Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Prometheus und Zarathustra abschließt, -- hier müsse also wieder eine Entlehnung vorliegen. Das heißt Dieses ereignet sich in der Stunde, da "Zarathustra" konzeptionsreif wird Abgesehen hiervon ist wieder die Anwendungsart desselben Motivs, wie bei der Prometheus zieht sich mit Epimetheus zurück, sie bauen sich ein Haus und Und über alle dem, so ward besonders ihre Art und anders ihre Sprache, Und ward daraus ein gegenseitiges Mißverhältnis hin und her, und es Das sind also keine Einsiedler, sondern soziale Revolutionäre, die sich von Wie anders Zarathustra. Er geht ins Gebirge, um zehn Jahre seines Prometheus und Zarathustra abschließt, — hier müsse also wieder eine Entlehnung vorliegen. Das heißt Dieses ereignet sich in der Stunde, da „Zarathustra" konzeptionsreif wird Abgesehen hiervon ist wieder die Anwendungsart desselben Motivs, wie bei der Prometheus zieht sich mit Epimetheus zurück, sie bauen sich ein Haus und Und über alle dem, so ward besonders ihre Art und anders ihre Sprache, Und ward daraus ein gegenseitiges Mißverhältnis hin und her, und es Das sind also keine Einsiedler, sondern soziale Revolutionäre, die sich von Wie anders Zarathustra. Er geht ins Gebirge, um zehn Jahre seines <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322721"/> <fw type="header" place="top"> Prometheus und Zarathustra</fw><lb/> <p xml:id="ID_1496" prev="#ID_1495"> abschließt, — hier müsse also wieder eine Entlehnung vorliegen. Das heißt<lb/> nun wieder, die Kopfgröße nach den Haaren messen. Vorerst sei erwähnt, daß<lb/> der Einleitung des „Zarathustra" ein Erlebnis Nietzsches zugrunde liegt, eines,<lb/> das als eine weit sichtbare Gemarkung mitten auf seinem Lebensweg steht:<lb/> das Auftauchen des Gedankens der ewigen Wiederkunft, im August 1861 in<lb/> Sils Maria. Bernouilli (I, 321) entnimmt das Zitat der Andreas Salomo:<lb/> „Er hatte die Absicht, ihre Verkündigung davon abhängig zu machen, ob und<lb/> wieweit sie sich wissenschaftlich werde begründen lassen. Wir wechselten eine<lb/> Reihe von Briefen über den Gegenstand, und immer ging aus Nietzsches<lb/> Äußerungen die irrtümliche Meinung hervor, als sei es möglich, auf Grund<lb/> physikalischer Studien und der Atomlehre, eine wissenschaftlich unverrückbare<lb/> Basis dafür zu gewinnen. Damals war es, wo er beschloß, an der Wiener<lb/> oder Pariser Universität zehn Jahre ausschließlich Naturwissenschaften zu studieren.<lb/> Erst nach Jahren absoluten Schweigens wollte er dann, im Fall des gefürchteten<lb/> Erfolges, als Lehrer der ewigen Wiederkunft unter die Menschen treten."</p><lb/> <p xml:id="ID_1497"> Dieses ereignet sich in der Stunde, da „Zarathustra" konzeptionsreif wird<lb/> und Nietzsche verpflanzt das Geschehnis ohne poetische Gestaltung und Umbildung<lb/> in die Einleitung des „Zarathustra".</p><lb/> <p xml:id="ID_1498"> Abgesehen hiervon ist wieder die Anwendungsart desselben Motivs, wie bei der<lb/> Tiersymbolik bei beiden Dichtern eine grundverschiedene, ja entgegengesetzte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1499"> Prometheus zieht sich mit Epimetheus zurück, sie bauen sich ein Haus und<lb/> gründen Rousseauisch im Gegensatz zu der verderbten Gesellschaft eine neue,<lb/> reine, eigene. Ihre ganze Tat ist von vornherein als soziale Revolution<lb/> gedacht, denn sie verschwinden nicht dem Gesichtskreis der anderen, sondern<lb/> lagern sich ihnen gegenüber als Feinde. — „Und legten einen Balken vor den<lb/> Weg und sperreten mit Schloß und Riegel wohl das Tal und nahmen kein<lb/> Gesetz und keine Sitte an, und war ihr einziges Gebot der eigenen Seele<lb/> Flüstern, wenn sie sinnend wandelten in Wald und Hain und an des Berges<lb/> dust'gen blumigen Geländen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1500"> Und über alle dem, so ward besonders ihre Art und anders ihre Sprache,<lb/> also daß sie sagten „r" wo alle sprachen „l", und daß sie rücklings sich ver¬<lb/> neigten, wo