Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Südafrikanische Lindrücke ideellen Werte betrifft -- und um sich herum die Lebensbedingungen ihrer Außer Betracht sollen auch die Eingeborenen bleiben, denn auch sie zeigen Das eigentliche Produkt dieses Landes, umgemodelt in ihrem Charakter, Es ist ein tragisches Geschick, daß ihnen auch dieser bescheidenste, negativste Da entdeckte man in ihren dürren Steppen riesige Goldfelder. Was anderen Südafrikanische Lindrücke ideellen Werte betrifft — und um sich herum die Lebensbedingungen ihrer Außer Betracht sollen auch die Eingeborenen bleiben, denn auch sie zeigen Das eigentliche Produkt dieses Landes, umgemodelt in ihrem Charakter, Es ist ein tragisches Geschick, daß ihnen auch dieser bescheidenste, negativste Da entdeckte man in ihren dürren Steppen riesige Goldfelder. Was anderen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0381" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322783"/> <fw type="header" place="top"> Südafrikanische Lindrücke</fw><lb/> <p xml:id="ID_1811" prev="#ID_1810"> ideellen Werte betrifft — und um sich herum die Lebensbedingungen ihrer<lb/> Heimat zu schaffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1812"> Außer Betracht sollen auch die Eingeborenen bleiben, denn auch sie zeigen<lb/> dem Beobachter keine diesem Lande allein charakteristischen Züge; soviel Interesse<lb/> auch die tapferen Kämpfe dieser kriegerischen Stämme — mit ihrer höheren<lb/> und strafferen Organisation, als sonstwo in Afrika — zu erwecken vermögen,<lb/> soviel Teilnahme man auch ihrem Schicksal entgegenbringen vermag: ihrer<lb/> Waffen und so ihrer Mannhaftigkeit beraubt, müssen sie Arbeit leisten, deren<lb/> Lohn sie zu ihrem Leben nicht brauchen; und zwar Arbeit, die ihrer Natur<lb/> nicht zusagt, tief unter der Erde von Lungenkrankheiten und steter Gefahr bedroht;<lb/> über der Erde sind sie für Monate ihrer Bewegungsfreiheit beraubt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1813"> Das eigentliche Produkt dieses Landes, umgemodelt in ihrem Charakter,<lb/> beeinflußt in ihrem Wesen durch sein Klima, seine Landschaft, die Beschäftigung,<lb/> die es ihnen aufzwingt, sind die Abkömmlinge jener alten holländischen An¬<lb/> siedler, die Buren. Ihre Geschichte ist die des Landes gewesen, sie haben es<lb/> erobert, besiedelt und sind nun untrennbar mit ihm verwachsen. Sie zogen in<lb/> die Steppe und lebten von dem Vieh, das sich seine Nahrung selbst suchte;<lb/> jagten das Wild und bekriegten die Eingeborenen; lebten in der Einsamkeit<lb/> und liebten sie. Nur das notwendigste lockere Gefüge staatlicher Gemeinschaft<lb/> hielt sie zusammen. Denn sie haßten das enge Zusammenleben und jeglichen<lb/> Zwang. Mit eiserner Zähigkeit hingen sie an ihrer Sprache und Religion.<lb/> Der materielle Fortschritt anderer Weltteile, die Gaben der Zivilisation ließen<lb/> sie unberührt. Sie wollten sich nicht bereichern, wollten nicht andere von<lb/> ihrem Besitz verdrängen. Sie wollten nur eins: ihre Freiheit und ihre Einsamkeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_1814"> Es ist ein tragisches Geschick, daß ihnen auch dieser bescheidenste, negativste<lb/> aller Wünsche nicht erfüllt wurde. Die Engländer verdrängten die Holländer<lb/> aus der Kapkolonie und begannen auf ihre Art, das Land zu zivilisieren. AIs<lb/> ihnen ihre Sprache genommen, ihre Freiheit beschränkt werden sollte, da ver¬<lb/> ließen die Buren ihre alten Heimstätten und zogen hinauf nach Norden in<lb/> wildes, unbekanntes Land. Nur ihre Freiheit und nationale Eigenart wollten<lb/> sie behalten. Wieder besiedelten sie das Land und wurden heimisch in ihm,<lb/> und wieder folgten ihnen die Engländer. Aber es gelang ihnen, durch Unter¬<lb/> handlungen und tapfere Kämpfe ihre Selbständigkeit zu bewahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1815"> Da entdeckte man in ihren dürren Steppen riesige Goldfelder. Was anderen<lb/> Völkern als eine Himmelsgabe erschienen wäre, war ihnen ein Greuel. Es<lb/> brachte fremde Menschen in ihre einsame Steppe, stellte sie vor alle Probleme<lb/> des modernen Staates und Kapitalismus. Vergeblich versuchten sie sich gegen<lb/> die neue Zeit zu stemmen und die Entwicklung auszuhalten. Auch jetzt noch<lb/> waren sie bereit, sich mit dem neuen Geiste der Zeit auseinanderzusetzen, indem<lb/> sie vor ihm zurückwichen. Wieder wollten sie ihr Hab und Gut, Weib und<lb/> Kind auf ihre Ochsenwagen laden und wieder hinausziehen in das unbekannte<lb/> Land im Norden.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0381]
Südafrikanische Lindrücke
ideellen Werte betrifft — und um sich herum die Lebensbedingungen ihrer
Heimat zu schaffen.
