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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Vevölkerungspolitik und Einkommensteuer
Majorcitsbesitzer Adolf von B atocki vonans

le preußische Negierung hat vor kurzem in berechtigter Sorge um
die rückgängige Entwicklung der Geburtenhäufigkeit Mahnungen
und Anfragen in die Provinzen ergehen lassen. Ein Ministerial¬
direktor hat allerdings ausgesprochen, daß der Geburtenrückgang an
sich keineswegs etwas Bedenkliches, sondern eher ein Zeichen ver¬
feinerter Kultur sei. Mag dieser letzteren Auffassung theoretisch ein berechtigter
Kern zugrunde liegen, so beweist sie praktisch doch nur, daß die tatsächliche Lage
Deutschlands, soweit sie das Kräfteverhältnis unter den rivalisierenden Völkern
berührt, ungünstiger zu werden droht; denn eine Kultur, die nicht festgehalten
und verteidigt werden kann, ist auf Sand gebaut. Gerade unser Vaterland
braucht dringend eine Volksvermehrung nicht nur aus wirtschaftlichen und
politischen, sondern auch aus kulturellen Gründen. Die Auswanderung, unter
Umständen ein Zeichen der Übervölkerung, oder auch einer rückgängiger wirt¬
schaftlichen Entwicklung, hat seit Einführung der Schutzzollpolitik fast ganz auf¬
gehört; umgekehrt werden von der Industrie wie von der Landwirtschaft zur
Erzeugung der für unsere Ernährung und wirtschaftliche Entwicklung notwendigen
Güter außer den inländischen Arbeitskräften in zunehmendem Maße ausländische
Hilfstruppen gebraucht. Arbeitslosigkeit tritt zwar bei örtlichen oder allgemeinen
Schwankungen der wirtschaftlichen Konjunktur hier und da ein, ist aber im
Durchschnitt auch in erfreulichem Maße zurückgegangen und städtische Arbeitslose
würden, wenn sie ländliche Jahresstellen annehmen wollten, fast stets Arbeits¬
gelegenheit finden. In solcher wirtschaftlichen Lage bietet eine starke Be¬
völkerungszunahme wahrlich keine wirtschaftliche Gefahr. Die geographische und
dadurch bedingte politische Lage Deutschlands und des Deutschtums überhaupt,
erfordert aber noch dringender als jemals früher eine Zunahme der Bevölkerung,
wenn wir unsere deutsche Kultur gegenüber dem quantitativ wie qualitativ
sich rapide entwickelnden Slawentum des nahen Ostens und des Mongolentums
im fernen siegreich erhalten wollen. Auch unsere endlich nach jahrzehntelangem
Stillstand energisch und zielbewußt erschlossenen und geförderten Kolonien können
eine zunehmende Menge deutscher Zuwanderer aufnehmen.






Vevölkerungspolitik und Einkommensteuer
Majorcitsbesitzer Adolf von B atocki vonans

