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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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dient demselben Zwecke. Sie erschwert die künstliche spekulative Zurückhaltung
unbebauten Bodens von der Bebauung, indem sie verhütet, daß solche unbebaut
liegenbleibenden städtischen Grundstücke wie bisher nach ihrem geringen Nutzungs¬
wert versteuert werden, und indem sie diese Grundstücke nach ihrem ost be¬
deutenden gemeinen Werte trifft.

Doch mit allen diesen Maßnahmen ist es nicht getan: die Bodenreformer
empfehlen dauernd eine große Zahl kleiner und großer Mittel, um der Ver¬
teuerung des Bodens vorzubeugen (die Ausdehnung des Enteignungsrechts für
die Gemeinden zur Landbeschaffung für Zwecke der öffentlichen Wohlfahrt, Ein¬
führung einer Verschuldungsgrenze bis zur Hälfte des wirklichen Wertes, Um¬
wandlung der kündbaren Hypotheken in unkündbare amortisierbare, dazu ein
allgemeines Vorkaufsrecht des Staats und der Kommunen bei Zwangsver¬
steigerungen), und wie der kürzlich im Reichstage gestellte entsprechende Antrag
der nationalliberalen Abgeordneten Bassermann und Schiffer zeigt, haben sie
mit ihren Bestrebungen Erfolg.

Alle diese staatlichen, gemeindlichen und wissenschaftlichen Bestrebungen lassen
sich in folgende Gruppen teilen:

1. Zurückgewinnung des ganzen Grundeigentums vom Grundbesitzer und
Verteilung des Landes an kleine Besitzer mit freien: Eigentum.
2. Schutz des freien Eigentümers vor Verschuldung.
3. Erhaltung des Grundeigentums für die Familie.
4. Neuerdings Schaffung von Großgrundbesitz in der Hand des Staates
und der Gemeinden zum Zwecke der Schaffung van billigeren und
gesünderen Wohnungen, von Erbbaurechten und beschränkt verfügungs¬
freien Eigentümern.
5. Zurückgewinnung der unverdienten Grundrente durch Besteuerung.

Diese Maßregeln können segensreich wirken und werden unter den heutigen
Verhältnissen auszubauen sein. Aber alle die großen und kleinen Mittel
haben das anzustrebende Ziel, die Zurückgewinnung der Grund¬
rente für die Allgemeinheit, noch nicht entfernt erreicht und können
es wohl nicht erreichen. Die Teuerung schreitet deshalb unaufhörlich fort,
sie belastet die gesamte Lebenshaltung auch desjenigen, der seinen Grundbesitz
teuer verkauft hat. Wie wenige Gemeinden werden imstande sein, weite Lände¬
reien zu kaufen, und wie wenige von diesen werden den von den Boden¬
reformern erhofften Gebrauch von ihrem großen Grundbesitz machen können!
Das Verhalten des viel stärkeren Forstfiskus lehrt noch in neuester Zeit, daß
nicht einmal er, der größte Grundbesitzer des preußischen Staates, unter
den heutigen Verhältnissen darauf verzichten kann und als Staatswirt auch
nicht darauf verzichten will, seine Ländereien mit möglichstem Nutzen an einzelne
Gemeinden oder kommunale Verbände zu verkaufen, und die Gemeinden werden
in schwierigen Zeiten bei sich bietender Gelegenheit mit ihrem Großgrundbesitz


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dient demselben Zwecke. Sie erschwert die künstliche spekulative Zurückhaltung
unbebauten Bodens von der Bebauung, indem sie verhütet, daß solche unbebaut
liegenbleibenden städtischen Grundstücke wie bisher nach ihrem geringen Nutzungs¬
wert versteuert werden, und indem sie diese Grundstücke nach ihrem ost be¬
deutenden gemeinen Werte trifft.

Doch mit allen diesen Maßnahmen ist es nicht getan: die Bodenreformer
empfehlen dauernd eine große Zahl kleiner und großer Mittel, um der Ver¬
teuerung des Bodens vorzubeugen (die Ausdehnung des Enteignungsrechts für
die Gemeinden zur Landbeschaffung für Zwecke der öffentlichen Wohlfahrt, Ein¬
führung einer Verschuldungsgrenze bis zur Hälfte des wirklichen Wertes, Um¬
wandlung der kündbaren Hypotheken in unkündbare amortisierbare, dazu ein
allgemeines Vorkaufsrecht des Staats und der Kommunen bei Zwangsver¬
steigerungen), und wie der kürzlich im Reichstage gestellte entsprechende Antrag
der nationalliberalen Abgeordneten Bassermann und Schiffer zeigt, haben sie
mit ihren Bestrebungen Erfolg.

Alle diese staatlichen, gemeindlichen und wissenschaftlichen Bestrebungen lassen
sich in folgende Gruppen teilen:

1. Zurückgewinnung des ganzen Grundeigentums vom Grundbesitzer und
Verteilung des Landes an kleine Besitzer mit freien: Eigentum.
2. Schutz des freien Eigentümers vor Verschuldung.
3. Erhaltung des Grundeigentums für die Familie.
4. Neuerdings Schaffung von Großgrundbesitz in der Hand des Staates
und der Gemeinden zum Zwecke der Schaffung van billigeren und
gesünderen Wohnungen, von Erbbaurechten und beschränkt verfügungs¬
freien Eigentümern.
5. Zurückgewinnung der unverdienten Grundrente durch Besteuerung.

Diese Maßregeln können segensreich wirken und werden unter den heutigen
Verhältnissen auszubauen sein. Aber alle die großen und kleinen Mittel
haben das anzustrebende Ziel, die Zurückgewinnung der Grund¬
rente für die Allgemeinheit, noch nicht entfernt erreicht und können
es wohl nicht erreichen. Die Teuerung schreitet deshalb unaufhörlich fort,
sie belastet die gesamte Lebenshaltung auch desjenigen, der seinen Grundbesitz
teuer verkauft hat. Wie wenige Gemeinden werden imstande sein, weite Lände¬
reien zu kaufen, und wie wenige von diesen werden den von den Boden¬
reformern erhofften Gebrauch von ihrem großen Grundbesitz machen können!
Das Verhalten des viel stärkeren Forstfiskus lehrt noch in neuester Zeit, daß
nicht einmal er, der größte Grundbesitzer des preußischen Staates, unter
den heutigen Verhältnissen darauf verzichten kann und als Staatswirt auch
nicht darauf verzichten will, seine Ländereien mit möglichstem Nutzen an einzelne
Gemeinden oder kommunale Verbände zu verkaufen, und die Gemeinden werden
in schwierigen Zeiten bei sich bietender Gelegenheit mit ihrem Großgrundbesitz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/16>, abgerufen am 22.12.2024.