Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Agrare Reformen in Rußland anschlössen. Die Bauernagrarbank ist der ihr erteilten Weisung, mehr Land aus Wichtiger noch sind die Ergebnisse der Maßnahmen, die auf die Schaffung Agrare Reformen in Rußland anschlössen. Die Bauernagrarbank ist der ihr erteilten Weisung, mehr Land aus Wichtiger noch sind die Ergebnisse der Maßnahmen, die auf die Schaffung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0030" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322431"/> <fw type="header" place="top"> Agrare Reformen in Rußland</fw><lb/> <p xml:id="ID_52" prev="#ID_51"> anschlössen. Die Bauernagrarbank ist der ihr erteilten Weisung, mehr Land aus<lb/> privater Hand zu erwerben, in weitesten Umfange nachgekommen. Sie hat in<lb/> der Zeit vom I.Januar 1906 bis 31. Dezember 1911 rund 4 Millionen Dessjätinen<lb/> Privatbesitz an sich gebracht. Allein in den beiden Jahren 1906/07 erwarb sie<lb/> gegen 22/4 Millionen Dessjätinen — eine Zahl, die um so größer erscheint, wenn<lb/> man berücksichtigt, daß die Bank in dem Jahrzehnt vor 1906 durchschnittlich<lb/> jährlich noch keine 100000 Dessjätinen erwarb. Seitdem wieder ruhigere Zeiten<lb/> in Rußland eingekehrt sind, sind die Ankäufe der Bauernagrarbank — dem stark<lb/> gefallenen Angebot seitens der Grundbesitzer entsprechend — beträchtlich gefallen.<lb/> In den letzten beiden Jahren 1910/11 erreichten sie sogar bei weitem nicht den<lb/> früheren Durchschnitt von 100000 Dessjätinen. Von der Apanagenverwaltung<lb/> erwarb die Bauernagrarbank in den genannten sechs Jahren gegen 1/^ Millionen<lb/> Dessjätinen, so daß sie in dieser Zeit im ganzen mehr als 5 Millionen Dessjätinen<lb/> Land erworben hat. Von diesen sich in ihrem Besitz befindlichen Ländereien<lb/> hat sie inzwischen etwa 3 Millionen Dessjätinen an die Bauern verkauft. Von dem<lb/> Domänenland, dessen Verkauf an die Bauern unmittelbar zugelassen war, sind<lb/> in dem Jahrsechst etwa 300000 Dessjätinen in bäuerlichen Besitz übergegangen.<lb/> Rechnet man zu diesen Ziffern noch hinzu, daß infolge der Auswanderung nach<lb/> Sibirien etwa 1 Million Dessjätinen frei gemacht wurden, so ergibt sich, daß<lb/> der den bäuerlichen Wirtschaften im europäischen Rußland zugute gekommene Land¬<lb/> zuwachs in derZeitvoml. Januar1906bis 31. Dezember1911 rund ^/zMillionen<lb/> Dessjätinen beträgt. Ganz gewiß hat nicht jeder Bauer seinen Besitz vergrößern<lb/> können — es war auch nicht nötig, da der Landmangel enorm übertrieben<lb/> wurde —, ganz sicher haben auch nicht alle diejenigen, die in der Tat eine Vesitz-<lb/> vergrößerung gebrauchten, eine solche vornehmen können, aber trotzdem wird man<lb/> zugeben müssen, daß in Rußland in wenigen Jahren eine ganz gewaltige Be¬<lb/> sitzverschiebung zu gunsten des Kleinbesitzes stattgefunden hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_53" next="#ID_54"> Wichtiger noch sind die Ergebnisse der Maßnahmen, die auf die Schaffung<lb/> von Sonderbesitz zielten. In dem Jahrsechst (1906 bis 1911) sind nicht weniger<lb/> als 1.2/4 Millionen Bauern aus der Feldgemeinschaft ausgeschieden; die gesamte<lb/> ausgeschiedene Fläche beläuft sich auf rund 12 Millionen Dessjätinen. Außerdem<lb/> sind gegen 3000 Gemeinden, in denen seit der Landzuteilung keine allgemeinen<lb/> Anleitungen stattgefunden hatten, als zum Sonderbesitz übergegangen zu<lb/> betrachten; die auf diese Weise dem Sonderbesitz zugeführte Landstände beträgt gegen<lb/> 1^/2 Millionen Dessjätinen. Die Landeinrichtungsarbeiten d. h. die Ausscheidung<lb/> und Umlegung der bäuerlichen Grundstücke, die Bildung von geschlossenen Bauern¬<lb/> höfen, die Auseinandersetzungen zwischen mehreren Dörfern einer Gemeinde usw.<lb/> kamen den Wünschen und Bedürfnissen der bäuerlichen Bevölkerung in so weit¬<lb/> gehendem Maße entgegen, daß es den Landeinrichtungsbehörden ganz unmöglich<lb/> war, die von Jahr zu Jahr steigende Zahl der Amräge infolge unzureichender<lb/> Arbeitskräfte, Mangel an Landmessern usw. umgehend zu erfüllen. Nament¬<lb/> lich machte sich der Mangel an Landmessern in den ersten Jahren äußerst</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0030]
