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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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nach denselben Grundsätzen verfahren und ihre bodenreformerischen Grundsätze
fallen lassen müssen.

Verstaatlichung und Kommunalisierung des Grund und Bodens sind eben
keine Begriffswesenheiten, sondern nur Schlagworte, höchstens Rahmen eines
Programms. Anhäufung von Grundbesitz in einer mächtigen Hand kann gut
oder schlecht wirken, je nach den Nebenumständen, unter denen es geschieht.
Vergangene Jahrhunderte wissen von Latifundienwirtschaft und von dem Besitz
der toten Hand nicht viel Gutes zu erzählen. Der Geist der Verwaltung des
Besitzes ist das Entscheidende. Aber die Personen wechseln und der Zwang der
äußeren Verhältnisse ändert sich. Weil deshalb für lange Zeiträume, besonders
für Zeiten wirtschaftlicher Bedrängnis, betreffs der Gemeinnützigkeit der Ver¬
waltung Garantien nicht gegeben werden können, so handelt es sich bei der
Verstaatlichung und Kommunalisierung um ein gefahrvolles Experiment,
das leicht gerade das Übel wird begünstigen müssen, gegen welches es sich
heute richtet.

Schließlich werden auch staatlicher und kommunaler Grunderwerb doch nur
einen kleinen Teil des ungeheuren Gebiets des Deutschen Reiches besseren Zu¬
ständen entgegenführen können, wenn schon sie ihrem Ziele überhaupt treu
zu bleiben vermögen. Die prozentuale Verschuldungsgrenze folgt der Wert¬
steigerung, kann also ini Verhältnis zum Ertrage eine Überschuldung
gestatten, vor der auch die unkündbare Amortisationshypothek -- die zudem
immer unbeliebter wird -- nur einen schwachen Schutz bieten wird, da
sie ebenfalls dem gemeinen Werte folgen und zudem nur für einen höheren
Zinsfuß zu haben sein wird, als eine kündbare Hypothek. Reich, Staat, Ge¬
meinden nehmen jetzt, wie Private einschließlich der künstlich angesetzten Kolonisten,
als Grundbesitzer an der allgemeinen Wertsteigerung des Bodens teil, auch in
den zur bloßen Benutzung fortgegebenen Ländereien.

Die Maßregeln zur Verhütung der Verschuldung dienen der Freihaltung
der Grundrente als Steuerquelle. Die Besteuerung der Grundrente wird zu
dem gleichen Zwecke schonend angesetzt, die Wertzuwachssteuer erreicht höchstens
30 vom Hundert der Wertsteigerung, ja selbst in Kiautschou nur 33^/z vom
Hundert.

Also das allgemein anerkannte Übel des Fortschreitens der Teuerung
bleibt allen diesen Maßregeln zum Trotz bestehen. Man findet sich damit
ab und sucht nur in Staat und Gemeinden davon zu profitieren und tut das
alles der Freiheit der Entwicklung zuliebe. Und doch hat man in diese Freiheit
der geschichtlichen Entwicklung vermittelst der vorher erwähnten großen Gesetze
in schwerster Weise und zwar zum Segen des Staates eingegriffen, in das
Privateigentum wie in die Realrechte, und selbst eine Beschränkung der persön¬
lichen Freiheit gutgeheißen, wie sie in dem Erbbaurecht und in der Verschuldungs¬
grenze liegt. Freilich galten die von der Gesetzgebung betroffenen Eigentums¬
rechte als überlebt und abgestorben. Aber wie wenig sie das waren, das zeigt


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nach denselben Grundsätzen verfahren und ihre bodenreformerischen Grundsätze
fallen lassen müssen.

Verstaatlichung und Kommunalisierung des Grund und Bodens sind eben
keine Begriffswesenheiten, sondern nur Schlagworte, höchstens Rahmen eines
Programms. Anhäufung von Grundbesitz in einer mächtigen Hand kann gut
oder schlecht wirken, je nach den Nebenumständen, unter denen es geschieht.
Vergangene Jahrhunderte wissen von Latifundienwirtschaft und von dem Besitz
der toten Hand nicht viel Gutes zu erzählen. Der Geist der Verwaltung des
Besitzes ist das Entscheidende. Aber die Personen wechseln und der Zwang der
äußeren Verhältnisse ändert sich. Weil deshalb für lange Zeiträume, besonders
für Zeiten wirtschaftlicher Bedrängnis, betreffs der Gemeinnützigkeit der Ver¬
waltung Garantien nicht gegeben werden können, so handelt es sich bei der
Verstaatlichung und Kommunalisierung um ein gefahrvolles Experiment,
das leicht gerade das Übel wird begünstigen müssen, gegen welches es sich
heute richtet.

Schließlich werden auch staatlicher und kommunaler Grunderwerb doch nur
einen kleinen Teil des ungeheuren Gebiets des Deutschen Reiches besseren Zu¬
ständen entgegenführen können, wenn schon sie ihrem Ziele überhaupt treu
zu bleiben vermögen. Die prozentuale Verschuldungsgrenze folgt der Wert¬
steigerung, kann also ini Verhältnis zum Ertrage eine Überschuldung
gestatten, vor der auch die unkündbare Amortisationshypothek — die zudem
immer unbeliebter wird — nur einen schwachen Schutz bieten wird, da
sie ebenfalls dem gemeinen Werte folgen und zudem nur für einen höheren
Zinsfuß zu haben sein wird, als eine kündbare Hypothek. Reich, Staat, Ge¬
meinden nehmen jetzt, wie Private einschließlich der künstlich angesetzten Kolonisten,
als Grundbesitzer an der allgemeinen Wertsteigerung des Bodens teil, auch in
den zur bloßen Benutzung fortgegebenen Ländereien.

Die Maßregeln zur Verhütung der Verschuldung dienen der Freihaltung
der Grundrente als Steuerquelle. Die Besteuerung der Grundrente wird zu
dem gleichen Zwecke schonend angesetzt, die Wertzuwachssteuer erreicht höchstens
30 vom Hundert der Wertsteigerung, ja selbst in Kiautschou nur 33^/z vom
Hundert.

Also das allgemein anerkannte Übel des Fortschreitens der Teuerung
bleibt allen diesen Maßregeln zum Trotz bestehen. Man findet sich damit
ab und sucht nur in Staat und Gemeinden davon zu profitieren und tut das
alles der Freiheit der Entwicklung zuliebe. Und doch hat man in diese Freiheit
der geschichtlichen Entwicklung vermittelst der vorher erwähnten großen Gesetze
in schwerster Weise und zwar zum Segen des Staates eingegriffen, in das
Privateigentum wie in die Realrechte, und selbst eine Beschränkung der persön¬
lichen Freiheit gutgeheißen, wie sie in dem Erbbaurecht und in der Verschuldungs¬
grenze liegt. Freilich galten die von der Gesetzgebung betroffenen Eigentums¬
rechte als überlebt und abgestorben. Aber wie wenig sie das waren, das zeigt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/17>, abgerufen am 05.07.2024.