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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Deutschland und die Erschließung "Lhinag

Der Möglichkeiten, unsere Stellung im Schulwesen Chinas zu stärken, gibt
es viele. -- In erster Linie kommt natürlich die Errichtung neuer Schulen in
Betracht. So kostspielig gerade die Erfüllung dieser Forderung ist, so wenig dürfen
wir es uns verdrießen lassen, ihr zu entsprechen. Wir gebrauchen neben neuen
Mittel- und höheren Schulen insbesondere neue deutsche Fachschulen: Handels-,
Gewerbe- und Industrieschulen, denen Schulmuseen anzugliedern sind, die den
Chinesen die deutsche Leistungsfähigkeit unmittelbar vor die Augen führen. Wie
kaum auf einem anderen Tätigkeitsgebiete, können sich auf diesem Staats- und
Selbsthilfe ergänzen. Soweit mir bekannt, ist in neuester Zeit durch private
Sammelarbeit eine erhebliche Summe für deutsche Schulzwecke in China zu¬
sammengebracht worden. Es wäre erfreulich, wenn sich die Reichsregierung
entschließen könnte, im nächsten Etat die Bewilligung einer ähnlich hohen Summe
(etwa 1^/z Millionen Mark) beim Parlamente nachzusuchen. Ich glaube, der
Reichstag würde ihre Forderung nicht zurückweisen, denn, wenn nicht alle Zeichen
trügen, gewinnt im Reichsparlament die Überzeugung mehr und mehr an Boden,
daß Deutschland in China große Aufgaben zu erfüllen hat, wenn es aus dessen
wirtschaftlicher Erschließung materielle Vorteile ziehen will. -- Mit neuen Lehr¬
anstalten ist es jedoch nicht getan, wir bedürfen auch einer Vergrößerung der
Zahl der deutschen Lehrer in China: einerseits an den dortigen deutschen
Unterrichtsanstalten, anderseits an den chinesischen Staatsschulen. Die Zahl der
deutschen Lehrer an den Regierungsschulen ist lächerlich gering, während eng¬
lische und amerikanische Lehrer und Studenten in großer Zahl an ihnen wirken.
Würde es uns gelingen, die deutsche Lehrerschaft Chinas wesentlich zu vervoll¬
ständigen, so wäre ohne die Aufwendung allzu hoher Kosten vieles gewonnen.
Die jetzige Regierung Chinas, die dem Schulwesen das größte Interesse ent¬
gegenbringt, würde es zweifellos mit Dank begrüßen, wenn sich ihr deutsche
Lehrer zur Verfügung stellen würden. Leider ist die Zahl derer, die in die
chinesischen Schuldienste treten möchten, bei uns, im Gegensatz zu England und
Amerika, gering. Aber ich bin überzeugt, daß sich auch bei uns eine größere
Zahl von Lehrkräften fände, sofern nur Mittel geschaffen würden, um den
hinausreisenden Lehrern die Ausstattungs- und Reisekosten zu erstatten und um
ihnen eine jährliche Funktionszulage zu zahlen. -- Weit weniger kostspielig als
die Durchführung dieser Vorschläge ist die Errichtung und die Ergänzung
deutscher Schulmuseeu. Jeder deutschen Schule in China sollte ein Schulmuseum
angegliedert sein, dessen Ausstattung die Sorge der industriellen und kauf¬
männischen Kreise Deutschlands sein müßte. Die Bedeutung derartiger Museen
wird noch längst nicht hinreichend gewürdigt. Das beweist das nach den An¬
gaben seines Leiters äußerst dürftig ausgestattete deutsche Schulmuseum zu
Tsinanfu, dessen Ergänzung durch Modelle, Muster, Bilder usw. in einem
Aufrufe erbeten wurde. Leider ist dieser Aufruf in den industriellen Kreisen
Deutschlands fast ""gehört verhallt -- ein bezeichnendes Symptom für unser
unzureichendes Interesse für die deutsche Arbeit in China. Es ist dringend


