Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Gleiches Wahlrecht?

nach müßten in der III. Klasse die zum Gewerbekonvent Wahlberechtigten ihre
Abgeordneten unmittelbar bestimmen. Sei es nun, daß dieser Wahlkörper un-
tunlich groß erschien, sei es anders, genug, die Verfassung legte fest, daß die
Abgeordneten III. Klasse nicht von allen Gewerbetreibenden, sondern nur von
ihrer Bemfsvertretung, dem Gewerbekonvent (180 Handwerker, 90 Fabrikanten)
gewählt werden sollen. Damit werden die Gewerbetreibenden aber zu Urwählern,
die Gewerbekonventsmitglieder zu Wahlmännern III. Klasse. In solcher Eigen¬
schaft verlieren die letzteren natürlich den Nimbus einer unverständlichen
Bevorzugung.

Nur der "Urwähler" III. Klasse kann, was sein Wahlrecht betrifft, mit dem
Wähler anderer Klassen verglichen werden I

Jetzt ergibt sich eine eigenartige Komplikation, die in dem Wahlverfahren
begründet ist. Wird dies auch formal mit vollem Recht als indirekt angesprochen,
so fehlt doch jede materielle Konsequenz. Sowohl in dem Bewußtsein der
Wähler, denn die Wahlen zum Gewerbekonvent gehen mit geringer Beteiligung,
ohne politische Kämpfe vor sich, da sie nur als Wahlen der Berussvertreter,
nicht als Urwähler zur Bürgerschaft betrachtet werden, als nicht minder nach
der Auslegung des Bürgerschaftsgesetzes: die Gewerbetreibenden, die Urwähler
III. Klasse, sind in jeder anderen wahlberechtigt, soweit sie nicht eben als
Gewerbekonventsmitglieder Wahlmänner der III. Klasse sind. An Beispielen
erläutert: der Direktor einer chemischen Fabrik, Dr. plin., wählt in der I. Klasse,
ein Zigarrenfabrikant als Teilnehmer des Kaufmannskonvents in der II., ein
Handwerker in den Klassen des allgemeinen Wahlrechts.

Bei Berechnung der Pluralstimmen müssen der Vereinfachung halber die
paar Gelehrten der Gewerbetreibenden unberücksichtigt bleiben. Dann zerfallen
die Urwähler III. Klasse in zwei verschieden berechtigte Gruppen, in die Fabri¬
kanten, die Wähler II. Klasse sind (etwa 75 als Teilnehmer des Kaufmanns¬
konvents) und in die übrigen Fabrikanten (325) und sämtliche Handwerker
(rund 3000), die in der IV., V., VI. oder VIII. Klasse wählen.

Beider Wahlrecht setzt sich aus zwei Anteilen zusammen,

dem Urwählerwahlrecht III. Klasse das sind drei Plural-

immer und

dem direkten Wahlrecht der II. bzw. IV. V. ^- VI. 4- VIII. Klasse.

Das Wahlrecht der II. Klasse (Kaufleute) ist in Pluralstimmen

ausgedrückt

Fabrikanten, die Mitglieder des Kaufmannskonvents sind, haben demnach
mit 27 (24 4- 3) Pluralstimmen den stärksten politischen Einfluß.


Gleiches Wahlrecht?

nach müßten in der III. Klasse die zum Gewerbekonvent Wahlberechtigten ihre
Abgeordneten unmittelbar bestimmen. Sei es nun, daß dieser Wahlkörper un-
tunlich groß erschien, sei es anders, genug, die Verfassung legte fest, daß die
Abgeordneten III. Klasse nicht von allen Gewerbetreibenden, sondern nur von
ihrer Bemfsvertretung, dem Gewerbekonvent (180 Handwerker, 90 Fabrikanten)
gewählt werden sollen. Damit werden die Gewerbetreibenden aber zu Urwählern,
die Gewerbekonventsmitglieder zu Wahlmännern III. Klasse. In solcher Eigen¬
schaft verlieren die letzteren natürlich den Nimbus einer unverständlichen
Bevorzugung.

