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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Das ist auch bei Specks Buch der Fall,
Zunächst ist die Erzählung rein sprachlich ein
Beispiel für alle Vorzüge der alten Schreib¬
weise. Ruhig und gleichmäßig, sich allen
Stimmungen anschmiegend, fließt die Sprache
dahin; stellenweise, insbesondere in den Schlu߬
kapiteln, erhebt sie sich zu vollendeter Schönheit.

Und wie die Sprache im Fortschreiten der
Erzählung zu immer reineren Höhen ansteigt,
so auch das, was den eigentlichen Inhalt des
Buches ausmacht, der alte Glaube an einen
persönlichen Gott, der jedes einzelnen Men¬
schen, auch des Verbrechers, Schicksal führt,
der Glaube vom Leben als einer Erziehung
zu einem Dasein jenseits der Erde.

Der Verbrecher, dessen Lebensgang Speck
schildert, kann keine Anklage gegen die Ge¬

[Spaltenumbruch]

sellschaft erheben, die ihm im Gegenteil mit
einer nicht immer glaubhaften Milde entgegen¬
tritt, er sinkt am Widerstreit seiner zwei Seelen
hinunter, bis die bessere Seele die Oberhand
gewinnt und er sich zum Schluß der Erzäh¬
lung zu einem Menschen von fast wunder¬
barer Reinheit entwickelt.

Ein wenig wie ein Märchen hat mich das
Buch angemutet. Die dunklen Tiefen des
Lebens, durch die es führt, sie wollen nicht
ganz so schrecken, wie sie es möchten; schon
im ersten Ton klingt das gute Ende an. Ein
fröhlicher Glaube an alles Gute und Schöne
steht über dem dunklen Inhalt des Buches,
wie der Weihnachtsbaum doppelt hell in der
Winternacht strahlt.

Gelo Goebel [Ende Spaltensatz]


Nachdruck sämtlicher AnfsSlie nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet.
Verantwortlich: der Herausgeber George Cleinow in Schöneberg. -- Manustriptsendnngen und Briefe werde"
erbeten unter der Adresse:
An den Herausgeber der Grenzboten in Friedenau bei Berlin, Hcdwigstr. t".
Fernsprecher der Schristleitung:. Amt Abt-ab MM, des Verlags: Amt Lühow S510.
Verlag: Verlag der Grenzboten G. in. b. H. in Berlin SV/. 11.
Druck: "Der Reichsbote" G. in. b. H. in Berlin SV/. 11, D-ssauer Strasze M/S7.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Das ist auch bei Specks Buch der Fall,
Zunächst ist die Erzählung rein sprachlich ein
Beispiel für alle Vorzüge der alten Schreib¬
weise. Ruhig und gleichmäßig, sich allen
Stimmungen anschmiegend, fließt die Sprache
dahin; stellenweise, insbesondere in den Schlu߬
kapiteln, erhebt sie sich zu vollendeter Schönheit.

Und wie die Sprache im Fortschreiten der
Erzählung zu immer reineren Höhen ansteigt,
so auch das, was den eigentlichen Inhalt des
Buches ausmacht, der alte Glaube an einen
persönlichen Gott, der jedes einzelnen Men¬
schen, auch des Verbrechers, Schicksal führt,
der Glaube vom Leben als einer Erziehung
zu einem Dasein jenseits der Erde.

Der Verbrecher, dessen Lebensgang Speck
schildert, kann keine Anklage gegen die Ge¬

[Spaltenumbruch]

sellschaft erheben, die ihm im Gegenteil mit
einer nicht immer glaubhaften Milde entgegen¬
tritt, er sinkt am Widerstreit seiner zwei Seelen
hinunter, bis die bessere Seele die Oberhand
gewinnt und er sich zum Schluß der Erzäh¬
lung zu einem Menschen von fast wunder¬
barer Reinheit entwickelt.

Ein wenig wie ein Märchen hat mich das
Buch angemutet. Die dunklen Tiefen des
Lebens, durch die es führt, sie wollen nicht
ganz so schrecken, wie sie es möchten; schon
im ersten Ton klingt das gute Ende an. Ein
fröhlicher Glaube an alles Gute und Schöne
steht über dem dunklen Inhalt des Buches,
wie der Weihnachtsbaum doppelt hell in der
Winternacht strahlt.

Gelo Goebel [Ende Spaltensatz]


Nachdruck sämtlicher AnfsSlie nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet.
Verantwortlich: der Herausgeber George Cleinow in Schöneberg. — Manustriptsendnngen und Briefe werde»
erbeten unter der Adresse:
An den Herausgeber der Grenzboten in Friedenau bei Berlin, Hcdwigstr. t».
Fernsprecher der Schristleitung:. Amt Abt-ab MM, des Verlags: Amt Lühow S510.
Verlag: Verlag der Grenzboten G. in. b. H. in Berlin SV/. 11.
Druck: „Der Reichsbote" G. in. b. H. in Berlin SV/. 11, D-ssauer Strasze M/S7.


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[0116] Maßgebliches und Unmaßgebliches Das ist auch bei Specks Buch der Fall, Zunächst ist die Erzählung rein sprachlich ein Beispiel für alle Vorzüge der alten Schreib¬ weise. Ruhig und gleichmäßig, sich allen Stimmungen anschmiegend, fließt die Sprache dahin; stellenweise, insbesondere in den Schlu߬ kapiteln, erhebt sie sich zu vollendeter Schönheit. Und wie die Sprache im Fortschreiten der Erzählung zu immer reineren Höhen ansteigt, so auch das, was den eigentlichen Inhalt des Buches ausmacht, der alte Glaube an einen persönlichen Gott, der jedes einzelnen Men¬ schen, auch des Verbrechers, Schicksal führt, der Glaube vom Leben als einer Erziehung zu einem Dasein jenseits der Erde. Der Verbrecher, dessen Lebensgang Speck schildert, kann keine Anklage gegen die Ge¬ sellschaft erheben, die ihm im Gegenteil mit einer nicht immer glaubhaften Milde entgegen¬ tritt, er sinkt am Widerstreit seiner zwei Seelen hinunter, bis die bessere Seele die Oberhand gewinnt und er sich zum Schluß der Erzäh¬ lung zu einem Menschen von fast wunder¬ barer Reinheit entwickelt. Ein wenig wie ein Märchen hat mich das Buch angemutet. Die dunklen Tiefen des Lebens, durch die es führt, sie wollen nicht ganz so schrecken, wie sie es möchten; schon im ersten Ton klingt das gute Ende an. Ein fröhlicher Glaube an alles Gute und Schöne steht über dem dunklen Inhalt des Buches, wie der Weihnachtsbaum doppelt hell in der Winternacht strahlt. Gelo Goebel Nachdruck sämtlicher AnfsSlie nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet. Verantwortlich: der Herausgeber George Cleinow in Schöneberg. — Manustriptsendnngen und Briefe werde» erbeten unter der Adresse: An den Herausgeber der Grenzboten in Friedenau bei Berlin, Hcdwigstr. t». Fernsprecher der Schristleitung:. Amt Abt-ab MM, des Verlags: Amt Lühow S510. Verlag: Verlag der Grenzboten G. in. b. H. in Berlin SV/. 11. Druck: „Der Reichsbote" G. in. b. H. in Berlin SV/. 11, D-ssauer Strasze M/S7.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/116>, abgerufen am 22.12.2024.