die andern sich bekreuzigten in ihres Herzens andachtvoller,<lb/> staunender Verehrung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1501"> Und ward daraus ein gegenseitiges Mißverhältnis hin und her, und es<lb/> geschah, wenn ab und zu ein Zufall oder auch geselliges Verlangen sie ver¬<lb/> führte in der Brüder Kreis, so stockte allsofort das Spiel und wurde stumm<lb/> das trauliche Gespräch — und fanden keinen Platz und paßten nirgends hin<lb/> und waren allerorten fremde unwillkommene Gäste. —"</p><lb/> <p xml:id="ID_1502"> Das sind also keine Einsiedler, sondern soziale Revolutionäre, die sich von<lb/> der Menschheit nicht absondern, sondern sich ihr entgegenstellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1503" next="#ID_1504"> Wie anders Zarathustra. Er geht ins Gebirge, um zehn Jahre seines<lb/> Geistes und seiner Einsamkeit zu genießen. Die tiefe Kluft, die den</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0319]
Prometheus und Zarathustra
abschließt, — hier müsse also wieder eine Entlehnung vorliegen. Das heißt
nun wieder, die Kopfgröße nach den Haaren messen. Vorerst sei erwähnt, daß
der Einleitung des „Zarathustra" ein Erlebnis Nietzsches zugrunde liegt, eines,
das als eine weit sichtbare Gemarkung mitten auf seinem Lebensweg steht:
das Auftauchen des Gedankens der ewigen Wiederkunft, im August 1861 in
Sils Maria. Bernouilli (I, 321) entnimmt das Zitat der Andreas Salomo:
„Er hatte die Absicht, ihre Verkündigung davon abhängig zu machen, ob und
wieweit sie sich wissenschaftlich werde begründen lassen. Wir wechselten eine
Reihe von Briefen über den Gegenstand, und immer ging aus Nietzsches
Äußerungen die irrtümliche Meinung hervor, als sei es möglich, auf Grund
physikalischer Studien und der Atomlehre, eine wissenschaftlich unverrückbare
Basis dafür zu gewinnen. Damals war es, wo er beschloß, an der Wiener
oder Pariser Universität zehn Jahre ausschließlich Naturwissenschaften zu studieren.
Erst nach Jahren absoluten Schweigens wollte er dann, im Fall des gefürchteten
Erfolges, als Lehrer der ewigen Wiederkunft unter die Menschen treten."
Dieses ereignet sich in der Stunde, da „Zarathustra" konzeptionsreif wird
und Nietzsche verpflanzt das Geschehnis ohne poetische Gestaltung und Umbildung
in die Einleitung des „Zarathustra".
Abgesehen hiervon ist wieder die Anwendungsart desselben Motivs, wie bei der
Tiersymbolik bei beiden Dichtern eine grundverschiedene, ja entgegengesetzte.
Prometheus zieht sich mit Epimetheus zurück, sie bauen sich ein Haus und
gründen Rousseauisch im Gegensatz zu der verderbten Gesellschaft eine neue,
reine, eigene. Ihre ganze Tat ist von vornherein als soziale Revolution
gedacht, denn sie verschwinden nicht dem Gesichtskreis der anderen, sondern
lagern sich ihnen gegenüber als Feinde. — „Und legten einen Balken vor den
Weg und sperreten mit Schloß und Riegel wohl das Tal und nahmen kein
Gesetz und keine Sitte an, und war ihr einziges Gebot der eigenen Seele
Flüstern, wenn sie sinnend wandelten in Wald und Hain und an des Berges
dust'gen blumigen Geländen.
Und über alle dem, so ward besonders ihre Art und anders ihre Sprache,
also daß sie sagten „r" wo alle sprachen „l", und daß sie rücklings sich ver¬
neigten, wo die andern sich bekreuzigten in ihres Herzens andachtvoller,
staunender Verehrung.
Und ward daraus ein gegenseitiges Mißverhältnis hin und her, und es
geschah, wenn ab und zu ein Zufall oder auch geselliges Verlangen sie ver¬
führte in der Brüder Kreis, so stockte allsofort das Spiel und wurde stumm
das trauliche Gespräch — und fanden keinen Platz und paßten nirgends hin
und waren allerorten fremde unwillkommene Gäste. —"
Das sind also keine Einsiedler, sondern soziale Revolutionäre, die sich von
der Menschheit nicht absondern, sondern sich ihr entgegenstellen.
Wie anders Zarathustra. Er geht ins Gebirge, um zehn Jahre seines
Geistes und seiner Einsamkeit zu genießen. Die tiefe Kluft, die den
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