Außer Betracht sollen auch die Eingeborenen bleiben, denn auch sie zeigen
dem Beobachter keine diesem Lande allein charakteristischen Züge; soviel Interesse
auch die tapferen Kämpfe dieser kriegerischen Stämme — mit ihrer höheren
und strafferen Organisation, als sonstwo in Afrika — zu erwecken vermögen,
soviel Teilnahme man auch ihrem Schicksal entgegenbringen vermag: ihrer
Waffen und so ihrer Mannhaftigkeit beraubt, müssen sie Arbeit leisten, deren
Lohn sie zu ihrem Leben nicht brauchen; und zwar Arbeit, die ihrer Natur
nicht zusagt, tief unter der Erde von Lungenkrankheiten und steter Gefahr bedroht;
über der Erde sind sie für Monate ihrer Bewegungsfreiheit beraubt.
Das eigentliche Produkt dieses Landes, umgemodelt in ihrem Charakter,
beeinflußt in ihrem Wesen durch sein Klima, seine Landschaft, die Beschäftigung,
die es ihnen aufzwingt, sind die Abkömmlinge jener alten holländischen An¬
siedler, die Buren. Ihre Geschichte ist die des Landes gewesen, sie haben es
erobert, besiedelt und sind nun untrennbar mit ihm verwachsen. Sie zogen in
die Steppe und lebten von dem Vieh, das sich seine Nahrung selbst suchte;
jagten das Wild und bekriegten die Eingeborenen; lebten in der Einsamkeit
und liebten sie. Nur das notwendigste lockere Gefüge staatlicher Gemeinschaft
hielt sie zusammen. Denn sie haßten das enge Zusammenleben und jeglichen
Zwang. Mit eiserner Zähigkeit hingen sie an ihrer Sprache und Religion.
Der materielle Fortschritt anderer Weltteile, die Gaben der Zivilisation ließen
sie unberührt. Sie wollten sich nicht bereichern, wollten nicht andere von
ihrem Besitz verdrängen. Sie wollten nur eins: ihre Freiheit und ihre Einsamkeit.
Es ist ein tragisches Geschick, daß ihnen auch dieser bescheidenste, negativste
aller Wünsche nicht erfüllt wurde. Die Engländer verdrängten die Holländer
aus der Kapkolonie und begannen auf ihre Art, das Land zu zivilisieren. AIs
ihnen ihre Sprache genommen, ihre Freiheit beschränkt werden sollte, da ver¬
ließen die Buren ihre alten Heimstätten und zogen hinauf nach Norden in
wildes, unbekanntes Land. Nur ihre Freiheit und nationale Eigenart wollten
sie behalten. Wieder besiedelten sie das Land und wurden heimisch in ihm,
und wieder folgten ihnen die Engländer. Aber es gelang ihnen, durch Unter¬
handlungen und tapfere Kämpfe ihre Selbständigkeit zu bewahren.
Da entdeckte man in ihren dürren Steppen riesige Goldfelder. Was anderen
Völkern als eine Himmelsgabe erschienen wäre, war ihnen ein Greuel. Es
brachte fremde Menschen in ihre einsame Steppe, stellte sie vor alle Probleme
des modernen Staates und Kapitalismus. Vergeblich versuchten sie sich gegen
die neue Zeit zu stemmen und die Entwicklung auszuhalten. Auch jetzt noch
waren sie bereit, sich mit dem neuen Geiste der Zeit auseinanderzusetzen, indem
sie vor ihm zurückwichen. Wieder wollten sie ihr Hab und Gut, Weib und
Kind auf ihre Ochsenwagen laden und wieder hinausziehen in das unbekannte
Land im Norden.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |