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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Drei Aönige

strömt --. Im schlimmsten Fall, der aber gewiß nicht eintritt, wenn Nachdruck
dem guten Recht zu Hülfe kommt, dann bedarfs eines Winkes und 10 Gar¬
nisonen von Böhmen, Brandenburg und Schlesien usw. stehen Euch zu Gebots --.
Aber um Gottes Willen zeigt doch endlich Ernst. Es ist zwar meiner Meinung
und Überzeugung nach Vieles falsch angegriffen, viel zu viel für den Augenblick
gewährt worden -- aber es ist noch nicht zu spät. Dresden will keine Truppen
leiden? -- wahrlich das ist mais. Ich beschwöre Dich, Geliebtester Freund,
wirke dahin, daß man kein Federlesen's mit den Kerls mache. Beunruhigt die
Dresdner das Zusammenziehen oder Nähern von Truppen, so Spotte man der
Unruhe --. Nur die Bösen kann das beunruhigen --. Protestieren sie da¬
gegen, so rede man königlich mit ihnen ein frisirtes Halt's Maul --. Drohen
sie, so verweise man sie auf die schleunige Antwort aus dem Munde der Geschütze
und sage ihnen deutlich, daß man sie für getreue Untertanen halte, aber ganz
bereit sey, falls sie's vorzögen, sie auch als Rebellen zu behandeln --. Glaub
mir Hansy -- es muxt kein Dresdner."

Den Tag darauf vernahm er mit Freuden, daß die Dresdener selber um
den Einmarsch königlicher Truppen gebeten hatten. Er lobte das Verhalten des
Prinzen Friedrich, der zum Mitregenten ernannt worden war, und knüpfte
daran eine Bemerkung, die sich wie eine Vorahnung seiner eigenen, späteren
Geschichte anhört: "Ich bekenne frey, daß ich mir nicht genug Weisheit und
Fassung zutraue, eine ähnliche Stellung nicht blos so wie er, sondern überhaupt
ohne Ehre und Neputazion zu verlieren, auszufüllen." Johann selber war an
die Spitze der Jmmediatkommisston zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe
getreten. Friedrich Wilhelm begrüßte diesen Schritt, weil er den Freund just
an der, wie er meinte, geeigneten Stelle sah: "Ich fürchte, Du wirst gegen
einen gefährlichen Strom von Neuerungen zu kämpfen haben. Deine Grundsätze
sind aber recht eigends gemacht für Euren gegenwärtigen Zustand. Du wirst
das Maß finden zwischen dem Kleben am Alten und dem so verderblichen
Betreten eines ganz neuen Weges. Man ist sehr neuerungssüchtig gestimmt in
Sachsen, und das würde mich recht bange machen, wenn Du, liebster Hansy,
nicht die Hände so entscheidend im Spiel hättest."

Er schlug also schon mildere und gemäßigtere Töne an. Aber die
Leidenschaft des Doktrinärs zitterte noch darin nach, und Johann, der
überhaupt die Vorgänge viel mehr von innen heraus zu beurteilen vermochte,
setzte solchen Mahnungen einen leichten Dämpfer auf. Er sprühte ohnehin nicht
gleich im Feuer auf wie Friedrich Wilhelm. Er sah diese inneren Verhältnisse
nüchterner, geschäftsmännischer und trotz gewisser unverrückbarer Grund¬
anschauungen weniger dogmatisch an. Es blieb ihm daher auch nicht verborgen,
daß die traurigen Ereignisse ihre tieferliegenden Ursachen hatten, und daß sie
wirklich beunruhigend waren, weil "selbst die Bessergesinnten und nicht ohne
Grund mit dem schlaffen Gang der Administration unzufrieden waren". Er
gestand, daß die Negierung durch den Aufstand überrascht worden war, fand


Drei Aönige

strömt —. Im schlimmsten Fall, der aber gewiß nicht eintritt, wenn Nachdruck
dem guten Recht zu Hülfe kommt, dann bedarfs eines Winkes und 10 Gar¬
nisonen von Böhmen, Brandenburg und Schlesien usw. stehen Euch zu Gebots —.
Aber um Gottes Willen zeigt doch endlich Ernst. Es ist zwar meiner Meinung
und Überzeugung nach Vieles falsch angegriffen, viel zu viel für den Augenblick
gewährt worden — aber es ist noch nicht zu spät. Dresden will keine Truppen
leiden? — wahrlich das ist mais. Ich beschwöre Dich, Geliebtester Freund,
wirke dahin, daß man kein Federlesen's mit den Kerls mache. Beunruhigt die
Dresdner das Zusammenziehen oder Nähern von Truppen, so Spotte man der
Unruhe —. Nur die Bösen kann das beunruhigen —. Protestieren sie da¬
gegen, so rede man königlich mit ihnen ein frisirtes Halt's Maul —. Drohen
sie, so verweise man sie auf die schleunige Antwort aus dem Munde der Geschütze
und sage ihnen deutlich, daß man sie für getreue Untertanen halte, aber ganz
bereit sey, falls sie's vorzögen, sie auch als Rebellen zu behandeln —. Glaub
mir Hansy — es muxt kein Dresdner."

