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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Reichsspiegel

für lebhafte Umsätze auf dem Konto kommt in Wegfall, der so naheliegende Ge¬
danke, die Gebühren durch Freimarken statt durch lästige Buchungen zu erheben,
wird in Wirksamkeit umgesetzt, und endlich werden die Pflichtguthaben der Konto¬
inhaber auf die Hälfte, nämlich auf 50 Mark ermäßigt.

Alle diese Vorschläge verdienen uneingeschränkten Beifall. Es darf mit
Sicherheit erwartet werden, daß im Laufe weniger Jahre der Postscheckverkehr sich
zur weitaus wichtigsten Einrichtung des Zahlungswesens ausbilden wird, weil er
auf viel breiterer Grundlage beruht, als der Giroverkehr der Neichsbank und der
Abrechnungsverkehr der Banken. So dürfen wir hoffen, daß mit seiner Hilfe es
allmählich gelingen wird, dem Grundübel unseres Geldwesens, dem zu starken
Vargeldumlcmf zu steuern.

Die Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten hat den Demokraten
Wilson an das Ruder gebracht. Damit wird aller Wahrscheinlichkeit nach ein
Umschwung in der Wirtschaftspolitik Amerikas eingeleitet, der, wenn er auch zu¬
nächst noch unsicher und seinem Umfange nach unbestimmt sein mag, doch für die
wirtschaftlichen Verhältnisse der Union und der nach Amerika importierenden
Länder, vor allem also auch Deutschland, große Bedeutung gewinnen kann. Es
handelt sich zunächst um eine Änderung in der Tarifpolitik. Das Hochschutz-
zollsystem der Republikaner weicht jetzt dem Programm der Demokraten, welche
nur Fiskalzölle wollen. Indessen wird man kaum auf eine sofortige grund¬
stürzende Änderung rechnen können. Zölle von so exorbitanter Höhe, wie sie
Amerika eingeführt hat, lassen sich nicht durch einen Federstrich beseitigen, ohne
das ganze Wirtschaftsleben der Gefahr der Zerstörung auszusetzen. Nur ein all-




Reichsspiegel

für lebhafte Umsätze auf dem Konto kommt in Wegfall, der so naheliegende Ge¬
danke, die Gebühren durch Freimarken statt durch lästige Buchungen zu erheben,
wird in Wirksamkeit umgesetzt, und endlich werden die Pflichtguthaben der Konto¬
inhaber auf die Hälfte, nämlich auf 50 Mark ermäßigt.

Alle diese Vorschläge verdienen uneingeschränkten Beifall. Es darf mit
Sicherheit erwartet werden, daß im Laufe weniger Jahre der Postscheckverkehr sich
zur weitaus wichtigsten Einrichtung des Zahlungswesens ausbilden wird, weil er
auf viel breiterer Grundlage beruht, als der Giroverkehr der Neichsbank und der
Abrechnungsverkehr der Banken. So dürfen wir hoffen, daß mit seiner Hilfe es
allmählich gelingen wird, dem Grundübel unseres Geldwesens, dem zu starken
Vargeldumlcmf zu steuern.

Die Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten hat den Demokraten
Wilson an das Ruder gebracht. Damit wird aller Wahrscheinlichkeit nach ein
Umschwung in der Wirtschaftspolitik Amerikas eingeleitet, der, wenn er auch zu¬
nächst noch unsicher und seinem Umfange nach unbestimmt sein mag, doch für die
wirtschaftlichen Verhältnisse der Union und der nach Amerika importierenden
Länder, vor allem also auch Deutschland, große Bedeutung gewinnen kann. Es
handelt sich zunächst um eine Änderung in der Tarifpolitik. Das Hochschutz-
zollsystem der Republikaner weicht jetzt dem Programm der Demokraten, welche
nur Fiskalzölle wollen. Indessen wird man kaum auf eine sofortige grund¬
stürzende Änderung rechnen können. Zölle von so exorbitanter Höhe, wie sie
Amerika eingeführt hat, lassen sich nicht durch einen Federstrich beseitigen, ohne
das ganze Wirtschaftsleben der Gefahr der Zerstörung auszusetzen. Nur ein all-




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[0398] Reichsspiegel für lebhafte Umsätze auf dem Konto kommt in Wegfall, der so naheliegende Ge¬ danke, die Gebühren durch Freimarken statt durch lästige Buchungen zu erheben, wird in Wirksamkeit umgesetzt, und endlich werden die Pflichtguthaben der Konto¬ inhaber auf die Hälfte, nämlich auf 50 Mark ermäßigt. Alle diese Vorschläge verdienen uneingeschränkten Beifall. Es darf mit Sicherheit erwartet werden, daß im Laufe weniger Jahre der Postscheckverkehr sich zur weitaus wichtigsten Einrichtung des Zahlungswesens ausbilden wird, weil er auf viel breiterer Grundlage beruht, als der Giroverkehr der Neichsbank und der Abrechnungsverkehr der Banken. So dürfen wir hoffen, daß mit seiner Hilfe es allmählich gelingen wird, dem Grundübel unseres Geldwesens, dem zu starken Vargeldumlcmf zu steuern. Die Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten hat den Demokraten Wilson an das Ruder gebracht. Damit wird aller Wahrscheinlichkeit nach ein Umschwung in der Wirtschaftspolitik Amerikas eingeleitet, der, wenn er auch zu¬ nächst noch unsicher und seinem Umfange nach unbestimmt sein mag, doch für die wirtschaftlichen Verhältnisse der Union und der nach Amerika importierenden Länder, vor allem also auch Deutschland, große Bedeutung gewinnen kann. Es handelt sich zunächst um eine Änderung in der Tarifpolitik. Das Hochschutz- zollsystem der Republikaner weicht jetzt dem Programm der Demokraten, welche nur Fiskalzölle wollen. Indessen wird man kaum auf eine sofortige grund¬ stürzende Änderung rechnen können. Zölle von so exorbitanter Höhe, wie sie Amerika eingeführt hat, lassen sich nicht durch einen Federstrich beseitigen, ohne das ganze Wirtschaftsleben der Gefahr der Zerstörung auszusetzen. Nur ein all-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/398>, abgerufen am 15.01.2025.