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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Bismarcks Stellung zur äußeren Mission

Religionsfreiheit versteht"), eine internationale und nicht eine konfessionelle.
Bei Beantwortung der sogenannten "Jnterpellation Reichensperger", die
anfragte, ob die Ausschließung der Jesuitenmission und mit ihr jeder katholischen
Missionstätigkeit beschlossene Sache sei, erkannte Bismarck zwar die Parität der
Bekenntnisse wie in der Heimat so auch für die Schutzgebiete voll an: er habe
nichts gegen deutsche Katholiken und hielte nicht allein evangelische Einrichtungen
für "identisch mit deutsch", wenn er auch eine Trennung der verschiedenen
deutschen Misstonsgebiete nach Konfessionen mit Rücksicht auf die Priorität
ihrer Entstehung um des konfessionellen und politischen Friedens willen wünsche,
aber die Zulassung fremdländischer Missionen müsse er ablehnen. Dabei berief
er sich auf das Vorbild anderer Mächte, besonders Englands, das den Toleranz¬
artikel sechs der Kongoakte auch nicht auf seine Kolonien anwandte, also fremde
Missionen darin nicht duldete und sogar seine eigenen Missionen aus Gebieten,
die an andere Staaten abgetreten wurden, auf dem Wege des Verkaufs an
die Missionen des neuen Schutzstaates zurückzog. Bismarck befürchtete von
Missionen fremder Staatsangehörigkeit Beeinflussung der Eingeborenen zu
politischen Zwecken in antideutschem Sinne, im übrigen wollte er keinen Staat
im Staate dulden. Den Jesuitenorden aber schloß er ganz speziell nach dem
Prinzip der Maigefetze aus, die für ihn, wie alle Gesetze, unübersteigliche Barrieren
waren, weil jener es verstehe, mit der Macht zu gehen und, diese sich, wenn
man Bismarcks Gedankengang ergänzt, in den deutschen Schutzgebieten nicht
bei dem mit der Kolonisation erst eben beginnenden deutschen Reiche, sondern
bei dessen politischen Feinden befinden würde. (Reden Band XI S. 244 bis
297.) In der Tat mußte die kosmopolitische, vaterlandslose Gesinnung d?r
Gesellschaft Jesu in der "exponierten Stellung" der Kolonien verhängnisvoll
wirken. Diese Besorgnis war aber besonders berechtigt, wenn, wie im vor¬
liegenden Falle, die dem Jesuitenorden verwandte Mission einem fremdstaatlichen
Orden unterstand, den Befehlen von dessen Zentrale gehorchen mußte und somit
die Macht eines fremden Landes (hier Frankreichs!) zu politischer Wühlarbeit
verwenden konnte.

Lag es auch nicht in Bismarcks Plan, andere, den Jesuiten nicht ver¬
wandte Orden der katholischen Mission aus den Kolonien auszuschließen, so
erwies sich die Bedingung, daß sie keinen Zusammenhang mit dem Jesuiten¬
orden haben durften, doch als ein zweischneidiges Schwert: ein solcher Zusammen¬
hang konnte auf Wunsch immer nachgewiesen werden. Das machten die Ultra¬
montanen sich zunutze. Windthorst behauptete, geschickt manövrierend, mit dem
Ausschluß "der katholischen" Orden sei die katholische Mission überhaupt in:
disparitätischen Sinne behandelt, und brachte damit den Kanzler nur allzu leicht
zum Entgleisen auf die vom Zentrum vorbereitete Bahn. Bismarck entgegnete
gereizt, die katholische Kirche besitze genügend Kräfte in Parlament und Presse,
die eine "traurige Beschäftigung im Kulturkampf und in der Hetze" fänden, Kräfte,
die sie besser in der Mission verwenden könnte. Damit hatten die Zentrumspolitiker


Bismarcks Stellung zur äußeren Mission

Religionsfreiheit versteht"), eine internationale und nicht eine konfessionelle.
Bei Beantwortung der sogenannten „Jnterpellation Reichensperger", die
anfragte, ob die Ausschließung der Jesuitenmission und mit ihr jeder katholischen
Missionstätigkeit beschlossene Sache sei, erkannte Bismarck zwar die Parität der
Bekenntnisse wie in der Heimat so auch für die Schutzgebiete voll an: er habe
nichts gegen deutsche Katholiken und hielte nicht allein evangelische Einrichtungen
für „identisch mit deutsch", wenn er auch eine Trennung der verschiedenen
deutschen Misstonsgebiete nach Konfessionen mit Rücksicht auf die Priorität
ihrer Entstehung um des konfessionellen und politischen Friedens willen wünsche,
aber die Zulassung fremdländischer Missionen müsse er ablehnen. Dabei berief
er sich auf das Vorbild anderer Mächte, besonders Englands, das den Toleranz¬
artikel sechs der Kongoakte auch nicht auf seine Kolonien anwandte, also fremde
Missionen darin nicht duldete und sogar seine eigenen Missionen aus Gebieten,
die an andere Staaten abgetreten wurden, auf dem Wege des Verkaufs an
die Missionen des neuen Schutzstaates zurückzog. Bismarck befürchtete von
Missionen fremder Staatsangehörigkeit Beeinflussung der Eingeborenen zu
politischen Zwecken in antideutschem Sinne, im übrigen wollte er keinen Staat
im Staate dulden. Den Jesuitenorden aber schloß er ganz speziell nach dem
Prinzip der Maigefetze aus, die für ihn, wie alle Gesetze, unübersteigliche Barrieren
waren, weil jener es verstehe, mit der Macht zu gehen und, diese sich, wenn
man Bismarcks Gedankengang ergänzt, in den deutschen Schutzgebieten nicht
bei dem mit der Kolonisation erst eben beginnenden deutschen Reiche, sondern
bei dessen politischen Feinden befinden würde. (Reden Band XI S. 244 bis
297.) In der Tat mußte die kosmopolitische, vaterlandslose Gesinnung d?r
Gesellschaft Jesu in der „exponierten Stellung" der Kolonien verhängnisvoll
wirken. Diese Besorgnis war aber besonders berechtigt, wenn, wie im vor¬
liegenden Falle, die dem Jesuitenorden verwandte Mission einem fremdstaatlichen
Orden unterstand, den Befehlen von dessen Zentrale gehorchen mußte und somit
die Macht eines fremden Landes (hier Frankreichs!) zu politischer Wühlarbeit
verwenden konnte.

