschäfte beabsichtigt hatte, den Kunden
etwaige künftige Gewinne vorzuenthalten, sich also einen "rechtswidrigen Ver¬
mögensvorteil" zu verschaffen. Der Feststellung dieses Tatbestandsmerkmals
bedürfte es aber für die Anwendung des § 263 Se. G.B. Auch vor den
Zivilgerichten fanden die Bucketshops zunächst mehr Glauben als sie verdienten.

Da war es dann das Verdienst des Rechtsanwalts Dr. Arthur Nußbaum,
Berlin, den Kampf gegen diese unlautere Geschäftsform im Bankiergewerbe auf¬
gegriffen und als erster nachgewiesen zu haben, wie man ihr zivilrechtlich mit
den Paragraphen der Schadenersatzbestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches
und den Kommissionärbestimmungen des Handelsgesetzbuches, strafrechtlich aber
mit den M 94, 95 Börsengesetz beikommen könnte. Nach dieser Anregung
übernahm dann der Zentralverband des deutschen Bank- und Bankiergewerbes
diesen Kampf, indem er vor allem eine Sammelstelle schuf, bei welcher alle die
Betrogenen ihre Erfahrung niederlegen konnten. Neuerdings ist auch die Staats¬
anwaltschaft des Landgerichts I Berlin in diesen Kampf eingetreten und hat
mit dem Erfolg Anklage gegen mehrere Bucketshops erhoben, daß diese nicht
nur aus dem Börsengesetz, sondern auch aus § 263 Se. G. B. wegen Betruges
mit erheblichen Freiheitsstrafen belegt worden sind.

Jetzt hat das Reichsgericht das letzte Wort. Bestätigt dieses die Straf¬
kammerurteile, so steht zu hoffen, daß die Bucketshops in wenigen Jahren vom
Schauplatze verschwunden sein und diese Spezies des Betruges nur noch der
Geschichte des Verbrechertums angehören wird.

Die Lehre aber könnte zu dauerndem Gewinn aus dem Auftreten der
Bucketshops gezogen werden, daß die Forderung staatsbürgerlicher Bildung unserer
Jugend mit etwas Verfassungslehre und bürgerlichem Recht nicht erfüllt ist, sondern
daß ihr auch von wirtschaftlichen Einrichtungen, wie denen der Börse, wenigstens
soviel Ahnung beigebracht werden muß, daß sie die großen Gefahren des Börsen¬
spiels für den Nichtbörsenkundigen erkennen kann. Wenn nicht in der Bürger¬
kunde, so in einer vielleicht ebenso notwendigen Unterrichtsstunde für Ethik
wird dann mit Bruno Wille zu lehren sein: "Unterscheide zwischen totem Gelde
und lebendigem. Eine Seele hat jedes Gut, das du erworben hast in redlicher
Arbeit für Menschenwohl. Wenn du aber einen vergrabenen Schatz findest, so
ist es nicht viel besser als habest du ihn geraubt'")." -- Die Börse ist ein
unentbehrlicher wirtschaftlicher Faktor; aber die kleinen Sparer mögen die Finger
davon lassen, sie mögen ihr in der Berufsarbeit erworbenes lebendiges Geld
nicht zu einem toten Schatze vermehren wollen, es wird ihnen sonst geschehen
wie den unbefugten Schatzgräbern im Märchen, denen sich das Gold wieder
in Blei wandelt.





") Bruno Wille, "Die Abendburg", Chromka eines Goldsuchers in 12 Abenteuern, S. 387.
Der Lucketshop

worden war. Eine Verurteilung wegen Betrugs war in der Tat außerordentlich
schwer, weil sich nicht leicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen ließ, daß
ein solcher Bankier schon bei Eingehung der Geschäfte beabsichtigt hatte, den Kunden
etwaige künftige Gewinne vorzuenthalten, sich also einen „rechtswidrigen Ver¬
mögensvorteil" zu verschaffen. Der Feststellung dieses Tatbestandsmerkmals
bedürfte es aber für die Anwendung des § 263 Se. G.B. Auch vor den
Zivilgerichten fanden die Bucketshops zunächst mehr Glauben als sie verdienten.

Da war es dann das Verdienst des Rechtsanwalts Dr. Arthur Nußbaum,
Berlin, den Kampf gegen diese unlautere Geschäftsform im Bankiergewerbe auf¬
gegriffen und als erster nachgewiesen zu haben, wie man ihr zivilrechtlich mit
den Paragraphen der Schadenersatzbestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches
und den Kommissionärbestimmungen des Handelsgesetzbuches, strafrechtlich aber
mit den M 94, 95 Börsengesetz beikommen könnte. Nach dieser Anregung
übernahm dann der Zentralverband des deutschen Bank- und Bankiergewerbes
diesen Kampf, indem er vor allem eine Sammelstelle schuf, bei welcher alle die
Betrogenen ihre Erfahrung niederlegen konnten. Neuerdings ist auch die Staats¬
anwaltschaft des Landgerichts I Berlin in diesen Kampf eingetreten und hat
mit dem Erfolg Anklage gegen mehrere Bucketshops erhoben, daß diese nicht
nur aus dem Börsengesetz, sondern auch aus § 263 Se. G. B. wegen Betruges
mit erheblichen Freiheitsstrafen belegt worden sind.

Jetzt hat das Reichsgericht das letzte Wort. Bestätigt dieses die Straf¬
kammerurteile, so steht zu hoffen, daß die Bucketshops in wenigen Jahren vom
Schauplatze verschwunden sein und diese Spezies des Betruges nur noch der
Geschichte des Verbrechertums angehören wird.

Die Lehre aber könnte zu dauerndem Gewinn aus dem Auftreten der
Bucketshops gezogen werden, daß die Forderung staatsbürgerlicher Bildung unserer
Jugend mit etwas Verfassungslehre und bürgerlichem Recht nicht erfüllt ist, sondern
daß ihr auch von wirtschaftlichen Einrichtungen, wie denen der Börse, wenigstens
soviel Ahnung beigebracht werden muß, daß sie die großen Gefahren des Börsen¬
spiels für den Nichtbörsenkundigen erkennen kann. Wenn nicht in der Bürger¬
kunde, so in einer vielleicht ebenso notwendigen Unterrichtsstunde für Ethik
wird dann mit Bruno Wille zu lehren sein: „Unterscheide zwischen totem Gelde
und lebendigem. Eine Seele hat jedes Gut, das du erworben hast in redlicher
Arbeit für Menschenwohl. Wenn du aber einen vergrabenen Schatz findest, so
ist es nicht viel besser als habest du ihn geraubt'")." — Die Börse ist ein
unentbehrlicher wirtschaftlicher Faktor; aber die kleinen Sparer mögen die Finger
davon lassen, sie mögen ihr in der Berufsarbeit erworbenes lebendiges Geld
nicht zu einem toten Schatze vermehren wollen, es wird ihnen sonst geschehen
wie den unbefugten Schatzgräbern im Märchen, denen sich das Gold wieder
in Blei wandelt.





") Bruno Wille, „Die Abendburg", Chromka eines Goldsuchers in 12 Abenteuern, S. 387.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/230>, abgerufen am 01.07.2024.