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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Karl Salzer

Aber nun war es zu spät; von allen Seiten hatten die Engländer sie
eingeschlossen. Es war ihnen nicht einmal mehr erlaubt, ihr Hab und Gut den
Fremden zu überlassen. Im Norden umklammerte sie die gewaltige Schöpfung
Cecil Rhodes'; im Westen war ihnen der Eintritt in die Wüste des Bechuana-
landes verwehrt durch die listigen Verträge, die die Engländer mit den ein¬
geborenen Häuptlingen geschlossen hatten. Im Osten versperrten Natal und
die portugiesische Kolonie das Vordringen. So waren sie vor die Wahl gestellt,
den Forderungen der Fremden nachgebend auf ihre nationalen Eigenschaften
zu verzichten oder mit einem gewaltigen Weltreich zu kämpfen. Sie wählten
das Tapferere. Sie wurden geschlagen, mußten geschlagen werden nicht nur
wegen der ungeheuren Zahlenübermacht, sondern auch wegen der Eigenschaften
ihres Charakters: Selbständigkeit, die in Ungehorsam ausartete; Vorsicht, die
sie den Sieg nicht ausnutzen ließ.

Jetzt haben die stegreichen Engländer die Buren ihrem Weltreich als ein
neues Glied einfügen wollen. Es wäre eine seltsame Rache, wenn die Besiegten
den Sieger mit den friedlichen Mitteln der Verfassung, die ihnen in die Hand
gegeben sind, unterjochten und sich so ihre Selbständigkeit und Freiheit sicherten,
um die sie so lange mit den Waffen gekämpft haben.




Aarl Walzer
<Lin Roman
Richard Arles von
(Zwölfte Fortsetzung)
12.

Außer den alten, nichtfrommen Jungfern, die bei den Geschwistern Holtner
das Gnadenbrod haben, ist niemand im Hause. Sie sitzen im Garten, der hinterm
Hause liegt und warm und sonnig ist, in dem kein Wind pfauchen und die alten
Weiblein ärgern kann, weil ringsum die nachbarlichen Scheuern mit den hohen,
eingesattelten Dächern stehen. Sie hocken nah und dicht beisammen, denn ihre
ausgetrockneten Pergamentleiberchen können viel Wärme brauchen, "'s Holtners
drei Hutzelcher" heißen sie im ganzen Dorfe. Sie sind sehr verwundert, als sie
Karl in den Pferdestall gehen sehen, denn sonst kommt doch der Karl immer erst
um halb neun Uhr heim an den Sonntagabenden. Sie winken und rufen und
werfen die dürren Altweibleinsärmchm in die Höhe: Hnhla, habla, der Karl solle
einmal herkommen. Die dünnen Stimmchen zirpen und quietsckien, fast hört es
sich an, als gackerten ein paar Hühner.


Karl Salzer

Aber nun war es zu spät; von allen Seiten hatten die Engländer sie
eingeschlossen. Es war ihnen nicht einmal mehr erlaubt, ihr Hab und Gut den
Fremden zu überlassen. Im Norden umklammerte sie die gewaltige Schöpfung
Cecil Rhodes'; im Westen war ihnen der Eintritt in die Wüste des Bechuana-
landes verwehrt durch die listigen Verträge, die die Engländer mit den ein¬
geborenen Häuptlingen geschlossen hatten. Im Osten versperrten Natal und
die portugiesische Kolonie das Vordringen. So waren sie vor die Wahl gestellt,
den Forderungen der Fremden nachgebend auf ihre nationalen Eigenschaften
zu verzichten oder mit einem gewaltigen Weltreich zu kämpfen. Sie wählten
das Tapferere. Sie wurden geschlagen, mußten geschlagen werden nicht nur
wegen der ungeheuren Zahlenübermacht, sondern auch wegen der Eigenschaften
ihres Charakters: Selbständigkeit, die in Ungehorsam ausartete; Vorsicht, die
sie den Sieg nicht ausnutzen ließ.

Jetzt haben die stegreichen Engländer die Buren ihrem Weltreich als ein
neues Glied einfügen wollen. Es wäre eine seltsame Rache, wenn die Besiegten
den Sieger mit den friedlichen Mitteln der Verfassung, die ihnen in die Hand
gegeben sind, unterjochten und sich so ihre Selbständigkeit und Freiheit sicherten,
um die sie so lange mit den Waffen gekämpft haben.




Aarl Walzer
<Lin Roman
Richard Arles von
(Zwölfte Fortsetzung)
12.

Außer den alten, nichtfrommen Jungfern, die bei den Geschwistern Holtner
das Gnadenbrod haben, ist niemand im Hause. Sie sitzen im Garten, der hinterm
Hause liegt und warm und sonnig ist, in dem kein Wind pfauchen und die alten
Weiblein ärgern kann, weil ringsum die nachbarlichen Scheuern mit den hohen,
eingesattelten Dächern stehen. Sie hocken nah und dicht beisammen, denn ihre
ausgetrockneten Pergamentleiberchen können viel Wärme brauchen, „'s Holtners
drei Hutzelcher" heißen sie im ganzen Dorfe. Sie sind sehr verwundert, als sie
Karl in den Pferdestall gehen sehen, denn sonst kommt doch der Karl immer erst
um halb neun Uhr heim an den Sonntagabenden. Sie winken und rufen und
werfen die dürren Altweibleinsärmchm in die Höhe: Hnhla, habla, der Karl solle
einmal herkommen. Die dünnen Stimmchen zirpen und quietsckien, fast hört es
sich an, als gackerten ein paar Hühner.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/382>, abgerufen am 15.01.2025.