Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Drei Aöuigc aber die Stimmung in Dresden bereits besser. Anderwärts jedoch, besonders Die Ereignisse des Jahres 1848 haben die Schwäche und den wankenden Drei Aöuigc aber die Stimmung in Dresden bereits besser. Anderwärts jedoch, besonders Die Ereignisse des Jahres 1848 haben die Schwäche und den wankenden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0614" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323016"/> <fw type="header" place="top"> Drei Aöuigc</fw><lb/> <p xml:id="ID_3021" prev="#ID_3020"> aber die Stimmung in Dresden bereits besser. Anderwärts jedoch, besonders<lb/> im Erzgebirge und im Vogtlande, spuke der böse Geist noch. Er machte den<lb/> Kronprinzen mit dem Entschlüsse zur Umgestaltung der Verfassung bekannt.<lb/> Dafür sprachen ihm die Unterlassungssünden des vergangenen Landtags, der nicht<lb/> vorwärts und nicht rückwärts wollte, des weiteren der Wunsch, stürmischeren<lb/> Ansprüchen dadurch zuvorzukommen. Dann konnte sich die Regierung das Heft<lb/> in der Hand sichern. Die Stände sollten in der alten Weise einberufen, es sollte in<lb/> Gemeinschaft mit ihnen beraten werden, ohne alle Neuerungssucht, in der Absicht,<lb/> sich möglichst an das Bestehende anzuschließen. Denn den „ Glücklichmach ereien<lb/> und dem Revolutionieren" war auch Prinz Johann nicht hold. Dem Rad der<lb/> Entwicklung kurzweg in die Speichen zu greifen, wie Friedrich Wilhelm wollte,<lb/> davor bewahrte ihn doch sein stärker ausgeprägter Wirklichkeitssinn. Er stellte<lb/> sich mit einem vorsichtigen Reformprogramm auf den Boden der neuen Zeit<lb/> und nahm dann auch an den Arbeiten des ersten konstitutionellen Landtags<lb/> und seiner Nachfolger als Mitglied der Ersten Kammer tätig und gewissenhaft<lb/> Anteil. Dieses Verhalten schützte ihn freilich späterhin in den Jahren, die dem<lb/> Ausbruch der Märzrevolution vorangingen, nicht vor dem schmerzlichen Verdacht,<lb/> das Haupt einer ultraronalistischen Partei zu sein. Der Berufung des<lb/> Vereinigten Landtags in Preußen sah er mit innerem Unbehagen entgegen, und<lb/> zwar nicht zuletzt deshalb, weil er offenbar an der Zielbewnßtheit seines Freundes<lb/> zweifelte. Er warnte ihn ziemlich unverblümt: „Thue nichts, zu dessen<lb/> consequentester Durchführung Du nicht in Dir und in den Verhältnissen die<lb/> Kraft fühlst; denn daß die zerstörende Partei jede Gelegenheit als Handhabe<lb/> zu ihren Zwecken benutzen wird, ist außer Zweifel, und man muß sich darüber<lb/> keiner Täuschung hingeben. Darum bewahre Dir das Heft in der Hand.<lb/> Verzeihe, daß ich mir so etwas gegen Dich erlaube, aber ein alter Freund darf<lb/> wohl aufrichtig sprechen. Gott segne und erleuchte Dich."</p><lb/> <p xml:id="ID_3022" next="#ID_3023"> Die Ereignisse des Jahres 1848 haben die Schwäche und den wankenden<lb/> Sinn König Friedrich Wilhelms in der Tat erwiesen. Johann beschwor ihn<lb/> Mitte März, als die Wiener Unruhen Metternich zum Rücktritt zwangen, die<lb/> Erregung nicht auf die Spitze zu treiben. Sein eigener Bruder hatte das<lb/> Ministerium gewechselt, an dessen Spitze ein liberaler Führer trat, und eine<lb/> Reihe von Wünschen gewährt. Er drängte Friedrich Wilhelm zu einem gleichen<lb/> Schritte. „Mislingt eine gewaltsame Unterdrückung," schrieb er ihm, „so ist<lb/> das Schicksal aller Fürsten Deutschlands entschieden, und glaube mir. die<lb/> öffentliche Meinung ist zu stark, als daß ihr auf die Länge mit blos mechanischen<lb/> Mitteln entgegen zu arbeiten sey. . . . Ahme so viel als möglich unser Beispiel<lb/> nach. Es ist der einzige Weg, der sür Preußen und ganz Teutschland zum<lb/> Heile führt. Man kann nicht mit dem Kopf durch die Wand." Als dieser<lb/> Brief in Berlin eintraf, war die Revolution in vollem Gange. Erinnerte sich<lb/> Johann bei dem Zusammenbruch seines königlichen Freundes an die absprechender<lb/> Worte, mit denen Friedrich Wilhelm nach den Juliunruhen vor achtzehn Jahren</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0614]
Drei Aöuigc
aber die Stimmung in Dresden bereits besser. Anderwärts jedoch, besonders
im Erzgebirge und im Vogtlande, spuke der böse Geist noch. Er machte den
Kronprinzen mit dem Entschlüsse zur Umgestaltung der Verfassung bekannt.
Dafür sprachen ihm die Unterlassungssünden des vergangenen Landtags, der nicht
vorwärts und nicht rückwärts wollte, des weiteren der Wunsch, stürmischeren
Ansprüchen dadurch zuvorzukommen. Dann konnte sich die Regierung das Heft
in der Hand sichern. Die Stände sollten in der alten Weise einberufen, es sollte in
Gemeinschaft mit ihnen beraten werden, ohne alle Neuerungssucht, in der Absicht,
sich möglichst an das Bestehende anzuschließen. Denn den „ Glücklichmach ereien
und dem Revolutionieren" war auch Prinz Johann nicht hold. Dem Rad der
Entwicklung kurzweg in die Speichen zu greifen, wie Friedrich Wilhelm wollte,
davor bewahrte ihn doch sein stärker ausgeprägter Wirklichkeitssinn. Er stellte
sich mit einem vorsichtigen Reformprogramm auf den Boden der neuen Zeit
und nahm dann auch an den Arbeiten des ersten konstitutionellen Landtags
und seiner Nachfolger als Mitglied der Ersten Kammer tätig und gewissenhaft
Anteil. Dieses Verhalten schützte ihn freilich späterhin in den Jahren, die dem
Ausbruch der Märzrevolution vorangingen, nicht vor dem schmerzlichen Verdacht,
das Haupt einer ultraronalistischen Partei zu sein. Der Berufung des
Vereinigten Landtags in Preußen sah er mit innerem Unbehagen entgegen, und
zwar nicht zuletzt deshalb, weil er offenbar an der Zielbewnßtheit seines Freundes
zweifelte. Er warnte ihn ziemlich unverblümt: „Thue nichts, zu dessen
consequentester Durchführung Du nicht in Dir und in den Verhältnissen die
Kraft fühlst; denn daß die zerstörende Partei jede Gelegenheit als Handhabe
zu ihren Zwecken benutzen wird, ist außer Zweifel, und man muß sich darüber
keiner Täuschung hingeben. Darum bewahre Dir das Heft in der Hand.
Verzeihe, daß ich mir so etwas gegen Dich erlaube, aber ein alter Freund darf
wohl aufrichtig sprechen. Gott segne und erleuchte Dich."
Die Ereignisse des Jahres 1848 haben die Schwäche und den wankenden
Sinn König Friedrich Wilhelms in der Tat erwiesen. Johann beschwor ihn
Mitte März, als die Wiener Unruhen Metternich zum Rücktritt zwangen, die
Erregung nicht auf die Spitze zu treiben. Sein eigener Bruder hatte das
Ministerium gewechselt, an dessen Spitze ein liberaler Führer trat, und eine
Reihe von Wünschen gewährt. Er drängte Friedrich Wilhelm zu einem gleichen
Schritte. „Mislingt eine gewaltsame Unterdrückung," schrieb er ihm, „so ist
das Schicksal aller Fürsten Deutschlands entschieden, und glaube mir. die
öffentliche Meinung ist zu stark, als daß ihr auf die Länge mit blos mechanischen
Mitteln entgegen zu arbeiten sey. . . . Ahme so viel als möglich unser Beispiel
nach. Es ist der einzige Weg, der sür Preußen und ganz Teutschland zum
Heile führt. Man kann nicht mit dem Kopf durch die Wand." Als dieser
Brief in Berlin eintraf, war die Revolution in vollem Gange. Erinnerte sich
Johann bei dem Zusammenbruch seines königlichen Freundes an die absprechender
Worte, mit denen Friedrich Wilhelm nach den Juliunruhen vor achtzehn Jahren
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |