Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Reichsspiegel als eine durchaus internationale Erscheinung dar. Wohin wir blicken, haben die Allerdings darf man nicht übersehen: wir sind heute in unserer Geld- und Nunmehr will das Postscheckgesetz die Einrichtung zu einer dauernden ge¬ Reichsspiegel als eine durchaus internationale Erscheinung dar. Wohin wir blicken, haben die Allerdings darf man nicht übersehen: wir sind heute in unserer Geld- und Nunmehr will das Postscheckgesetz die Einrichtung zu einer dauernden ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0397" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322799"/> <fw type="header" place="top"> Reichsspiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_1960" prev="#ID_1959"> als eine durchaus internationale Erscheinung dar. Wohin wir blicken, haben die<lb/> Zentralnotenbanken ihre Sätze erhöht und das scharfe Steigen der Devisenkurse<lb/> beweist, daß der bei solcher Gestaltung der Geldverhältnisse übliche Kampf um das<lb/> Gold lebhaft eingesetzt hat. Es kann auch gar kein Zweifel darüber bestehen, daß<lb/> diese Geldteuerung eine Folge der äußerst lebhaften industriellen Konjunktur<lb/> ist, welche rundum, wo nur auf dem Erdball die Essen rauchen, gegenwärtig das<lb/> Zepter führt. In allen industriellen Ländern sehen wir eine auf das äußerste<lb/> angespannte Produktion im Bergbau, wie im Eisen- und Stahlgewerbe. Allent¬<lb/> halben begegnen wir daher auch den gleichen Erscheinungen: steigende Preise,<lb/> Erweiterung des Produktionsapparates, Überlastung der Verkehrsmittel, dringenden<lb/> Kapitalbedarf. Für Deutschland geht dieser Kapitalbedarf der Industrie<lb/> deutlich aus dem Mehrbetrag der Neuinvestitionen bei den Aktiengesellschaften und<lb/> Gesellschaften mit beschränkter Haftung hervor. In den ersten zehn Monaten des<lb/> laufenden Jahres ist die Summe des in Neugründungen und Erhöhungen an¬<lb/> gelegten Kapitals auf rund 130 Millionen angewachsen gegen 68 Millionen im<lb/> Vorjahr. Nur das Jahr 1906. also das Jahr der letzten Hochkonjunktur, hatte<lb/> noch eine höhere Ziffer aufzuweisen: 204 Millionen. Dabei hat sich bekanntlich<lb/> die Industrie infolge der Kreditbeschränkungen im Laufe des Sommers besondere<lb/> Beschränkungen auferlegen müssen und ist auch in den Herbstmonaten durch die<lb/> politischen Schwierigkeiten vielfach in der Durchführung ihrer Pläne gestört worden.<lb/> Es ist also ganz offenbar, daß die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse eine<lb/> ganz parallele Entwicklung zu denen des Jahres 1906 aufweisen. Der starke,<lb/> durch die Konjunktur bedingte Geldbedarf der Industrie läßt sich nur mit geringem<lb/> Erfolg zurückdämmen, denn man kann das in vollem Gang befindliche Schwungrad<lb/> nicht plötzlich zum Stillstand bringen. Weil aber die Entwicklung einen so gleich¬<lb/> artigen Verlauf nimmt, ist es lehrreich, sich die Etappen des damaligen Aufstieges<lb/> und Zusammenbruches vor Augen zu halten, um nicht wieder von den Ereignissen<lb/> überrascht zu werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1961"> Allerdings darf man nicht übersehen: wir sind heute in unserer Geld- und<lb/> Bankorganisation besser gerüstet als vor sechs Jahren. Wir haben durch die<lb/> schmerzliche Krisis gelernt und manche Mängel abgestellt. Dies gilt insbesondere<lb/> von der Pflege des bargeldlosen Zahlungsausgleichs. Der jetzt vorgelegte Entwurf<lb/> des Postscheckgesetzes bringt dies zur rechten Zeit in Erinnerung. Der Post-<lb/> scheckverkehr war von der Regierung zunächst als ein Provisorium, als ein Versuch,<lb/> nicht ohne gewichtige Bedenken und zum Teil gegen eine lebhafte Opposition ein¬<lb/> geführt. Die Regelung war auch insofern nicht ganz glücklich, als ein seltsam<lb/> verklausuliertes und unbegreiflich schwerfälliges Gebührenwesen die Wirksamkeit<lb/> der Einrichtung hemmte. Trotzdem ist die in dem dreijährigen Zeitraum ein¬<lb/> getretene Entwicklung dieses neuen Überweisungsverkehrs eine wahrhaft glänzende<lb/> gewesen. Am Ende des ersten JahreS bestanden etwa dreiundvierzigtausend Konter;<lb/> diese haben sich bis heute mehr als verdoppelt; die Monatsumsätze belaufen sich<lb/> auf annähernd 3 Milliarden, die Guthaben der Kontoinhaber auf beinahe<lb/> 150 Millionen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1962" next="#ID_1963"> Nunmehr will das Postscheckgesetz die Einrichtung zu einer dauernden ge¬<lb/> stalten und die Mängel der ursprünglichen Einrichtung abstellen. Die Gebühren¬<lb/> sätze werden vereinheitlicht und ermäßigt, die besonders anfechtbare Strafgebühr</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0397]