Deutschland und die Erschließung «Lhinag

Der Möglichkeiten, unsere Stellung im Schulwesen Chinas zu stärken, gibt
es viele. — In erster Linie kommt natürlich die Errichtung neuer Schulen in
Betracht. So kostspielig gerade die Erfüllung dieser Forderung ist, so wenig dürfen
wir es uns verdrießen lassen, ihr zu entsprechen. Wir gebrauchen neben neuen
Mittel- und höheren Schulen insbesondere neue deutsche Fachschulen: Handels-,
Gewerbe- und Industrieschulen, denen Schulmuseen anzugliedern sind, die den
Chinesen die deutsche Leistungsfähigkeit unmittelbar vor die Augen führen. Wie
kaum auf einem anderen Tätigkeitsgebiete, können sich auf diesem Staats- und
Selbsthilfe ergänzen. Soweit mir bekannt, ist in neuester Zeit durch private
Sammelarbeit eine erhebliche Summe für deutsche Schulzwecke in China zu¬
sammengebracht worden. Es wäre erfreulich, wenn sich die Reichsregierung
entschließen könnte, im nächsten Etat die Bewilligung einer ähnlich hohen Summe
(etwa 1^/z Millionen Mark) beim Parlamente nachzusuchen. Ich glaube, der
Reichstag würde ihre Forderung nicht zurückweisen, denn, wenn nicht alle Zeichen
trügen, gewinnt im Reichsparlament die Überzeugung mehr und mehr an Boden,
daß Deutschland in China große Aufgaben zu erfüllen hat, wenn es aus dessen
wirtschaftlicher Erschließung materielle Vorteile ziehen will. — Mit neuen Lehr¬
anstalten ist es jedoch nicht getan, wir bedürfen auch einer Vergrößerung der
Zahl der deutschen Lehrer in China: einerseits an den dortigen deutschen
Unterrichtsanstalten, anderseits an den chinesischen Staatsschulen. Die Zahl der
deutschen Lehrer an den Regierungsschulen ist lächerlich gering, während eng¬
lische und amerikanische Lehrer und Studenten in großer Zahl an ihnen wirken.
Würde es uns gelingen, die deutsche Lehrerschaft Chinas wesentlich zu vervoll¬
ständigen, so wäre ohne die Aufwendung allzu hoher Kosten vieles gewonnen.
Die jetzige Regierung Chinas, die dem Schulwesen das größte Interesse ent¬
gegenbringt, würde es zweifellos mit Dank begrüßen, wenn sich ihr deutsche
Lehrer zur Verfügung stellen würden. Leider ist die Zahl derer, die in die
chinesischen Schuldienste treten möchten, bei uns, im Gegensatz zu England und
Amerika, gering. Aber ich bin überzeugt, daß sich auch bei uns eine größere
Zahl von Lehrkräften fände, sofern nur Mittel geschaffen würden, um den
hinausreisenden Lehrern die Ausstattungs- und Reisekosten zu erstatten und um
ihnen eine jährliche Funktionszulage zu zahlen. — Weit weniger kostspielig als
die Durchführung dieser Vorschläge ist die Errichtung und die Ergänzung
deutscher Schulmuseeu. Jeder deutschen Schule in China sollte ein Schulmuseum
angegliedert sein, dessen Ausstattung die Sorge der industriellen und kauf¬
männischen Kreise Deutschlands sein müßte. Die Bedeutung derartiger Museen
wird noch längst nicht hinreichend gewürdigt. Das beweist das nach den An¬
gaben seines Leiters äußerst dürftig ausgestattete deutsche Schulmuseum zu
Tsinanfu, dessen Ergänzung durch Modelle, Muster, Bilder usw. in einem
Aufrufe erbeten wurde. Leider ist dieser Aufruf in den industriellen Kreisen
Deutschlands fast »«gehört verhallt — ein bezeichnendes Symptom für unser
unzureichendes Interesse für die deutsche Arbeit in China. Es ist dringend