Nur der „Urwähler" III. Klasse kann, was sein Wahlrecht betrifft, mit dem
Wähler anderer Klassen verglichen werden I

Jetzt ergibt sich eine eigenartige Komplikation, die in dem Wahlverfahren
begründet ist. Wird dies auch formal mit vollem Recht als indirekt angesprochen,
so fehlt doch jede materielle Konsequenz. Sowohl in dem Bewußtsein der
Wähler, denn die Wahlen zum Gewerbekonvent gehen mit geringer Beteiligung,
ohne politische Kämpfe vor sich, da sie nur als Wahlen der Berussvertreter,
nicht als Urwähler zur Bürgerschaft betrachtet werden, als nicht minder nach
der Auslegung des Bürgerschaftsgesetzes: die Gewerbetreibenden, die Urwähler
III. Klasse, sind in jeder anderen wahlberechtigt, soweit sie nicht eben als
Gewerbekonventsmitglieder Wahlmänner der III. Klasse sind. An Beispielen
erläutert: der Direktor einer chemischen Fabrik, Dr. plin., wählt in der I. Klasse,
ein Zigarrenfabrikant als Teilnehmer des Kaufmannskonvents in der II., ein
Handwerker in den Klassen des allgemeinen Wahlrechts.

Bei Berechnung der Pluralstimmen müssen der Vereinfachung halber die
paar Gelehrten der Gewerbetreibenden unberücksichtigt bleiben. Dann zerfallen
die Urwähler III. Klasse in zwei verschieden berechtigte Gruppen, in die Fabri¬
kanten, die Wähler II. Klasse sind (etwa 75 als Teilnehmer des Kaufmanns¬
konvents) und in die übrigen Fabrikanten (325) und sämtliche Handwerker
(rund 3000), die in der IV., V., VI. oder VIII. Klasse wählen.

Beider Wahlrecht setzt sich aus zwei Anteilen zusammen,

dem Urwählerwahlrecht III. Klasse das sind drei Plural-

immer und

dem direkten Wahlrecht der II. bzw. IV. V. ^- VI. 4- VIII. Klasse.

Das Wahlrecht der II. Klasse (Kaufleute) ist in Pluralstimmen

ausgedrückt

Fabrikanten, die Mitglieder des Kaufmannskonvents sind, haben demnach
mit 27 (24 4- 3) Pluralstimmen den stärksten politischen Einfluß.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0412" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322814"/>
          <fw type="header" place="top"> Gleiches Wahlrecht?</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2013" prev="#ID_2012"> nach müßten in der III. Klasse die zum Gewerbekonvent Wahlberechtigten ihre<lb/>
Abgeordneten unmittelbar bestimmen. Sei es nun, daß dieser Wahlkörper un-<lb/>
tunlich groß erschien, sei es anders, genug, die Verfassung legte fest, daß die<lb/>
Abgeordneten III. Klasse nicht von allen Gewerbetreibenden, sondern nur von<lb/>
ihrer Bemfsvertretung, dem Gewerbekonvent (180 Handwerker, 90 Fabrikanten)<lb/>
gewählt werden sollen. Damit werden die Gewerbetreibenden aber zu Urwählern,<lb/>
die Gewerbekonventsmitglieder zu Wahlmännern III. Klasse. In solcher Eigen¬<lb/>
schaft verlieren die letzteren natürlich den Nimbus einer unverständlichen<lb/>
Bevorzugung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2014"> Nur der &#x201E;Urwähler" III. Klasse kann, was sein Wahlrecht betrifft, mit dem<lb/>
Wähler anderer Klassen verglichen werden I</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2015"> Jetzt ergibt sich eine eigenartige Komplikation, die in dem Wahlverfahren<lb/>
begründet ist. Wird dies auch formal mit vollem Recht als indirekt angesprochen,<lb/>
so fehlt doch jede materielle Konsequenz. Sowohl in dem Bewußtsein der<lb/>
Wähler, denn die Wahlen zum Gewerbekonvent gehen mit geringer Beteiligung,<lb/>
ohne politische Kämpfe vor sich, da sie nur als Wahlen der Berussvertreter,<lb/>
nicht als Urwähler zur Bürgerschaft betrachtet werden, als nicht minder nach<lb/>
der Auslegung des Bürgerschaftsgesetzes: die Gewerbetreibenden, die Urwähler<lb/>
III. Klasse, sind in jeder anderen wahlberechtigt, soweit sie nicht eben als<lb/>
Gewerbekonventsmitglieder Wahlmänner der III. Klasse sind. An Beispielen<lb/>
erläutert: der Direktor einer chemischen Fabrik, Dr. plin., wählt in der I. Klasse,<lb/>
ein Zigarrenfabrikant als Teilnehmer des Kaufmannskonvents in der II., ein<lb/>
Handwerker in den Klassen des allgemeinen Wahlrechts.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2016"> Bei Berechnung der Pluralstimmen müssen der Vereinfachung halber die<lb/>
paar Gelehrten der Gewerbetreibenden unberücksichtigt bleiben. Dann zerfallen<lb/>
die Urwähler III. Klasse in zwei verschieden berechtigte Gruppen, in die Fabri¬<lb/>
kanten, die Wähler II. Klasse sind (etwa 75 als Teilnehmer des Kaufmanns¬<lb/>
konvents) und in die übrigen Fabrikanten (325) und sämtliche Handwerker<lb/>
(rund 3000), die in der IV., V., VI. oder VIII. Klasse wählen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2017"> Beider Wahlrecht setzt sich aus zwei Anteilen zusammen,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2018"><formula facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341895_322400/figures/grenzboten_341895_322400_322814_008.jpg"> 20 1 -&#x2014;, 3400 170</formula> dem Urwählerwahlrecht III. Klasse das sind drei Plural-</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2019"><formula facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341895_322400/figures/grenzboten_341895_322400_322814_009.jpg"/> immer und</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2020"> dem direkten Wahlrecht der II. bzw. IV.  V. ^- VI. 4- VIII. Klasse.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2021" next="#ID_2022"><formula facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341895_322400/figures/grenzboten_341895_322400_322814_013.jpg"/> Das Wahlrecht der II. Klasse (Kaufleute) ist in Pluralstimmen</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2022" prev="#ID_2021"><formula facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341895_322400/figures/grenzboten_341895_322400_322814_015.jpg"> : &#x2014; ^ 24. 21</formula> ausgedrückt</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2023"> Fabrikanten, die Mitglieder des Kaufmannskonvents sind, haben demnach<lb/>
mit 27 (24 4- 3) Pluralstimmen den stärksten politischen Einfluß.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0412] Gleiches Wahlrecht? nach müßten in der III. Klasse die zum Gewerbekonvent Wahlberechtigten ihre Abgeordneten unmittelbar bestimmen. Sei es nun, daß dieser Wahlkörper un- tunlich groß erschien, sei es anders, genug, die Verfassung legte fest, daß die Abgeordneten III. Klasse nicht von allen Gewerbetreibenden, sondern nur von ihrer Bemfsvertretung, dem Gewerbekonvent (180 Handwerker, 90 Fabrikanten) gewählt werden sollen. Damit werden die Gewerbetreibenden aber zu Urwählern, die Gewerbekonventsmitglieder zu Wahlmännern III. Klasse. In solcher Eigen¬ schaft verlieren die letzteren natürlich den Nimbus einer unverständlichen Bevorzugung. Nur der „Urwähler" III. Klasse kann, was sein Wahlrecht betrifft, mit dem Wähler anderer Klassen verglichen werden I Jetzt ergibt sich eine eigenartige Komplikation, die in dem Wahlverfahren begründet ist. Wird dies auch formal mit vollem Recht als indirekt angesprochen, so fehlt doch jede materielle Konsequenz. Sowohl in dem Bewußtsein der Wähler, denn die Wahlen zum Gewerbekonvent gehen mit geringer Beteiligung, ohne politische Kämpfe vor sich, da sie nur als Wahlen der Berussvertreter, nicht als Urwähler zur Bürgerschaft betrachtet werden, als nicht minder nach der Auslegung des Bürgerschaftsgesetzes: die Gewerbetreibenden, die Urwähler III. Klasse, sind in jeder anderen wahlberechtigt, soweit sie nicht eben als Gewerbekonventsmitglieder Wahlmänner der III. Klasse sind. An Beispielen erläutert: der Direktor einer chemischen Fabrik, Dr. plin., wählt in der I. Klasse, ein Zigarrenfabrikant als Teilnehmer des Kaufmannskonvents in der II., ein Handwerker in den Klassen des allgemeinen Wahlrechts. Bei Berechnung der Pluralstimmen müssen der Vereinfachung halber die paar Gelehrten der Gewerbetreibenden unberücksichtigt bleiben. Dann zerfallen die Urwähler III. Klasse in zwei verschieden berechtigte Gruppen, in die Fabri¬ kanten, die Wähler II. Klasse sind (etwa 75 als Teilnehmer des Kaufmanns¬ konvents) und in die übrigen Fabrikanten (325) und sämtliche Handwerker (rund 3000), die in der IV., V., VI. oder VIII. Klasse wählen. Beider Wahlrecht setzt sich aus zwei Anteilen zusammen, [FORMEL] dem Urwählerwahlrecht III. Klasse das sind drei Plural- [FORMEL] immer und dem direkten Wahlrecht der II. bzw. IV. V. ^- VI. 4- VIII. Klasse. [FORMEL] Das Wahlrecht der II. Klasse (Kaufleute) ist in Pluralstimmen [FORMEL] ausgedrückt Fabrikanten, die Mitglieder des Kaufmannskonvents sind, haben demnach mit 27 (24 4- 3) Pluralstimmen den stärksten politischen Einfluß.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/412
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/412>, abgerufen am 15.01.2025.