Reichsspiegel
als eine durchaus internationale Erscheinung dar. Wohin wir blicken, haben die
Zentralnotenbanken ihre Sätze erhöht und das scharfe Steigen der Devisenkurse
beweist, daß der bei solcher Gestaltung der Geldverhältnisse übliche Kampf um das
Gold lebhaft eingesetzt hat. Es kann auch gar kein Zweifel darüber bestehen, daß
diese Geldteuerung eine Folge der äußerst lebhaften industriellen Konjunktur
ist, welche rundum, wo nur auf dem Erdball die Essen rauchen, gegenwärtig das
Zepter führt. In allen industriellen Ländern sehen wir eine auf das äußerste
angespannte Produktion im Bergbau, wie im Eisen- und Stahlgewerbe. Allent¬
halben begegnen wir daher auch den gleichen Erscheinungen: steigende Preise,
Erweiterung des Produktionsapparates, Überlastung der Verkehrsmittel, dringenden
Kapitalbedarf. Für Deutschland geht dieser Kapitalbedarf der Industrie
deutlich aus dem Mehrbetrag der Neuinvestitionen bei den Aktiengesellschaften und
Gesellschaften mit beschränkter Haftung hervor. In den ersten zehn Monaten des
laufenden Jahres ist die Summe des in Neugründungen und Erhöhungen an¬
gelegten Kapitals auf rund 130 Millionen angewachsen gegen 68 Millionen im
Vorjahr. Nur das Jahr 1906. also das Jahr der letzten Hochkonjunktur, hatte
noch eine höhere Ziffer aufzuweisen: 204 Millionen. Dabei hat sich bekanntlich
die Industrie infolge der Kreditbeschränkungen im Laufe des Sommers besondere
Beschränkungen auferlegen müssen und ist auch in den Herbstmonaten durch die
politischen Schwierigkeiten vielfach in der Durchführung ihrer Pläne gestört worden.
Es ist also ganz offenbar, daß die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse eine
ganz parallele Entwicklung zu denen des Jahres 1906 aufweisen. Der starke,
durch die Konjunktur bedingte Geldbedarf der Industrie läßt sich nur mit geringem
Erfolg zurückdämmen, denn man kann das in vollem Gang befindliche Schwungrad
nicht plötzlich zum Stillstand bringen. Weil aber die Entwicklung einen so gleich¬
artigen Verlauf nimmt, ist es lehrreich, sich die Etappen des damaligen Aufstieges
und Zusammenbruches vor Augen zu halten, um nicht wieder von den Ereignissen
überrascht zu werden.
Allerdings darf man nicht übersehen: wir sind heute in unserer Geld- und
Bankorganisation besser gerüstet als vor sechs Jahren. Wir haben durch die
schmerzliche Krisis gelernt und manche Mängel abgestellt. Dies gilt insbesondere
von der Pflege des bargeldlosen Zahlungsausgleichs. Der jetzt vorgelegte Entwurf
des Postscheckgesetzes bringt dies zur rechten Zeit in Erinnerung. Der Post-
scheckverkehr war von der Regierung zunächst als ein Provisorium, als ein Versuch,
nicht ohne gewichtige Bedenken und zum Teil gegen eine lebhafte Opposition ein¬
geführt. Die Regelung war auch insofern nicht ganz glücklich, als ein seltsam
verklausuliertes und unbegreiflich schwerfälliges Gebührenwesen die Wirksamkeit
der Einrichtung hemmte. Trotzdem ist die in dem dreijährigen Zeitraum ein¬
getretene Entwicklung dieses neuen Überweisungsverkehrs eine wahrhaft glänzende
gewesen. Am Ende des ersten JahreS bestanden etwa dreiundvierzigtausend Konter;
diese haben sich bis heute mehr als verdoppelt; die Monatsumsätze belaufen sich
auf annähernd 3 Milliarden, die Guthaben der Kontoinhaber auf beinahe
150 Millionen.
Nunmehr will das Postscheckgesetz die Einrichtung zu einer dauernden ge¬
stalten und die Mängel der ursprünglichen Einrichtung abstellen. Die Gebühren¬
sätze werden vereinheitlicht und ermäßigt, die besonders anfechtbare Strafgebühr
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