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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Karl Salzer

das Spiel gewonnen: Bismarcks nur wenig verhüllter Wunsch, die katholische Kirche
möge mit ungeschulten Kräften der Mission dienen, kam einer Ausschließung
jeder katholischen Mission gleich, denn diese ist ohne Orden ebenso undenkbar,
wie der evangelische Missionar ohne die heimische Organisation. Mit Berufung
auf Bismarcks eigene Worte konnten sie nun die disparitätische Behandlung
ihrer Konfession auch für die Kolonien behaupten, wenn Bismarck auch gegen
eine solche "Ungeheuerlichkeit" sich auf das bestimmteste verwahrte. Die gefähr¬
liche Behauptung der Ultramontanen, daß einer Bekehrung der Schutzgebiete
durch katholische Missionare das böse protestantische Kaisertum im Wege stehe, schien
sich nach ihrer Auffassung bewahrheiten zu wollen. Zwar hatte Bismarck dem
Zentrum dergestalt ein weiteres Mittel zur Erneuerung des Kulturkampfes in die
Hand gegeben, aber auf die Kolonialpolitik konnte es keine Anwendung mehr finden,
da diese zurzeit der besprochenen Debatte in ihrem wesentlichen Teile abgeschlossen
war. Aller Macht der ultramontanen Partei zum Trotz erreichte er. daß während
seiner Kanzlerschaft ihr Wunsch nach Aufhebung des Jesuitenparagraphen und
Anwendung des Toleranzartikels der Kongoakte auch auf die deutschen Schutz¬
gebiete vom Reichstag in den Sitzungsperioden von 1837 bis 1890 noch
dreimal abgelehnt wurde.




Aarl Walzer
Lin Roman
Richard Rnies von (Schluß)

Näher und näher rückt die Mitternacht, und nun wird der Junge vom Ent¬
setzen förmlich geschüttelt. Er erinnert sich all der Gespenstergeschichten, die er
von je gehört. Wie die Diebe Punkt Zwölfe aller Nacht die Ruhe ihres Grabes
verlassen und zur Strafe für ihr Vergehen friedlos durch die Friedhofswege gehen
müssen, die Augen zu Boden gesenkt, als suchten sie Verlorenes. Wie da die
geizigen Bauern auferstünden, den Kirchhof verließen und hinauseilten auf den
Acker des Nachbarn, dessen Grenzstein sie zu eigenen Gunsten verrückt haben, und
wie sie nun eine Stunde lang mit den dürren Totenstngern den Boden um den
Grenzstein auf- und wiederzuwählen müßten. Wie die Kinderlein ihren Gräberchen
erstünden und Ringelreihen um ihre kleinen Kreuzlein herum spielten.

O, es ist so schauerlich, an all das zu denken. Es ist gewiß alles nicht wahr,
aber wenn man um Mitternacht auf dem Friedhof steht wie ein frecher Ein¬
dringling unter den tief in der Erde schlafenden Toten, dann glaubt man daran.
Dann ist es wie eine Strafe, daß man daran glauben muß.


Karl Salzer

das Spiel gewonnen: Bismarcks nur wenig verhüllter Wunsch, die katholische Kirche
möge mit ungeschulten Kräften der Mission dienen, kam einer Ausschließung
jeder katholischen Mission gleich, denn diese ist ohne Orden ebenso undenkbar,
wie der evangelische Missionar ohne die heimische Organisation. Mit Berufung
auf Bismarcks eigene Worte konnten sie nun die disparitätische Behandlung
ihrer Konfession auch für die Kolonien behaupten, wenn Bismarck auch gegen
eine solche „Ungeheuerlichkeit" sich auf das bestimmteste verwahrte. Die gefähr¬
liche Behauptung der Ultramontanen, daß einer Bekehrung der Schutzgebiete
durch katholische Missionare das böse protestantische Kaisertum im Wege stehe, schien
sich nach ihrer Auffassung bewahrheiten zu wollen. Zwar hatte Bismarck dem
Zentrum dergestalt ein weiteres Mittel zur Erneuerung des Kulturkampfes in die
Hand gegeben, aber auf die Kolonialpolitik konnte es keine Anwendung mehr finden,
da diese zurzeit der besprochenen Debatte in ihrem wesentlichen Teile abgeschlossen
war. Aller Macht der ultramontanen Partei zum Trotz erreichte er. daß während
seiner Kanzlerschaft ihr Wunsch nach Aufhebung des Jesuitenparagraphen und
Anwendung des Toleranzartikels der Kongoakte auch auf die deutschen Schutz¬
gebiete vom Reichstag in den Sitzungsperioden von 1837 bis 1890 noch
dreimal abgelehnt wurde.




Aarl Walzer
Lin Roman
Richard Rnies von (Schluß)

Näher und näher rückt die Mitternacht, und nun wird der Junge vom Ent¬
setzen förmlich geschüttelt. Er erinnert sich all der Gespenstergeschichten, die er
von je gehört. Wie die Diebe Punkt Zwölfe aller Nacht die Ruhe ihres Grabes
verlassen und zur Strafe für ihr Vergehen friedlos durch die Friedhofswege gehen
müssen, die Augen zu Boden gesenkt, als suchten sie Verlorenes. Wie da die
geizigen Bauern auferstünden, den Kirchhof verließen und hinauseilten auf den
Acker des Nachbarn, dessen Grenzstein sie zu eigenen Gunsten verrückt haben, und
wie sie nun eine Stunde lang mit den dürren Totenstngern den Boden um den
Grenzstein auf- und wiederzuwählen müßten. Wie die Kinderlein ihren Gräberchen
erstünden und Ringelreihen um ihre kleinen Kreuzlein herum spielten.

O, es ist so schauerlich, an all das zu denken. Es ist gewiß alles nicht wahr,
aber wenn man um Mitternacht auf dem Friedhof steht wie ein frecher Ein¬
dringling unter den tief in der Erde schlafenden Toten, dann glaubt man daran.
Dann ist es wie eine Strafe, daß man daran glauben muß.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/583>, abgerufen am 15.01.2025.