Agrare Reformen in Rußland
anschlössen. Die Bauernagrarbank ist der ihr erteilten Weisung, mehr Land aus
privater Hand zu erwerben, in weitesten Umfange nachgekommen. Sie hat in
der Zeit vom I.Januar 1906 bis 31. Dezember 1911 rund 4 Millionen Dessjätinen
Privatbesitz an sich gebracht. Allein in den beiden Jahren 1906/07 erwarb sie
gegen 22/4 Millionen Dessjätinen — eine Zahl, die um so größer erscheint, wenn
man berücksichtigt, daß die Bank in dem Jahrzehnt vor 1906 durchschnittlich
jährlich noch keine 100000 Dessjätinen erwarb. Seitdem wieder ruhigere Zeiten
in Rußland eingekehrt sind, sind die Ankäufe der Bauernagrarbank — dem stark
gefallenen Angebot seitens der Grundbesitzer entsprechend — beträchtlich gefallen.
In den letzten beiden Jahren 1910/11 erreichten sie sogar bei weitem nicht den
früheren Durchschnitt von 100000 Dessjätinen. Von der Apanagenverwaltung
erwarb die Bauernagrarbank in den genannten sechs Jahren gegen 1/^ Millionen
Dessjätinen, so daß sie in dieser Zeit im ganzen mehr als 5 Millionen Dessjätinen
Land erworben hat. Von diesen sich in ihrem Besitz befindlichen Ländereien
hat sie inzwischen etwa 3 Millionen Dessjätinen an die Bauern verkauft. Von dem
Domänenland, dessen Verkauf an die Bauern unmittelbar zugelassen war, sind
in dem Jahrsechst etwa 300000 Dessjätinen in bäuerlichen Besitz übergegangen.
Rechnet man zu diesen Ziffern noch hinzu, daß infolge der Auswanderung nach
Sibirien etwa 1 Million Dessjätinen frei gemacht wurden, so ergibt sich, daß
der den bäuerlichen Wirtschaften im europäischen Rußland zugute gekommene Land¬
zuwachs in derZeitvoml. Januar1906bis 31. Dezember1911 rund ^/zMillionen
Dessjätinen beträgt. Ganz gewiß hat nicht jeder Bauer seinen Besitz vergrößern
können — es war auch nicht nötig, da der Landmangel enorm übertrieben
wurde —, ganz sicher haben auch nicht alle diejenigen, die in der Tat eine Vesitz-
vergrößerung gebrauchten, eine solche vornehmen können, aber trotzdem wird man
zugeben müssen, daß in Rußland in wenigen Jahren eine ganz gewaltige Be¬
sitzverschiebung zu gunsten des Kleinbesitzes stattgefunden hat.
Wichtiger noch sind die Ergebnisse der Maßnahmen, die auf die Schaffung
von Sonderbesitz zielten. In dem Jahrsechst (1906 bis 1911) sind nicht weniger
als 1.2/4 Millionen Bauern aus der Feldgemeinschaft ausgeschieden; die gesamte
ausgeschiedene Fläche beläuft sich auf rund 12 Millionen Dessjätinen. Außerdem
sind gegen 3000 Gemeinden, in denen seit der Landzuteilung keine allgemeinen
Anleitungen stattgefunden hatten, als zum Sonderbesitz übergegangen zu
betrachten; die auf diese Weise dem Sonderbesitz zugeführte Landstände beträgt gegen
1^/2 Millionen Dessjätinen. Die Landeinrichtungsarbeiten d. h. die Ausscheidung
und Umlegung der bäuerlichen Grundstücke, die Bildung von geschlossenen Bauern¬
höfen, die Auseinandersetzungen zwischen mehreren Dörfern einer Gemeinde usw.
kamen den Wünschen und Bedürfnissen der bäuerlichen Bevölkerung in so weit¬
gehendem Maße entgegen, daß es den Landeinrichtungsbehörden ganz unmöglich
war, die von Jahr zu Jahr steigende Zahl der Amräge infolge unzureichender
Arbeitskräfte, Mangel an Landmessern usw. umgehend zu erfüllen. Nament¬
lich machte sich der Mangel an Landmessern in den ersten Jahren äußerst
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