Lag es auch nicht in Bismarcks Plan, andere, den Jesuiten nicht ver¬
wandte Orden der katholischen Mission aus den Kolonien auszuschließen, so
erwies sich die Bedingung, daß sie keinen Zusammenhang mit dem Jesuiten¬
orden haben durften, doch als ein zweischneidiges Schwert: ein solcher Zusammen¬
hang konnte auf Wunsch immer nachgewiesen werden. Das machten die Ultra¬
montanen sich zunutze. Windthorst behauptete, geschickt manövrierend, mit dem
Ausschluß „der katholischen" Orden sei die katholische Mission überhaupt in:
disparitätischen Sinne behandelt, und brachte damit den Kanzler nur allzu leicht
zum Entgleisen auf die vom Zentrum vorbereitete Bahn. Bismarck entgegnete
gereizt, die katholische Kirche besitze genügend Kräfte in Parlament und Presse,
die eine „traurige Beschäftigung im Kulturkampf und in der Hetze" fänden, Kräfte,
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[0582] Bismarcks Stellung zur äußeren Mission Religionsfreiheit versteht"), eine internationale und nicht eine konfessionelle. Bei Beantwortung der sogenannten „Jnterpellation Reichensperger", die anfragte, ob die Ausschließung der Jesuitenmission und mit ihr jeder katholischen Missionstätigkeit beschlossene Sache sei, erkannte Bismarck zwar die Parität der Bekenntnisse wie in der Heimat so auch für die Schutzgebiete voll an: er habe nichts gegen deutsche Katholiken und hielte nicht allein evangelische Einrichtungen für „identisch mit deutsch", wenn er auch eine Trennung der verschiedenen deutschen Misstonsgebiete nach Konfessionen mit Rücksicht auf die Priorität ihrer Entstehung um des konfessionellen und politischen Friedens willen wünsche, aber die Zulassung fremdländischer Missionen müsse er ablehnen. Dabei berief er sich auf das Vorbild anderer Mächte, besonders Englands, das den Toleranz¬ artikel sechs der Kongoakte auch nicht auf seine Kolonien anwandte, also fremde Missionen darin nicht duldete und sogar seine eigenen Missionen aus Gebieten, die an andere Staaten abgetreten wurden, auf dem Wege des Verkaufs an die Missionen des neuen Schutzstaates zurückzog. Bismarck befürchtete von Missionen fremder Staatsangehörigkeit Beeinflussung der Eingeborenen zu politischen Zwecken in antideutschem Sinne, im übrigen wollte er keinen Staat im Staate dulden. Den Jesuitenorden aber schloß er ganz speziell nach dem Prinzip der Maigefetze aus, die für ihn, wie alle Gesetze, unübersteigliche Barrieren waren, weil jener es verstehe, mit der Macht zu gehen und, diese sich, wenn man Bismarcks Gedankengang ergänzt, in den deutschen Schutzgebieten nicht bei dem mit der Kolonisation erst eben beginnenden deutschen Reiche, sondern bei dessen politischen Feinden befinden würde. (Reden Band XI S. 244 bis 297.) In der Tat mußte die kosmopolitische, vaterlandslose Gesinnung d?r Gesellschaft Jesu in der „exponierten Stellung" der Kolonien verhängnisvoll wirken. Diese Besorgnis war aber besonders berechtigt, wenn, wie im vor¬ liegenden Falle, die dem Jesuitenorden verwandte Mission einem fremdstaatlichen Orden unterstand, den Befehlen von dessen Zentrale gehorchen mußte und somit die Macht eines fremden Landes (hier Frankreichs!) zu politischer Wühlarbeit verwenden konnte. Lag es auch nicht in Bismarcks Plan, andere, den Jesuiten nicht ver¬ wandte Orden der katholischen Mission aus den Kolonien auszuschließen, so erwies sich die Bedingung, daß sie keinen Zusammenhang mit dem Jesuiten¬ orden haben durften, doch als ein zweischneidiges Schwert: ein solcher Zusammen¬ hang konnte auf Wunsch immer nachgewiesen werden. Das machten die Ultra¬ montanen sich zunutze. Windthorst behauptete, geschickt manövrierend, mit dem Ausschluß „der katholischen" Orden sei die katholische Mission überhaupt in: disparitätischen Sinne behandelt, und brachte damit den Kanzler nur allzu leicht zum Entgleisen auf die vom Zentrum vorbereitete Bahn. Bismarck entgegnete gereizt, die katholische Kirche besitze genügend Kräfte in Parlament und Presse, die eine „traurige Beschäftigung im Kulturkampf und in der Hetze" fänden, Kräfte, die sie besser in der Mission verwenden könnte. Damit hatten die Zentrumspolitiker

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/582>, abgerufen am 15.01.2025.