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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Der Bucketshop

umfangreiche und kostspielige Werbetätigkeit zum Heranziehen von Kunden ein¬
leiteten. Geworben wurde durch Reisende, Briefe, Rundschreiben und eigene
Zeitschriften, welche den Kunden und denen, die es werden sollten, kostenlos
zugingen. In Erinnerung ist wohl noch den meisten Berlinern der "Ratgeber
am Kapitalmarkte", welchen der bekannteste dieser Bucketshops, Sigmund Fried¬
berg, lange Zeit kostenlos am Potsdamer Platz verteilen ließ. Traten die also
Beeinflußten an eine Bucketshopfirma heran, so wurden sie in der Regel zum
Abschluß von Vorprämiengeschäften bewogen. Diese im reellen Bankgeschäfte
nur eine geringe Rolle spielende Geschäftsart wurde von den Bucketshops mit
besonderer Vorliebe gepflegt.

Das Vorprämiengeschäft ist eine Abart des Börsentermingeschäftes, etwa so
wie "Gull" eine Abart des gewöhnlichen Skatspiels ist. Bei dem gewöhnlichen
Terminhandel kauft der Börsenspekulant (soweit er ä la, tmusZS,, d. h. auf das
Steigen des Papiers spielen will) ein Börsenpapier für den Ultimo des nächsten
oder eines folgenden Monats, indem er hofft, daß es bis dahin steigen und
er an dem gestiegenen Kurse verdienen werde. Fällt das Papier, so verliert
er, und je tiefer es fällt, desto mehr. Es ist also, da in den Jndustriepapieren
schon Kursstürze von 10, 20 und mehr Prozent dagewesen sind, das Risiko
jeder Börsenspekulation ein erhebliches. Dieses Risiko verringert sich der Haussier
durch Abschluß eines Vorprämiengeschäftes. Er kauft damit nämlich das Speku¬
lationspapier nicht per Ultimo fest, sondern er kauft ein Wahlrecht, nach welchem
er kurz vor Ultimo dem Bankier erklären kann, ob er die gekauften Stücke ab¬
nehmen wolle oder nicht. Für die Einräumung dieses Wahlrechts zahlt er einen
bestimmten in Prozenten des Kaufpreises ausgedrückten Betrag, die Prämie.
Steigt das Papier, so entscheidet er sich natürlich für Abnahme und steckt den
Gewinn, der für ihn allerdings erst beginnt, soweit der Kurs die Einkaufs¬
kursprämie überschritten hat, ein. Fällt der Kurs, so verzichtet er auf die Ab¬
nahme, er abandonniert die Prämie, wie der börsentechnische Ausdruck heißt,
und sein Verlust beschränkt sich dann auf den Gegenwert der Prämie. Darin
besteht eben der Vorzug des Vorprämiengeschäftes, daß, sinken die Kurse gleich
um 10 Prozent, der Spekulant nicht mehr verlieren kann, als etwa die
2^/4 Prozent, welche er als Prämie gezahlt hat.

Auf diesen Vorzug des Vorprämiengeschäftes weisen die Bucketshops in
ihren Zirkularen und in besonderen gedruckten Belehrungen, die sie über
Prämiengeschäfte ausgeben, eindringlich hin. Sie übertreiben sogar vielfach
diese Minderung des Risikos dahin, daß sie behaupten, die Kunden könnten
bei ihnen überhaupt kein Geld verlieren. Was diese Winkelbankiers aber in
ihren Belehrungen verschweigen, ist, daß diesem geminderten Risiko auch
eine geminderte Gewinnchance entspricht; denn da der Kunde auf alle Fälle die
Prämie zahlen muß, so beginnt der Gewinn für ihn erst, wenn das Papier
am Stichtage die Einkausskursprämie überstiegen hat. Da nun die Bucketshops
vielfach zur Spekulation sogenannte ruhige Papiere empfehlen, d. h. solche, in