Den Tag darauf vernahm er mit Freuden, daß die Dresdener selber um
den Einmarsch königlicher Truppen gebeten hatten. Er lobte das Verhalten des
Prinzen Friedrich, der zum Mitregenten ernannt worden war, und knüpfte
daran eine Bemerkung, die sich wie eine Vorahnung seiner eigenen, späteren
Geschichte anhört: „Ich bekenne frey, daß ich mir nicht genug Weisheit und
Fassung zutraue, eine ähnliche Stellung nicht blos so wie er, sondern überhaupt
ohne Ehre und Neputazion zu verlieren, auszufüllen." Johann selber war an
die Spitze der Jmmediatkommisston zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe
getreten. Friedrich Wilhelm begrüßte diesen Schritt, weil er den Freund just
an der, wie er meinte, geeigneten Stelle sah: „Ich fürchte, Du wirst gegen
einen gefährlichen Strom von Neuerungen zu kämpfen haben. Deine Grundsätze
sind aber recht eigends gemacht für Euren gegenwärtigen Zustand. Du wirst
das Maß finden zwischen dem Kleben am Alten und dem so verderblichen
Betreten eines ganz neuen Weges. Man ist sehr neuerungssüchtig gestimmt in
Sachsen, und das würde mich recht bange machen, wenn Du, liebster Hansy,
nicht die Hände so entscheidend im Spiel hättest."

Er schlug also schon mildere und gemäßigtere Töne an. Aber die
Leidenschaft des Doktrinärs zitterte noch darin nach, und Johann, der
überhaupt die Vorgänge viel mehr von innen heraus zu beurteilen vermochte,
setzte solchen Mahnungen einen leichten Dämpfer auf. Er sprühte ohnehin nicht
gleich im Feuer auf wie Friedrich Wilhelm. Er sah diese inneren Verhältnisse
nüchterner, geschäftsmännischer und trotz gewisser unverrückbarer Grund¬
anschauungen weniger dogmatisch an. Es blieb ihm daher auch nicht verborgen,
daß die traurigen Ereignisse ihre tieferliegenden Ursachen hatten, und daß sie
wirklich beunruhigend waren, weil „selbst die Bessergesinnten und nicht ohne
Grund mit dem schlaffen Gang der Administration unzufrieden waren". Er
gestand, daß die Negierung durch den Aufstand überrascht worden war, fand


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[0613] Drei Aönige strömt —. Im schlimmsten Fall, der aber gewiß nicht eintritt, wenn Nachdruck dem guten Recht zu Hülfe kommt, dann bedarfs eines Winkes und 10 Gar¬ nisonen von Böhmen, Brandenburg und Schlesien usw. stehen Euch zu Gebots —. Aber um Gottes Willen zeigt doch endlich Ernst. Es ist zwar meiner Meinung und Überzeugung nach Vieles falsch angegriffen, viel zu viel für den Augenblick gewährt worden — aber es ist noch nicht zu spät. Dresden will keine Truppen leiden? — wahrlich das ist mais. Ich beschwöre Dich, Geliebtester Freund, wirke dahin, daß man kein Federlesen's mit den Kerls mache. Beunruhigt die Dresdner das Zusammenziehen oder Nähern von Truppen, so Spotte man der Unruhe —. Nur die Bösen kann das beunruhigen —. Protestieren sie da¬ gegen, so rede man königlich mit ihnen ein frisirtes Halt's Maul —. Drohen sie, so verweise man sie auf die schleunige Antwort aus dem Munde der Geschütze und sage ihnen deutlich, daß man sie für getreue Untertanen halte, aber ganz bereit sey, falls sie's vorzögen, sie auch als Rebellen zu behandeln —. Glaub mir Hansy — es muxt kein Dresdner." Den Tag darauf vernahm er mit Freuden, daß die Dresdener selber um den Einmarsch königlicher Truppen gebeten hatten. Er lobte das Verhalten des Prinzen Friedrich, der zum Mitregenten ernannt worden war, und knüpfte daran eine Bemerkung, die sich wie eine Vorahnung seiner eigenen, späteren Geschichte anhört: „Ich bekenne frey, daß ich mir nicht genug Weisheit und Fassung zutraue, eine ähnliche Stellung nicht blos so wie er, sondern überhaupt ohne Ehre und Neputazion zu verlieren, auszufüllen." Johann selber war an die Spitze der Jmmediatkommisston zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe getreten. Friedrich Wilhelm begrüßte diesen Schritt, weil er den Freund just an der, wie er meinte, geeigneten Stelle sah: „Ich fürchte, Du wirst gegen einen gefährlichen Strom von Neuerungen zu kämpfen haben. Deine Grundsätze sind aber recht eigends gemacht für Euren gegenwärtigen Zustand. Du wirst das Maß finden zwischen dem Kleben am Alten und dem so verderblichen Betreten eines ganz neuen Weges. Man ist sehr neuerungssüchtig gestimmt in Sachsen, und das würde mich recht bange machen, wenn Du, liebster Hansy, nicht die Hände so entscheidend im Spiel hättest." Er schlug also schon mildere und gemäßigtere Töne an. Aber die Leidenschaft des Doktrinärs zitterte noch darin nach, und Johann, der überhaupt die Vorgänge viel mehr von innen heraus zu beurteilen vermochte, setzte solchen Mahnungen einen leichten Dämpfer auf. Er sprühte ohnehin nicht gleich im Feuer auf wie Friedrich Wilhelm. Er sah diese inneren Verhältnisse nüchterner, geschäftsmännischer und trotz gewisser unverrückbarer Grund¬ anschauungen weniger dogmatisch an. Es blieb ihm daher auch nicht verborgen, daß die traurigen Ereignisse ihre tieferliegenden Ursachen hatten, und daß sie wirklich beunruhigend waren, weil „selbst die Bessergesinnten und nicht ohne Grund mit dem schlaffen Gang der Administration unzufrieden waren". Er gestand, daß die Negierung durch den Aufstand überrascht worden war, fand

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/613>, abgerufen am 15.01.2025.