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[0175] Deutschland und die Erschließung «Lhinag Der Möglichkeiten, unsere Stellung im Schulwesen Chinas zu stärken, gibt es viele. — In erster Linie kommt natürlich die Errichtung neuer Schulen in Betracht. So kostspielig gerade die Erfüllung dieser Forderung ist, so wenig dürfen wir es uns verdrießen lassen, ihr zu entsprechen. Wir gebrauchen neben neuen Mittel- und höheren Schulen insbesondere neue deutsche Fachschulen: Handels-, Gewerbe- und Industrieschulen, denen Schulmuseen anzugliedern sind, die den Chinesen die deutsche Leistungsfähigkeit unmittelbar vor die Augen führen. Wie kaum auf einem anderen Tätigkeitsgebiete, können sich auf diesem Staats- und Selbsthilfe ergänzen. Soweit mir bekannt, ist in neuester Zeit durch private Sammelarbeit eine erhebliche Summe für deutsche Schulzwecke in China zu¬ sammengebracht worden. Es wäre erfreulich, wenn sich die Reichsregierung entschließen könnte, im nächsten Etat die Bewilligung einer ähnlich hohen Summe (etwa 1^/z Millionen Mark) beim Parlamente nachzusuchen. Ich glaube, der Reichstag würde ihre Forderung nicht zurückweisen, denn, wenn nicht alle Zeichen trügen, gewinnt im Reichsparlament die Überzeugung mehr und mehr an Boden, daß Deutschland in China große Aufgaben zu erfüllen hat, wenn es aus dessen wirtschaftlicher Erschließung materielle Vorteile ziehen will. — Mit neuen Lehr¬ anstalten ist es jedoch nicht getan, wir bedürfen auch einer Vergrößerung der Zahl der deutschen Lehrer in China: einerseits an den dortigen deutschen Unterrichtsanstalten, anderseits an den chinesischen Staatsschulen. Die Zahl der deutschen Lehrer an den Regierungsschulen ist lächerlich gering, während eng¬ lische und amerikanische Lehrer und Studenten in großer Zahl an ihnen wirken. Würde es uns gelingen, die deutsche Lehrerschaft Chinas wesentlich zu vervoll¬ ständigen, so wäre ohne die Aufwendung allzu hoher Kosten vieles gewonnen. Die jetzige Regierung Chinas, die dem Schulwesen das größte Interesse ent¬ gegenbringt, würde es zweifellos mit Dank begrüßen, wenn sich ihr deutsche Lehrer zur Verfügung stellen würden. Leider ist die Zahl derer, die in die chinesischen Schuldienste treten möchten, bei uns, im Gegensatz zu England und Amerika, gering. Aber ich bin überzeugt, daß sich auch bei uns eine größere Zahl von Lehrkräften fände, sofern nur Mittel geschaffen würden, um den hinausreisenden Lehrern die Ausstattungs- und Reisekosten zu erstatten und um ihnen eine jährliche Funktionszulage zu zahlen. — Weit weniger kostspielig als die Durchführung dieser Vorschläge ist die Errichtung und die Ergänzung deutscher Schulmuseeu. Jeder deutschen Schule in China sollte ein Schulmuseum angegliedert sein, dessen Ausstattung die Sorge der industriellen und kauf¬ männischen Kreise Deutschlands sein müßte. Die Bedeutung derartiger Museen wird noch längst nicht hinreichend gewürdigt. Das beweist das nach den An¬ gaben seines Leiters äußerst dürftig ausgestattete deutsche Schulmuseum zu Tsinanfu, dessen Ergänzung durch Modelle, Muster, Bilder usw. in einem Aufrufe erbeten wurde. Leider ist dieser Aufruf in den industriellen Kreisen Deutschlands fast »«gehört verhallt — ein bezeichnendes Symptom für unser unzureichendes Interesse für die deutsche Arbeit in China. Es ist dringend

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/175>, abgerufen am 01.07.2024.