Der Bucketshop

umfangreiche und kostspielige Werbetätigkeit zum Heranziehen von Kunden ein¬
leiteten. Geworben wurde durch Reisende, Briefe, Rundschreiben und eigene
Zeitschriften, welche den Kunden und denen, die es werden sollten, kostenlos
zugingen. In Erinnerung ist wohl noch den meisten Berlinern der „Ratgeber
am Kapitalmarkte", welchen der bekannteste dieser Bucketshops, Sigmund Fried¬
berg, lange Zeit kostenlos am Potsdamer Platz verteilen ließ. Traten die also
Beeinflußten an eine Bucketshopfirma heran, so wurden sie in der Regel zum
Abschluß von Vorprämiengeschäften bewogen. Diese im reellen Bankgeschäfte
nur eine geringe Rolle spielende Geschäftsart wurde von den Bucketshops mit
besonderer Vorliebe gepflegt.

Das Vorprämiengeschäft ist eine Abart des Börsentermingeschäftes, etwa so
wie „Gull" eine Abart des gewöhnlichen Skatspiels ist. Bei dem gewöhnlichen
Terminhandel kauft der Börsenspekulant (soweit er ä la, tmusZS,, d. h. auf das
Steigen des Papiers spielen will) ein Börsenpapier für den Ultimo des nächsten
oder eines folgenden Monats, indem er hofft, daß es bis dahin steigen und
er an dem gestiegenen Kurse verdienen werde. Fällt das Papier, so verliert
er, und je tiefer es fällt, desto mehr. Es ist also, da in den Jndustriepapieren
schon Kursstürze von 10, 20 und mehr Prozent dagewesen sind, das Risiko
jeder Börsenspekulation ein erhebliches. Dieses Risiko verringert sich der Haussier
durch Abschluß eines Vorprämiengeschäftes. Er kauft damit nämlich das Speku¬
lationspapier nicht per Ultimo fest, sondern er kauft ein Wahlrecht, nach welchem
er kurz vor Ultimo dem Bankier erklären kann, ob er die gekauften Stücke ab¬
nehmen wolle oder nicht. Für die Einräumung dieses Wahlrechts zahlt er einen
bestimmten in Prozenten des Kaufpreises ausgedrückten Betrag, die Prämie.
Steigt das Papier, so entscheidet er sich natürlich für Abnahme und steckt den
Gewinn, der für ihn allerdings erst beginnt, soweit der Kurs die Einkaufs¬
kursprämie überschritten hat, ein. Fällt der Kurs, so verzichtet er auf die Ab¬
nahme, er abandonniert die Prämie, wie der börsentechnische Ausdruck heißt,
und sein Verlust beschränkt sich dann auf den Gegenwert der Prämie. Darin
besteht eben der Vorzug des Vorprämiengeschäftes, daß, sinken die Kurse gleich
um 10 Prozent, der Spekulant nicht mehr verlieren kann, als etwa die
2^/4 Prozent, welche er als Prämie gezahlt hat.

Auf diesen Vorzug des Vorprämiengeschäftes weisen die Bucketshops in
ihren Zirkularen und in besonderen gedruckten Belehrungen, die sie über
Prämiengeschäfte ausgeben, eindringlich hin. Sie übertreiben sogar vielfach
diese Minderung des Risikos dahin, daß sie behaupten, die Kunden könnten
bei ihnen überhaupt kein Geld verlieren. Was diese Winkelbankiers aber in
ihren Belehrungen verschweigen, ist, daß diesem geminderten Risiko auch
eine geminderte Gewinnchance entspricht; denn da der Kunde auf alle Fälle die
Prämie zahlen muß, so beginnt der Gewinn für ihn erst, wenn das Papier
am Stichtage die Einkausskursprämie überstiegen hat. Da nun die Bucketshops
vielfach zur Spekulation sogenannte ruhige Papiere empfehlen, d. h. solche, in


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[0227] Der Bucketshop umfangreiche und kostspielige Werbetätigkeit zum Heranziehen von Kunden ein¬ leiteten. Geworben wurde durch Reisende, Briefe, Rundschreiben und eigene Zeitschriften, welche den Kunden und denen, die es werden sollten, kostenlos zugingen. In Erinnerung ist wohl noch den meisten Berlinern der „Ratgeber am Kapitalmarkte", welchen der bekannteste dieser Bucketshops, Sigmund Fried¬ berg, lange Zeit kostenlos am Potsdamer Platz verteilen ließ. Traten die also Beeinflußten an eine Bucketshopfirma heran, so wurden sie in der Regel zum Abschluß von Vorprämiengeschäften bewogen. Diese im reellen Bankgeschäfte nur eine geringe Rolle spielende Geschäftsart wurde von den Bucketshops mit besonderer Vorliebe gepflegt. Das Vorprämiengeschäft ist eine Abart des Börsentermingeschäftes, etwa so wie „Gull" eine Abart des gewöhnlichen Skatspiels ist. Bei dem gewöhnlichen Terminhandel kauft der Börsenspekulant (soweit er ä la, tmusZS,, d. h. auf das Steigen des Papiers spielen will) ein Börsenpapier für den Ultimo des nächsten oder eines folgenden Monats, indem er hofft, daß es bis dahin steigen und er an dem gestiegenen Kurse verdienen werde. Fällt das Papier, so verliert er, und je tiefer es fällt, desto mehr. Es ist also, da in den Jndustriepapieren schon Kursstürze von 10, 20 und mehr Prozent dagewesen sind, das Risiko jeder Börsenspekulation ein erhebliches. Dieses Risiko verringert sich der Haussier durch Abschluß eines Vorprämiengeschäftes. Er kauft damit nämlich das Speku¬ lationspapier nicht per Ultimo fest, sondern er kauft ein Wahlrecht, nach welchem er kurz vor Ultimo dem Bankier erklären kann, ob er die gekauften Stücke ab¬ nehmen wolle oder nicht. Für die Einräumung dieses Wahlrechts zahlt er einen bestimmten in Prozenten des Kaufpreises ausgedrückten Betrag, die Prämie. Steigt das Papier, so entscheidet er sich natürlich für Abnahme und steckt den Gewinn, der für ihn allerdings erst beginnt, soweit der Kurs die Einkaufs¬ kursprämie überschritten hat, ein. Fällt der Kurs, so verzichtet er auf die Ab¬ nahme, er abandonniert die Prämie, wie der börsentechnische Ausdruck heißt, und sein Verlust beschränkt sich dann auf den Gegenwert der Prämie. Darin besteht eben der Vorzug des Vorprämiengeschäftes, daß, sinken die Kurse gleich um 10 Prozent, der Spekulant nicht mehr verlieren kann, als etwa die 2^/4 Prozent, welche er als Prämie gezahlt hat. Auf diesen Vorzug des Vorprämiengeschäftes weisen die Bucketshops in ihren Zirkularen und in besonderen gedruckten Belehrungen, die sie über Prämiengeschäfte ausgeben, eindringlich hin. Sie übertreiben sogar vielfach diese Minderung des Risikos dahin, daß sie behaupten, die Kunden könnten bei ihnen überhaupt kein Geld verlieren. Was diese Winkelbankiers aber in ihren Belehrungen verschweigen, ist, daß diesem geminderten Risiko auch eine geminderte Gewinnchance entspricht; denn da der Kunde auf alle Fälle die Prämie zahlen muß, so beginnt der Gewinn für ihn erst, wenn das Papier am Stichtage die Einkausskursprämie überstiegen hat. Da nun die Bucketshops vielfach zur Spekulation sogenannte ruhige Papiere empfehlen, d. h. solche, in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/227>, abgerufen am 29.06.2024.