Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Reichssxiegel nicht an. Maßgebend ist allein, daß der überwiegende Teil des deutschen Volkes, Die Folgen der Kampfansage lassen sich noch nicht übersehen: will Daß die Reichsregierung ebenso wie die preußische weiß, wo der Schuh Reichssxiegel nicht an. Maßgebend ist allein, daß der überwiegende Teil des deutschen Volkes, Die Folgen der Kampfansage lassen sich noch nicht übersehen: will Daß die Reichsregierung ebenso wie die preußische weiß, wo der Schuh <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0553" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322955"/> <fw type="header" place="top"> Reichssxiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_2765" prev="#ID_2764"> nicht an. Maßgebend ist allein, daß der überwiegende Teil des deutschen Volkes,<lb/> darunter auch zahlreiche Katholiken, im Jesuitenorden eine dem Staate und der<lb/> modernen Entwicklung feindliche und schädliche Organisation erblicken. Wenn<lb/> dem Zentrum wirklich an der Erhaltung des konfessionellen Friedens gelegen<lb/> wäre, so würde es auf diese Stimmung Rücksicht nehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2766"> Die Folgen der Kampfansage lassen sich noch nicht übersehen: will<lb/> das Zentrum um jeden Preis und um den ordnungsmäßigen Geschäftsgang zu<lb/> stören in die Opposition gehen, so dürfte sich daraus manch eine Komplikation<lb/> für die Regierung ergeben, vor allen Dingen dann, wenn sich für die<lb/> Partei öfter Gelegenheit bieten sollte, mit der Sozialdemokratie zusammen¬<lb/> zuarbeiten — etwa in Armee- und Flottenangelegenheiten — und wenn die<lb/> Liberalen die augenscheinlich geschwächte Stellung der Regierung nicht gar zu<lb/> stürmisch ausnutzen wollten, um ihr Verbesserungen auf parlamentarischem<lb/> Gebiet abzutrotzen. Jedenfalls ist eine Lage geschaffen, die seitens geschickt<lb/> und furchtlos geführter Parteien im Interesse der Parteien selbst verhältnis¬<lb/> mäßig leicht genutzt werden könnte. Im einzelnen läßt sich darüber natürlich<lb/> noch nichts sagen. Machen wir es also zunächst wie Herr von Bethmann und<lb/> warten wir in aller Ruhe ab, was kommt: auch die Zentrumssuppen brauchen<lb/> nicht so heiß gegessen zu werden, wie sie gekocht sind, und die Reichsregierung<lb/> wird sich schließlich auch ohne das Zentrum zurechtfinden, wenn sie sich nur zu<lb/> einer den gesunden Ansprüchen der Nation gerecht werdenden Politik versteht.</p><lb/> <p xml:id="ID_2767" next="#ID_2768"> Daß die Reichsregierung ebenso wie die preußische weiß, wo der Schuh<lb/> drückt, zeigen die vielfachen Gesetzentwürfe auf wirtschaftlichem Gebiete, die dem<lb/> Reichstage und preußischen Landtage zugegangen sind: so der Wassergesetz¬<lb/> entwurf, mit dem wir uns in Heft 36 ausführlich beschäftigt haben, der Entwurf<lb/> zur Elektrisierung der Berliner Stadtbahn (Heft 42) und schließlich auch der Entwurf<lb/> zu einem Petroleummonopol (Heft 43 u. 45), der am Sonnabend im Reichstage<lb/> in erster Lesung behandelt wurde. Leider geht es mit dem zuletzt genannten Entwurf<lb/> ebenso, wie es so vielen anderen unter dem jetzigen Reichskanzler und preußischen<lb/> Ministerpräsidenten den Parlamenten vorgelegten Entwürfen ergangen ist: die<lb/> öffentliche Meinung ist nicht genügend und auch nicht rechtzeitig darauf vor¬<lb/> bereitet worden. So kommt es, daß der an sich populäre Schritt von den<lb/> wenigen kapitalistischen Interessenten in Grund und Boden diskreditiert werden<lb/> konnte, noch ehe das Publikum und die Mehrzahl der Abgeordneten sich eine eigene<lb/> Meinung bildeten. Dementsprechend war denn auch die Aufnahme des Ent¬<lb/> wurfs im Reichstage. In diesem Falle mag ja die Unterlassung zu einem guten<lb/> Ergebnis führen, dazu nämlich, daß die Regierung sich doch schließlich bequemt,<lb/> ein reines Reichsmonopol für Petroleum zu schaffen; aber das konnte doch auch<lb/> durch Vermittlung einer von der Regierung klug geleiteten Erörterung in der<lb/> Presse erreicht werden, ganz abgesehen davon, daß eine solche vorbereitende<lb/> Erörterung auch den Parlamentariern frühzeitig Gelegenheit gegeben hätte, sich<lb/> in die Gedankengänge der Regierung zu vertiefen und demgemäß fachlich vor-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0553]
Reichssxiegel
nicht an. Maßgebend ist allein, daß der überwiegende Teil des deutschen Volkes,
darunter auch zahlreiche Katholiken, im Jesuitenorden eine dem Staate und der
modernen Entwicklung feindliche und schädliche Organisation erblicken. Wenn
dem Zentrum wirklich an der Erhaltung des konfessionellen Friedens gelegen
wäre, so würde es auf diese Stimmung Rücksicht nehmen.
Die Folgen der Kampfansage lassen sich noch nicht übersehen: will
das Zentrum um jeden Preis und um den ordnungsmäßigen Geschäftsgang zu
stören in die Opposition gehen, so dürfte sich daraus manch eine Komplikation
für die Regierung ergeben, vor allen Dingen dann, wenn sich für die
Partei öfter Gelegenheit bieten sollte, mit der Sozialdemokratie zusammen¬
zuarbeiten — etwa in Armee- und Flottenangelegenheiten — und wenn die
Liberalen die augenscheinlich geschwächte Stellung der Regierung nicht gar zu
stürmisch ausnutzen wollten, um ihr Verbesserungen auf parlamentarischem
Gebiet abzutrotzen. Jedenfalls ist eine Lage geschaffen, die seitens geschickt
und furchtlos geführter Parteien im Interesse der Parteien selbst verhältnis¬
mäßig leicht genutzt werden könnte. Im einzelnen läßt sich darüber natürlich
noch nichts sagen. Machen wir es also zunächst wie Herr von Bethmann und
warten wir in aller Ruhe ab, was kommt: auch die Zentrumssuppen brauchen
nicht so heiß gegessen zu werden, wie sie gekocht sind, und die Reichsregierung
wird sich schließlich auch ohne das Zentrum zurechtfinden, wenn sie sich nur zu
einer den gesunden Ansprüchen der Nation gerecht werdenden Politik versteht.
Daß die Reichsregierung ebenso wie die preußische weiß, wo der Schuh
drückt, zeigen die vielfachen Gesetzentwürfe auf wirtschaftlichem Gebiete, die dem
Reichstage und preußischen Landtage zugegangen sind: so der Wassergesetz¬
entwurf, mit dem wir uns in Heft 36 ausführlich beschäftigt haben, der Entwurf
zur Elektrisierung der Berliner Stadtbahn (Heft 42) und schließlich auch der Entwurf
zu einem Petroleummonopol (Heft 43 u. 45), der am Sonnabend im Reichstage
in erster Lesung behandelt wurde. Leider geht es mit dem zuletzt genannten Entwurf
ebenso, wie es so vielen anderen unter dem jetzigen Reichskanzler und preußischen
Ministerpräsidenten den Parlamenten vorgelegten Entwürfen ergangen ist: die
öffentliche Meinung ist nicht genügend und auch nicht rechtzeitig darauf vor¬
bereitet worden. So kommt es, daß der an sich populäre Schritt von den
wenigen kapitalistischen Interessenten in Grund und Boden diskreditiert werden
konnte, noch ehe das Publikum und die Mehrzahl der Abgeordneten sich eine eigene
Meinung bildeten. Dementsprechend war denn auch die Aufnahme des Ent¬
wurfs im Reichstage. In diesem Falle mag ja die Unterlassung zu einem guten
Ergebnis führen, dazu nämlich, daß die Regierung sich doch schließlich bequemt,
ein reines Reichsmonopol für Petroleum zu schaffen; aber das konnte doch auch
durch Vermittlung einer von der Regierung klug geleiteten Erörterung in der
Presse erreicht werden, ganz abgesehen davon, daß eine solche vorbereitende
Erörterung auch den Parlamentariern frühzeitig Gelegenheit gegeben hätte, sich
in die Gedankengänge der Regierung zu vertiefen und demgemäß fachlich vor-
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