le preußische Negierung hat vor kurzem in berechtigter Sorge um
die rückgängige Entwicklung der Geburtenhäufigkeit Mahnungen
und Anfragen in die Provinzen ergehen lassen. Ein Ministerial¬
direktor hat allerdings ausgesprochen, daß der Geburtenrückgang an
sich keineswegs etwas Bedenkliches, sondern eher ein Zeichen ver¬
feinerter Kultur sei. Mag dieser letzteren Auffassung theoretisch ein berechtigter
Kern zugrunde liegen, so beweist sie praktisch doch nur, daß die tatsächliche Lage
Deutschlands, soweit sie das Kräfteverhältnis unter den rivalisierenden Völkern
berührt, ungünstiger zu werden droht; denn eine Kultur, die nicht festgehalten
und verteidigt werden kann, ist auf Sand gebaut. Gerade unser Vaterland
braucht dringend eine Volksvermehrung nicht nur aus wirtschaftlichen und
politischen, sondern auch aus kulturellen Gründen. Die Auswanderung, unter
Umständen ein Zeichen der Übervölkerung, oder auch einer rückgängiger wirt¬
schaftlichen Entwicklung, hat seit Einführung der Schutzzollpolitik fast ganz auf¬
gehört; umgekehrt werden von der Industrie wie von der Landwirtschaft zur
Erzeugung der für unsere Ernährung und wirtschaftliche Entwicklung notwendigen
Güter außer den inländischen Arbeitskräften in zunehmendem Maße ausländische
Hilfstruppen gebraucht. Arbeitslosigkeit tritt zwar bei örtlichen oder allgemeinen
Schwankungen der wirtschaftlichen Konjunktur hier und da ein, ist aber im
Durchschnitt auch in erfreulichem Maße zurückgegangen und städtische Arbeitslose
würden, wenn sie ländliche Jahresstellen annehmen wollten, fast stets Arbeits¬
gelegenheit finden. In solcher wirtschaftlichen Lage bietet eine starke Be¬
völkerungszunahme wahrlich keine wirtschaftliche Gefahr. Die geographische und
dadurch bedingte politische Lage Deutschlands und des Deutschtums überhaupt,
erfordert aber noch dringender als jemals früher eine Zunahme der Bevölkerung,
wenn wir unsere deutsche Kultur gegenüber dem quantitativ wie qualitativ
sich rapide entwickelnden Slawentum des nahen Ostens und des Mongolentums
im fernen siegreich erhalten wollen. Auch unsere endlich nach jahrzehntelangem
Stillstand energisch und zielbewußt erschlossenen und geförderten Kolonien können
eine zunehmende Menge deutscher Zuwanderer aufnehmen.




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[0139] [Abbildung] Vevölkerungspolitik und Einkommensteuer Majorcitsbesitzer Adolf von B atocki vonans le preußische Negierung hat vor kurzem in berechtigter Sorge um die rückgängige Entwicklung der Geburtenhäufigkeit Mahnungen und Anfragen in die Provinzen ergehen lassen. Ein Ministerial¬ direktor hat allerdings ausgesprochen, daß der Geburtenrückgang an sich keineswegs etwas Bedenkliches, sondern eher ein Zeichen ver¬ feinerter Kultur sei. Mag dieser letzteren Auffassung theoretisch ein berechtigter Kern zugrunde liegen, so beweist sie praktisch doch nur, daß die tatsächliche Lage Deutschlands, soweit sie das Kräfteverhältnis unter den rivalisierenden Völkern berührt, ungünstiger zu werden droht; denn eine Kultur, die nicht festgehalten und verteidigt werden kann, ist auf Sand gebaut. Gerade unser Vaterland braucht dringend eine Volksvermehrung nicht nur aus wirtschaftlichen und politischen, sondern auch aus kulturellen Gründen. Die Auswanderung, unter Umständen ein Zeichen der Übervölkerung, oder auch einer rückgängiger wirt¬ schaftlichen Entwicklung, hat seit Einführung der Schutzzollpolitik fast ganz auf¬ gehört; umgekehrt werden von der Industrie wie von der Landwirtschaft zur Erzeugung der für unsere Ernährung und wirtschaftliche Entwicklung notwendigen Güter außer den inländischen Arbeitskräften in zunehmendem Maße ausländische Hilfstruppen gebraucht. Arbeitslosigkeit tritt zwar bei örtlichen oder allgemeinen Schwankungen der wirtschaftlichen Konjunktur hier und da ein, ist aber im Durchschnitt auch in erfreulichem Maße zurückgegangen und städtische Arbeitslose würden, wenn sie ländliche Jahresstellen annehmen wollten, fast stets Arbeits¬ gelegenheit finden. In solcher wirtschaftlichen Lage bietet eine starke Be¬ völkerungszunahme wahrlich keine wirtschaftliche Gefahr. Die geographische und dadurch bedingte politische Lage Deutschlands und des Deutschtums überhaupt, erfordert aber noch dringender als jemals früher eine Zunahme der Bevölkerung, wenn wir unsere deutsche Kultur gegenüber dem quantitativ wie qualitativ sich rapide entwickelnden Slawentum des nahen Ostens und des Mongolentums im fernen siegreich erhalten wollen. Auch unsere endlich nach jahrzehntelangem Stillstand energisch und zielbewußt erschlossenen und geförderten Kolonien können eine zunehmende Menge deutscher Zuwanderer aufnehmen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/139>, abgerufen am 30.06.2024.