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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Südafrikanische Lindrücke

Wellen gegen die Felsblöcke, die den weißen Strand all der vielen kleinen
Buchten unterbrechen. Und an den Hängen zwischen Meer und Berg zieht
sich die Stadt, mit all ihren Vororten und taufenden von kleinen Häuschen,
die von Gärten umgeben sind mit grünem Rasen, vielerlei Blumen und seltenen
Bäumen.

Eine Vergangenheit mehrerer Jahrhunderte kolonialer Geschichte durch¬
geistigt die Stadt, die jetzt noch in frischem Leben blüht. So entgeht sie dem
Schicksal, das sonst europäische Kolonialstädte ihres Reizes beraubt: entweder
eine glorreiche Vergangenheit zu haben, aber in einer schläfrigen und tatenlosen
Gegenwart zu leben -- wie die portugiesischen oder spanischen Kolonien --,
oder in einer geschäftigen, nüchternen Gegenwart zu leben, ohne von den
Erinnerungen an Geschichte und Tradition getragen zu sein, wie die amerika¬
nischen und australischen.

Kapstadt hält die Mitte zwischen beiden: die zweihundert Jahre holländischer
Herrschaft haben sich der Stadt tief eingeprägt. Schlichte, schmucklose Gebäude,
einfache Kirchen. Alleen alter schöner Eichen geben der Stadt ihr Gepräge.
Ihre Lage als Ausfuhrhafen eines großen, blühenden Landes, ihre Verbindungen
nach Südamerika und Australien sind die Grundlagen ihrer gegenwärtigen und
zukünftigen Blüte.

Wer das Hinterland von Kapstadt durchstreift, der glaubt in die Alpen
versetzt zu sein; aber nicht Alpen, wo ein Berg sich drohend und beengend neben
den anderen erhebt. Zwar sind auch hier Gebirgszüge. vielgestaltig mit steilen
Gipfeln und felsigen Hängen. Aber zwischen ihnen dehnen sich weite, fruchtbare
Täter -- fast schon Ebenen --, von Flüssen durchströmt, mit fruchtbarem
Boden. Hier gedeiht Wein und kostbares Obst, das im Winter auf den Tischen
Londons prangt, Weizen und Gerste. Zwischen hohen Bäumen versteckt liegen
die weißen Farmer holländischer und deutscher Bauern, die schon seit vielen Gene¬
rationen dieses Land bestellen.

So mag sich dem, der, von Europa kommend, all diesen Reichtum zum
ersten Male sieht, wohl der Traum des alten Europas hier zu erfüllen scheinen;
als sei ein neuer Weltteil gefunden, der all den Überschuß von Menschen und
Kraft aufzunehmen und ihn reichlich zu ernähren vermöge. Bis ihn dann die
ewige Steppe jenseits der hohen Berge belehrt, daß er auch hier europäische
Lebensbedingungen nicht wiederfinden wird.


7. Die Menschen

Es ist natürlich, daß ein Land von so eigenartigem Gepräge, mit einer
so langen Vergangenheit kolonialer Geschichte einen tiefen Einfluß ausgeübt
hat auf die Menschen, die es bewohnen. Nur geringes Interesse vermögen --
von diesem Standpunkte aus -- die Engländer zu erwecken; erst vor einem
Jahrhundert eingedrungen, sind sie, wie überall draußen, nur von dem Wunsche
beseelt, wenig von dem Lande anzunehmen, in dem sie wohnen -- was die


Südafrikanische Lindrücke

Wellen gegen die Felsblöcke, die den weißen Strand all der vielen kleinen
Buchten unterbrechen. Und an den Hängen zwischen Meer und Berg zieht
sich die Stadt, mit all ihren Vororten und taufenden von kleinen Häuschen,
die von Gärten umgeben sind mit grünem Rasen, vielerlei Blumen und seltenen
Bäumen.

Eine Vergangenheit mehrerer Jahrhunderte kolonialer Geschichte durch¬
geistigt die Stadt, die jetzt noch in frischem Leben blüht. So entgeht sie dem
Schicksal, das sonst europäische Kolonialstädte ihres Reizes beraubt: entweder
eine glorreiche Vergangenheit zu haben, aber in einer schläfrigen und tatenlosen
Gegenwart zu leben — wie die portugiesischen oder spanischen Kolonien —,
oder in einer geschäftigen, nüchternen Gegenwart zu leben, ohne von den
Erinnerungen an Geschichte und Tradition getragen zu sein, wie die amerika¬
nischen und australischen.

Kapstadt hält die Mitte zwischen beiden: die zweihundert Jahre holländischer
Herrschaft haben sich der Stadt tief eingeprägt. Schlichte, schmucklose Gebäude,
einfache Kirchen. Alleen alter schöner Eichen geben der Stadt ihr Gepräge.
Ihre Lage als Ausfuhrhafen eines großen, blühenden Landes, ihre Verbindungen
nach Südamerika und Australien sind die Grundlagen ihrer gegenwärtigen und
zukünftigen Blüte.

