Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Bismarcks Stellung zur äußeren Mission Was hilft es mir, wenn der eine mich aufruft: der Egoismus ist der ur¬ Bismarcks Stellung zur äußeren Mission "Line zeitgemäße Erinnerung Maximilian von Hagen von ismarck betrachtete die Kolonien völkerrechtlich und staatsrechtlich Bismarcks Stellung zur äußeren Mission Was hilft es mir, wenn der eine mich aufruft: der Egoismus ist der ur¬ Bismarcks Stellung zur äußeren Mission «Line zeitgemäße Erinnerung Maximilian von Hagen von ismarck betrachtete die Kolonien völkerrechtlich und staatsrechtlich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0581" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322983"/> <fw type="header" place="top"> Bismarcks Stellung zur äußeren Mission</fw><lb/> <p xml:id="ID_2836" prev="#ID_2835"> Was hilft es mir, wenn der eine mich aufruft: der Egoismus ist der ur¬<lb/> sprüngliche Grnndtrieb unserer Natur, der Altruismus nur seine psychologische<lb/> Verfeinerung; jener also hat den Vorrang, ihm vor allem mußt du gehorchen.<lb/> Und der andere: der Egoismus ist der rohe Urtrieb, erst mit der Entwicklung<lb/> des Altruismus hebt das sittliche Leben an, dieser also ist für dich maßgebend.<lb/> Das sind Schlüsse aus zufälligen Gefühlsbetonungen. Ich muß leben und<lb/> wachsen wollen, und ein Volk muß nach Macht streben über die anderen, das<lb/> ist die Bestimmung des Lebens. Und doch darf mir und darf dem Volke<lb/> Leben und Macht nichts gelten, denn nach der sittlichen Bestimmung ist kein<lb/> Leben sür sich, sondern für anderes. „Kein Erschaffner hat dies Ziel erflogen,<lb/> über diesen grauenvollen Schlund trägt kein Nachen, keiner Brücke Bogen,<lb/> und kein Anker findet Grund."</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Bismarcks Stellung zur äußeren Mission<lb/> «Line zeitgemäße Erinnerung<lb/><note type="byline"> Maximilian von Hagen</note> von </head><lb/> <p xml:id="ID_2837" next="#ID_2838"> ismarck betrachtete die Kolonien völkerrechtlich und staatsrechtlich<lb/> als Ausland. Nur auf dem Gebiete des Missionswesens machte<lb/> er eine Ausnahme: zum Leidwesen des ultramontanen Deutsch¬<lb/> lands brachte er hier die heimische Gesetzgebung zur Durchführung.<lb/> In diesem Punkte wirkten parteipolitische Verhältnisse, die aus<lb/> dem verflossenen Kulturkampf hervorgewachsen waren, ausschlaggebend. Als<lb/> nämlich zwei französische Misstonare deutscher Abkunft, die einer demi Jesuiten¬<lb/> orden verwandten Pariser Kongregation angehörten, bei dem Auswärtigen Amt<lb/> um die Erlaubnis nachsuchten, in Deutschland ein Missionshaus zur Erziehung<lb/> von Missionaren für die deutsch-westafrikanischen Kolonien errichten zu dürfen,<lb/> da verweigerte er diese. Die Missionare beriefen sich bei ihrem Gesuch auf<lb/> Artikel sechs der Kongoakte, die, unter Bismarcks Leitung entstanden, Freiheit<lb/> der Religionsausübung gewährleisteten; Bismarck aber stützte sich auf das<lb/> Gesetz vom 13. Mai 1873, das auch allen der „Gesellschaft Jesu" verwandten<lb/> katholischen Orden die Niederlassung auf deutschem Boden untersagte. Bismarck<lb/> befürchtete einen Versuch der Jesuiten, auf dem Umwege über die Kolonien<lb/> heimlich nach Deutschland zurückzukehren. Im übrigen blieb ihm die An¬<lb/> gelegenheit, die in der katholischen deutschen Welt viel Staub aufwirbelte<lb/> (Artikel der Germania vom 27. Oktober 1885: „Was man bei uns unter</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0581]
Bismarcks Stellung zur äußeren Mission
Was hilft es mir, wenn der eine mich aufruft: der Egoismus ist der ur¬
sprüngliche Grnndtrieb unserer Natur, der Altruismus nur seine psychologische
Verfeinerung; jener also hat den Vorrang, ihm vor allem mußt du gehorchen.
Und der andere: der Egoismus ist der rohe Urtrieb, erst mit der Entwicklung
des Altruismus hebt das sittliche Leben an, dieser also ist für dich maßgebend.
Das sind Schlüsse aus zufälligen Gefühlsbetonungen. Ich muß leben und
wachsen wollen, und ein Volk muß nach Macht streben über die anderen, das
ist die Bestimmung des Lebens. Und doch darf mir und darf dem Volke
Leben und Macht nichts gelten, denn nach der sittlichen Bestimmung ist kein
Leben sür sich, sondern für anderes. „Kein Erschaffner hat dies Ziel erflogen,
über diesen grauenvollen Schlund trägt kein Nachen, keiner Brücke Bogen,
und kein Anker findet Grund."
Bismarcks Stellung zur äußeren Mission
«Line zeitgemäße Erinnerung
Maximilian von Hagen von
ismarck betrachtete die Kolonien völkerrechtlich und staatsrechtlich
als Ausland. Nur auf dem Gebiete des Missionswesens machte
er eine Ausnahme: zum Leidwesen des ultramontanen Deutsch¬
lands brachte er hier die heimische Gesetzgebung zur Durchführung.
In diesem Punkte wirkten parteipolitische Verhältnisse, die aus
dem verflossenen Kulturkampf hervorgewachsen waren, ausschlaggebend. Als
nämlich zwei französische Misstonare deutscher Abkunft, die einer demi Jesuiten¬
orden verwandten Pariser Kongregation angehörten, bei dem Auswärtigen Amt
um die Erlaubnis nachsuchten, in Deutschland ein Missionshaus zur Erziehung
von Missionaren für die deutsch-westafrikanischen Kolonien errichten zu dürfen,
da verweigerte er diese. Die Missionare beriefen sich bei ihrem Gesuch auf
Artikel sechs der Kongoakte, die, unter Bismarcks Leitung entstanden, Freiheit
der Religionsausübung gewährleisteten; Bismarck aber stützte sich auf das
Gesetz vom 13. Mai 1873, das auch allen der „Gesellschaft Jesu" verwandten
katholischen Orden die Niederlassung auf deutschem Boden untersagte. Bismarck
befürchtete einen Versuch der Jesuiten, auf dem Umwege über die Kolonien
heimlich nach Deutschland zurückzukehren. Im übrigen blieb ihm die An¬
gelegenheit, die in der katholischen deutschen Welt viel Staub aufwirbelte
(Artikel der Germania vom 27. Oktober 1885: „Was man bei uns unter
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