Wer das Hinterland von Kapstadt durchstreift, der glaubt in die Alpen
versetzt zu sein; aber nicht Alpen, wo ein Berg sich drohend und beengend neben
den anderen erhebt. Zwar sind auch hier Gebirgszüge. vielgestaltig mit steilen
Gipfeln und felsigen Hängen. Aber zwischen ihnen dehnen sich weite, fruchtbare
Täter — fast schon Ebenen —, von Flüssen durchströmt, mit fruchtbarem
Boden. Hier gedeiht Wein und kostbares Obst, das im Winter auf den Tischen
Londons prangt, Weizen und Gerste. Zwischen hohen Bäumen versteckt liegen
die weißen Farmer holländischer und deutscher Bauern, die schon seit vielen Gene¬
rationen dieses Land bestellen.

So mag sich dem, der, von Europa kommend, all diesen Reichtum zum
ersten Male sieht, wohl der Traum des alten Europas hier zu erfüllen scheinen;
als sei ein neuer Weltteil gefunden, der all den Überschuß von Menschen und
Kraft aufzunehmen und ihn reichlich zu ernähren vermöge. Bis ihn dann die
ewige Steppe jenseits der hohen Berge belehrt, daß er auch hier europäische
Lebensbedingungen nicht wiederfinden wird.


7. Die Menschen

Es ist natürlich, daß ein Land von so eigenartigem Gepräge, mit einer
so langen Vergangenheit kolonialer Geschichte einen tiefen Einfluß ausgeübt
hat auf die Menschen, die es bewohnen. Nur geringes Interesse vermögen —
von diesem Standpunkte aus — die Engländer zu erwecken; erst vor einem
Jahrhundert eingedrungen, sind sie, wie überall draußen, nur von dem Wunsche
beseelt, wenig von dem Lande anzunehmen, in dem sie wohnen — was die


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[0380] Südafrikanische Lindrücke Wellen gegen die Felsblöcke, die den weißen Strand all der vielen kleinen Buchten unterbrechen. Und an den Hängen zwischen Meer und Berg zieht sich die Stadt, mit all ihren Vororten und taufenden von kleinen Häuschen, die von Gärten umgeben sind mit grünem Rasen, vielerlei Blumen und seltenen Bäumen. Eine Vergangenheit mehrerer Jahrhunderte kolonialer Geschichte durch¬ geistigt die Stadt, die jetzt noch in frischem Leben blüht. So entgeht sie dem Schicksal, das sonst europäische Kolonialstädte ihres Reizes beraubt: entweder eine glorreiche Vergangenheit zu haben, aber in einer schläfrigen und tatenlosen Gegenwart zu leben — wie die portugiesischen oder spanischen Kolonien —, oder in einer geschäftigen, nüchternen Gegenwart zu leben, ohne von den Erinnerungen an Geschichte und Tradition getragen zu sein, wie die amerika¬ nischen und australischen. Kapstadt hält die Mitte zwischen beiden: die zweihundert Jahre holländischer Herrschaft haben sich der Stadt tief eingeprägt. Schlichte, schmucklose Gebäude, einfache Kirchen. Alleen alter schöner Eichen geben der Stadt ihr Gepräge. Ihre Lage als Ausfuhrhafen eines großen, blühenden Landes, ihre Verbindungen nach Südamerika und Australien sind die Grundlagen ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Blüte. Wer das Hinterland von Kapstadt durchstreift, der glaubt in die Alpen versetzt zu sein; aber nicht Alpen, wo ein Berg sich drohend und beengend neben den anderen erhebt. Zwar sind auch hier Gebirgszüge. vielgestaltig mit steilen Gipfeln und felsigen Hängen. Aber zwischen ihnen dehnen sich weite, fruchtbare Täter — fast schon Ebenen —, von Flüssen durchströmt, mit fruchtbarem Boden. Hier gedeiht Wein und kostbares Obst, das im Winter auf den Tischen Londons prangt, Weizen und Gerste. Zwischen hohen Bäumen versteckt liegen die weißen Farmer holländischer und deutscher Bauern, die schon seit vielen Gene¬ rationen dieses Land bestellen. So mag sich dem, der, von Europa kommend, all diesen Reichtum zum ersten Male sieht, wohl der Traum des alten Europas hier zu erfüllen scheinen; als sei ein neuer Weltteil gefunden, der all den Überschuß von Menschen und Kraft aufzunehmen und ihn reichlich zu ernähren vermöge. Bis ihn dann die ewige Steppe jenseits der hohen Berge belehrt, daß er auch hier europäische Lebensbedingungen nicht wiederfinden wird. 7. Die Menschen Es ist natürlich, daß ein Land von so eigenartigem Gepräge, mit einer so langen Vergangenheit kolonialer Geschichte einen tiefen Einfluß ausgeübt hat auf die Menschen, die es bewohnen. Nur geringes Interesse vermögen — von diesem Standpunkte aus — die Engländer zu erwecken; erst vor einem Jahrhundert eingedrungen, sind sie, wie überall draußen, nur von dem Wunsche beseelt, wenig von dem Lande anzunehmen, in dem sie wohnen — was die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/380>, abgerufen am 15.01.2025.